«I am Greta» - Einfach mal die Welt retten?

Filmemacher Nathan Grossmann begleitete die schwedische „Friday for Future“-Anführerin Greta Thunberg.

Greta Thunberg hat es nie darauf angelegt, weltberühmt zu werden. Im Gegenteil, die 17-jährige Schwedin ist eher ein introvertiertes Mädchen, das schon im zarten Alter von acht Jahren mit den scheinbar unüberwindbaren Themen der großen Welt beschäftigte. Je mehr sie über das Klima und kommende Katastrophen ließ, desto ängstlicher wurde sie. Die Folge: Sie verfiel in immer tieferen Depressionen, verweigerte die Nahrungsaufnahme, und dann wurde bei ihr auch noch das Asperger-Syndrom diagnostiziert.

Mit 12 sah sie nur noch einen Ausweg: Sie musste sich wehren, indem sie die Dinge für sich selbst in die Hand nehmen würde anstatt sich weiterhin dem Gefühl des Ausgeliefertseins hinzugeben. Zuerst indem sie selbst begann, Zuhause Strom zu sparen, kein Fleisch mehr zu essen und nicht mehr in ein Flugzeug zu steigen. Eine viel größeren Überwindung war es für Greta aber sicherlich, auf die Straße zu gehen, um vor dem schwedischen Parlament in den Schulstreik zu treten. Genau hier beginnt die Dokumentation «I Am Greta», die noch im Oktober in den Kinos anlief und nun bei mehreren Mediatheken (u.a. WDR und BR) abrufbar ist.

Alles beginnt mit einem Pappschild
Es ist der 20. August 2018. Die Sommerferien sind in Schweden vorbei. Doch anstatt wieder in die Schule zu gehen, sitzt Greta Thunberg mit einem selbstgebastelten Pappschild mit der Aufschrift „Skolstrejk för klimatet" (Schulstreik für das Klima). Die 15-Jährige will die Politiker bewegen, endlich etwas zu tun. Das verschafft ihr Aufmerksamkeit. Manche Leute beschimpfen sie, was ihr einfiele, die Schule zu Schwänzen, andere sympathisieren mit ihr.

In dieser Situation geht auch der Filmemacher Nathan Grossmann auf sie zu, fragt sie, ob er sie in den nächsten Tagen mit der Kamera begleiten dürfte. Bereits nach einer Woche ist die Zahl der Streikenden auf 35 angewachsen. Der Beginn der weltweiten Protestaktion „Friday For Future“. Immer mehr Kids fehlen Freitag in der Schule, und nun kann keiner mehr die Augen davor schließen, dass es die jungen Menschen tatsächlich ernst mit ihrem Appell meinen. Sie wollen auch morgen noch auf einen lebenswerten Planeten existieren, und die kleine Greta Thunberg wird zum Aushängeschild ihres Boykotts.

Greta zeigt ihr wahres Gesicht
Auch Regisseur Nathan Grossmann konnte wohl kaum ahnen, welche Größe das Projekt annehmen würde als er Greta Thunberg anbot, ihre Aktionen filmisch zu dokumentieren. Nach zwei Jahren kam dabei so viel Material zusammen, dass es für einen abendfüllenden Film reichen würde. Natürlich ist es interessant, noch einmal die Stationen der medienwirksamen Auftritte von Greta Thunberg mitzuerleben.

Demonstrationen, ihre Begegnungen mit großen Politikern wie Emmanuel Macron, Ex-US-Präsident Barack Obama oder Filmstar und Ex-Kalifornien-Gouverneur Arnold Schwarzenegger, aber auch ihre Brandrede auf dem UN-Klimagipfel 2019 in New York, zudem sie zuvor mit einer Segelyacht den Ozean überquert hatte. Auch hier ist die Kamera dabei und es entstehen sehr private Aufnahmen.



Ein ganz normales Mädchen
Immer wieder entstehen Momente, in den wir Greta ganz nah kommen. Das Mädchen, das in der Öffentlichkeit so viel Wissen und Klarheit über das Klima kommuniziert, dabei stets konzentriert und absolut ernsthaft wirkt, ist in Wirklichkeit wohl doch nur ein ganz normales Mädchen und keine Superheldin. Gott sei Dank, möchte man meinen. Denn die Greta, die einem bisher nicht zuletzt wegen ihrer autistischen Art immer so unnahbar erschien, entpuppt sich als sehr sensibel und erklärt ihre Sehnsucht nach einem ganz normalen Teenagerleben anstatt sich für den Klimaschutz stark machen zu machen.

Eine Überforderung, die vor allem auf der Überfahrt nach Amerika bei ihr bis zur körperlichen Erschöpfung sichtbar wird. Sicherlich einer der Gründe, warum sie - aggressiv aufgeladen - die Verantwortlichen auf dem UN-Klimagipfel 2019 mit Recht dermaßen frontal mit Worten wie ‚Wie könnt‘ ihr es wagen‘ angreifen konnte. Man könnte «I Am Greta» gewiss vorwerfen, dass man sich nicht kritisch genug mit der Galionsfigur Greta Thunberg auseinandersetzt, weil sie doch auch polarisiert. Aber es ist nun mal einiger das Porträt einer Umweltaktivistin als das einer jungen Frau auf der Suche nach sich selbst, was bestimmt jeder Teenager nachvollziehen kann.

Fazit: Aufschlussreiche und bewegende Doku, die uns die private Greta Thunberg näherbringt und Sympathien für sie wachsen lässt.
15.01.2021 12:50 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/123966