Die 90er: Tägliche Serien

Quotenmmeter.de geht wieder auf Zeitreise und beleuchtet den dritten großen Trend der 90er-Jahre: Tägliche Seifenopern eroberten damals das Fernsehen.



Was sind denn eigentlich Soaps? Unterteilt werden die Seifenopern in Daily-Soaps, also Serien die täglich ausgestrahlt werden, und Weekly-Soaps, die man nur einmal in der Woche zu Gesicht bekommt. Wie soll es auch anders sein, haben die Soaps ihren Anfang ebenfalls in den USA genommen. Die erste Soap lief im Land der unbegrenzten Möglichkeiten schon 1952 über die Fernsehbildschirme.



Zurück nach Deutschland. Denkt man hier an Soaps, dann dürfte jedem wohl die am längsten in Deutschland laufende Soap einfallen: «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten», im Fanjargon auch «GZSZ» genannt. Das Urgestein der deutschen Fernsehlandschaft ging 1992 beim Kölner Privatsender RTL auf Sendung und ist es heute mit über 4100 Folgen immer noch. Im Ursprung kommt die Serie im Übrigen aus Australien. Dabei hat sie diverse Stars hervorgebracht, wie Oliver Petszokat, Jeanette Biedermann, Yvonne Catterfeld oder Alexandra Neldel. Die seit der Premiere immer montags bis freitags ausgestrahlte Serie erreicht tolle Quoten mit derzeit aufsteigenden Tendenzen, was unter Anderem wohl daran liegt, dass die Serie mit ihren überwiegend jungen Darstellern und alltäglichen Themen auch eine junge Zielgruppe anspricht.



Auch das Erste ließ sich nicht lumpen und startete nur fünf Monate später ebenfalls eine Soap: «Marienhof». Die im fiktiven Kölner Stadtteil „Marienhof“ spielende Serie läuft mit über 3400 Episoden auch heute noch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. «Marienhof» kommt nicht wegen der fünfmonatigen Verspätung auf „nur“ 3400 Sendungen, sondern auch weil sie anfangs nur dienstags und donnerstags, dafür aber mit 45-minütigen Folgen ausgestrahlt wurde. Erst im Januar 1995 wurde sie mit der neuen Soap «Verbotene Liebe» in eine richtige «Daily Soap» umgewandelt.







Ähnlich wie «GZSZ» setzt auch «Marienhof» auf eine junge Zielgruppe durch junge Charaktere und alltägliche Themen und Probleme. Eine Krise jedoch erschütterte die Soap im September 2005: Schleichwerbung. Die Gewerkschaft ver.di warf damals der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ eine Manipulation der Medien vor, da sie für gut 60.000 Euro per Schleichwerbung in Szenen und Dialogen wirtschaftliche Themen platziert hat. Der Chef der zuständigen Produktionsfirma nahm damals seinen Hut.



Aber zurück in die 90er: Durch die beiden Soaps brach ein regelrechter Konkurrenzkampf zwischen RTL und dem Ersten aus. Nach nur zwei Jahren schickte der Kölner Privatsender 1994 seine zweite Soap ins Rennen: «Unter Uns». Auch sie hat seit der Premiere montags bis freitags um 17.30 Uhr ihren festen Sendeplatz und weist daher über 3400 Folgen auf. Im Gegensatz zu GZSZ basiert «Unter Uns» nicht auf einer ausländischen Soap, sondern wurde selbst entwickelt. Wie auch «Marienhof» spielt auch «Unter Uns» in Köln, jedoch ist der zentrale Ort die fiktive Schilleralle 10.



Im Gegensatz zu «GZSZ» sind aus «Unter Uns» eher keine Promis hervorgegangen, aber dafür hatte die Soap einige prominente Gastauftritte wie von Dariusz Michalczewski, Dustin Semmelrogge, Pierre Geisensetter, Nino de Angelo oder Ruth Moschner. Zudem weist die Serie als einzige im deutschen Fernsehen einige Crossovers zu anderen Serien von RTL auf. So besuchten einige «Alles was zählt»-Darsteller ein Konzert von Mars, dem Sänger aus «Unter Uns». Wie auch «GZSZ» holt «Unter Uns» durchschnittlich gute Quoten.



Als Antwort schickte das Erste 1995 eine weitere Soap hinterher «Verbotene Liebe». Anders als die bisherigen Serien handelt «Verbotene Liebe» nicht von jungen Charakteren und alltäglichen Problemen, sondern von der High Society Düsseldorfs und deren Intrigen, sowie deren Auseinandersetzungen mit der Mittelschicht. Etwas ähnliches gab es 1995 definitiv noch nicht. Mit über 3200 Episoden in zwölf Staffeln kann sich die ARD-Soap auch weiterhin erfolgreich auf dem täglichen Sendeplatz behaupten.



