Die Kritiker: «Kanzlei Berger»

In der neuen ZDF-Vorabendserie spiele Eva-Maria Reichert und Nele Kiper ein charmantes Anwältinnen- und Schwesterngespann. Das wird allerdings nicht allen gefallen.

Stab

Darsteller: Eva-Maria Reichert, Nele Kiper, Robert Giggenbach, Sissi Perlinger, Nik Felice, Martin Gruber
Drehbuch: Michel Birbæk (Folge 1), Felicitas Sieben (Folgen 2, 7, 10), Klaus Rohne (Folgen 3, 8, 9), Marlene Schwedler (Folgen 4, 5, 11), Lasse Nolte (Folgen 6, 11, 12)
Regie: Gero Weinreuter (Folgen 1 - 4), Kerstin Ahlrichs (Folgen 5 - 8), Kai Meyer-Ricks (Folgen 9 - 12)
Kamera: Nathalie Wiedemann (Folgen 1 - 4), Marc Liesendahl (Folgen 5 - 12)
Schneidig stehen die beiden jungen Juristinnen der neuen ZDF-Vorabendserie auf den Pressebildern Rücken an Rücken und lächeln dabei breit. Trotzdem sind ihre großen Gegensätze schon von weitem zu sehen: Caro Berger (Eva-Maria Reichert) fasst sich in dieser Serie nahezu im Minutentakt ein Herz, fühlt sich mit beneidenswertem Feingefühl auch noch in die ausbeuterischsten Mandanten ein und ist bereit, bis zur Selbstverleugnung zurückzustecken, damit am Schluss Gerechtigkeit steht. Der logische Einsatzort für so eine Anwältin: die Familienkanzlei, zwischen Sorgerechtsstreit und Arbeitskampf.

Ihre Schwester Niki (Nele Kiper) ist da ganz anders: Mit ihrem langen glatten blonden Haar und einem perfekt sitzenden Kostüm marschiert sie durch seelenlose, von Glasfronten eingerahmte Flure in einer Schickimicki-Kanzlei im Herzen von München, verhandelt wahrscheinlich schon beim Frühstück über Millionendeals und hält Winkelzüge wie Intrigen für einen Teil des Spiels. Recht ist für sie nicht der Kampf für die gute Sache, sondern für die eigene Seite – egal, was die will.

Doch so unterschiedlich können die beiden eigentlich gar nicht sein – schließlich sind sie aus demselben Holz geschnitzt. Dieses Holz heißt Karl-Heinz Berger, betreibt seit Jahrzehnten eine süße Kanzlei in Landsberg und ist gerade im Gerichtssaal zusammengebrochen. Herzinfarkt, Klinik, für’s Erste außer Gefecht. Also müssen seine beiden Töchter ran – Caro, die ihn sowieso schon in seiner Kanzlei unterstützt, und Niki, die sich beruflich ohnehin verändern muss (und bald auch will).

Ihr erster Fall ist fast schon ein Klassiker der gefühligen deutschen Anwaltsserie: der Sorgerechtsstreit. Zwei Eltern, die an einem Kind zerren als wäre es ein Esel auf dem Viehmarkt und nicht bemerken, dass darüber alle kaputt gehen. Zum Glück ist Caro Berger da, die allen mit Bedacht und Umsicht mal ordentlich ins Gewissen redet, damit am Schluss alle endlich gemerkt haben, was sie aneinander haben – und damit nicht nur der Richterspruch nicht mehr gebraucht wird, sondern die dringend nötige Familientherapie gleich miterledigt ist.

Daran wächst natürlich auch Caros neue Kollegin, die abgebrühte Niki, die ihren Beruf bisher nur mit ausgefahrenen Ellenbogen betrieben hat, und jetzt endlich lernt, den Menschen ins Zentrum ihres Tuns zu rücken. Das mag man ein bisschen weltfremd nennen – aber viele sehnen sich wahrscheinlich gerade nach einem solchen Thema. Und wo wäre es besser aufgehoben als am Vorabend im ZDF? Denn charmant ist diese «Kanzlei Berger» allemal – nicht zuletzt dank der pfiffigen Darbietungen von Nele Kiper und Eva-Maria Reichert, die von ihrer schlagfertigen Serienmutter Sissi Perlinger mit ihrer berühmten bayerischen Zunge noch fast überboten werden.

Das ZDF zeigt zwölf Folgen von «Kanzlei Berger» immer mittwochs ab dem 10. Februar um 19.25 Uhr.
09.02.2021 10:30 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/124686