Ein weiterer Privatsender hat 1995 versucht eine neue Soap ins deutsche Fernsehen einzubringen. Sat.1 hat damals, leider erfolglos, probiert seine Daily-Soap «So ist das Leben! Die Wagenfelds» dem deutschen Publikum schmackhaft zu machen.

Jedoch kam die Soap beim Publikum nicht wie von Sat.1 erhofft an, wie sich aus den andauernden schlechten Quoten entnehmen ließ, und so wurde sie nach nur 126 von 170 Folgen 1996 komplett eingestellt. Auch Wiederholungen in den Jahren 1999 und 2006 zeigten dieses miserable Quotenergebnis erneut auf. Ein vorläufiges Ende der Soaps auf Sat.1 war somit gekommen.



Auch RTL II versuchte sich 1996 an einer Daily-Soap: «Alle zusammen - Jeder für sich». Auch hier blieb jedoch der erhoffte Quotenerfolg aus und somit wurde sie 1997 wieder abgesetzt. Von der Premiere an hatte die inhaltlich an «So ist das Leben! Die Wagenfelds» oder «Unter Uns» erinnernde Soap den Sendeplatz von Montag bis Freitag von 19.00 bis 19.30 Uhr inne. Die Serie besteht aus 230 Folgen und wurde wegen schlechter Quoten nach nur einem Jahr von RTL II abgesetzt. Seit November 2007 wird sie auf dem digitalen Sender „passion“ wiederholt.







«Jede Menge Leben» war eine 1995 im ZDF gestartete Soap, mit der der Mainzer Sender seinen Einstieg in die Soap-Welt versuchte. Jedoch schlug dieser Versuch, wie auch schon zuvor bei SAT.1 und RTL II, fehl. Die bereits laufenden Seifenopern, dazu gehört im Übrigen auch die «Lindenstraße» - waren einfach zu dominant, als dass die ZDF-Soap, die ebenfalls wieder in Köln spielte, dagegen ankommen konnte. Anders erging es da dem SWR mit seiner Schöpfung «Die Fallers – Eine Schwarzwaldfamilie». Die seit 1994 immer am Sonntagabend ausgestrahlte Serie hält sich mit bereits über 600 Folgen und guten Quoten wacker im Soap-Krieg. « Die Fallers - Eine Schwarzwaldfamilie» ist die einzige Serie, die über ein Jahr im Voraus gedreht wird, wodurch in der Schwarzwaldfamilie keine aktuellen Themen anzutreffen sind.



«Hinter Gittern – Der Frauenknast» ist eine weitere Weekly-Soap, die auf RTL ausgestrahlt wurde. Die fiktive Frauen-JVA-Reutlitz in Berlin war bekannt für ihre Drogengeschäfte, lesbischen Liebesbeziehungen und deutlichen Übertreibungen in der Gefängniswelt. Dabei wurden oft die Gefängniswärter als korrupte Marionetten eines Vorgesetzten dargestellt oder die Insassen ermordeten einfach so jemand anderes im Gefängnis. Nachdem man viele Storylines ausprobiert hatte, wollte man mit der letzten und 16. Staffel zu den Wurzeln zurückkehren und trumpfte zudem mit einem neuen Set auf. Trotz der großen Änderungen entschieden sich die Verantwortlichen wegen sinkender Quoten jedoch für den Auslauf der Soap. Das Finale wurde am 13. Februar 2007 um 01:05 Uhr ausgestrahlt.



In den 90ern schossen Soaps also wie Unkraut aus dem Boden? Überlebt das Genre bis ins Jahr 2008. Doch wie sehen die Chancen in den kommenden Jahren aus? Man kann bei dieser Frage gemischter Gefühle sein. Einerseits gibt es sehr erfolgreiche Formate, wie «Marienhof», «GZSZ» oder «Lindenstraße», die sich wohlmöglich noch ewig halten würden, andererseits gibt und gab es genügend Sender, die sich an diesem Genre die Finger verbrannt haben. Es gibt kein Mittelding, entweder eine Soap ist gut und wird erfolgreich angenommen, oder sie fährt nur miese Quoten ein und wird binnen kürzester Zeit abgesetzt. Sat.1 hat es vorgemacht: «Verliebt in Berlin» war Top, «Anna und die Liebe» entwickelt sich eher zum Gegenteil. Auch RTL kann mit «Alles was zählt» eine erfolgreiche Soap vorweisen, floppte jedoch mit der «Ahornallee».



Der Trend „Telenovela“ hat den Soap-Markt ohnehin aufgewirbelt und gezeigt, dass man eine tägliche Serie heute deutlich anders erzählen muss als noch in den 90ern. Neue Formate sind vorerst nicht in Sicht: Die aktuell laufenden Soaps werden dem deutschen Fernsehpublikum aber sicher noch über einige Jahre hinweg erhalten bleiben.
05.11.2008 10:40 Uhr  •  Benjamin Müller Kurz-URL: qmde.de/30789