Hannes Jaenicke: ‚Was wir dem Planeten anrichten, habe ich selten so gut bebildert gesehen‘

Der bekannte Schauspieler Jaenicke setzte sich schon öfters in Dokumentationen für Tiere und den Planeten ein. Was er gar nicht mag ist, wenn Dokumentationen „zugelabbert“ sind.

Am Anfang seiner Karriere spielte Hannes Jaenicke (60) mit großen Kollegen wie Götz George («Abwärts») oder Burt Lancaster («Väter und Söhne»). Heute ist der gebürtige Frankfurter selbst ein Großer. Besonders für sein Engagement für den Tier- und Umweltschutz wird er sehr geschätzt. Insofern war der Schauspieler die richtige Wahl, um als Erzähler der Kino-Doku «Die Epoche des Menschen» zu agieren, in der die Zerstörung der Natur durch unsere Spezies angeprangert wird.

Im Film ist die Rede vom Anthropozän. Das wird nur den wenigsten etwas sagen…
Gehört hatte ich es zuvor schon mal, wusste ich auch nie, was es heißt oder wie man es schreibt. Jetzt kann ich es und weiß, dass damit die Epoche des Menschen gemeint ist. Alle Erdphasen zuvor waren quasi von der Natur getrieben und jetzt sind wir erstmals in einer Erdphase, die der Mensch gestaltet hat. Und was wir damit dem Planeten anrichten, habe ich selten so gut bebildert gesehen wie in diesem Film.

An welche Bilder denken Sie dabei?
Vieles spielt sich am anderen Ende der Welt ab. Lithium wird etwa in der chilenischen Atacama-Wüste abgebaut. Da fährt man so schnell nicht hin. Die größten Müllhalden der Welt entstehen in Nairobi und Indien. Das sehen wir ja alles nicht, und ich finde es toll, dass das mal ohne erhobenen Zeigefinger bebildert wird mit ganz sparsamen Texten.

Wobei Sie doch der Erzähler sind…
Trotzdem hasse ich es, wenn Dokus so zugelabbert sind. Dieser Film lässt die Zuschauer mit den Bildern erst mal allein. Erst dann setzt der Text ein, den auch ein anderer Sprecher hätte vortragen können. Ich wurde gewiss gefragt, weil das Thema mein privater Tätigkeitsbereich geworden ist.

Sind Sie als Umweltaktivist inzwischen nicht schon berühmter als mit der Schauspielerei?
Mein Beruf ist aber die Schauspielerei, und ich liebe meinen Beruf, von dem ich übrigens auch meine Miete bezahlen muss. Vom Umweltaktionismus kannst du auch nicht leben. Als Schauspieler verdiene ich genug, um meine Umweltprojekte finanzieren zu können. Einmal im Jahr leiste ich mir eine eigene Doku, an der ich aber nichts verdiene. Das Geld, dass wir dafür vom ZDF kriegen, verballern wir auch für die Qualität unserer Filme.

Verzweifeln Sie nicht manchmal, wenn Sie sich die Weltlage ansehen?
Es gibt ein altes jüdisches Sprichwort, das heißt: Es ist oft zu früh, aber nie zu spät. Ich bin am Rhein großgeworden, wo ich als Kind nicht mal meinen Fuß reinsetzen durfte, so eine Giftkloake war das. Jetzt kannst du Kinder in Köln darin wieder baden lassen. Es gibt also auch Erfolgsgeschichten. Costa Rica wird als erstes Land der Welt im nächsten Jahr Co2-neutral. Ruanda hat die Plastiktüte schon 2008 verboten. Peinlich für Deutschland ist, aber auch bei uns passiert ja immer mehr.

Und was?
Die Endverbraucher reagieren gerade. Ich sehe immer mehr Leute mit eigenen Trinkbechern herumlaufen, in Berlin und München haben wir plötzlich Pop-up-Fahrradwege. Ich bleibe eisern optimistisch, egal wie dramatisch die Situation sein mag.

Für viele nur ein Tropfen auf dem heißen Stein…
Kann man so sehen, wenn man sich gerade ansieht, was Trump in den USA treibt oder Bolsonaro in Brasilien, Putin in Russland, Erdogan in der Türkei. Das kann einem Angst machen, aber es gibt auch genügend Gegenbeispiele wie aus Norwegen und Kalifornien. Ich halte mich immer an die positiven Beispiele, sonst wird man wirklich depressiv.

Haben Sie eigentlich mal überlegt, in die Politik zu gehen?
Ich bin ja Mitglied bei den Grünen, ich glaube nur, mit meinen Dokus kann ich mehr bewegen. Etwa mit meiner letzten ZDF-Doku über den Lachs. Die lief um 22.45 Uhr und am nächsten Tag kollabierte der Lachsverkauf in Deutschland. Das bekommt eine Annalena Baerbock bei allem Respekt nicht so schnell hin. Deshalb bleibe ich schön bei meinen Leisten.

Sie haben auch schon über Nashörner, Delfine oder Geparden berichtet. Welche bedrohte Tierart steht als nächstes an?
Wölfe, weil wir das erste Land in Europa sind, dass den Abschuss wieder freigibt. Durch EU-Recht strengstens geschützt, hat der Bundesrat das wieder durchgewunken. Wir sind ja so tierlieb und naturverbunden, aber wehe es kommt ein Wolf und reißt Schafe, die nicht mal durch Zäune geschützt wurden. So viel Wildnis vertragen wir dann wohl doch nicht. Das ist für mich ein interessantes Thema. Und danach kommt für mich ein Einsatz für die Sau.

Wie bitte?
Ja, ein Film über deutsche Nutztierhaltung. Höchste Zeit seit Tönnies und Wiesenhof. Es gibt reichlich Unternehmen, die hinter verschlossenen Mauern Schweinskram betreiben. Fleisch muss teurer werden. Zurück zum Sonntagsbraten, ansonsten gibt es bald keinen Regenwald mehr.

Der Lockdown verursachte quasi einen Stillstand der Welt. Viele haben darin auch aber eine Chance gesehen. Sie auch?
Viele haben beim Konsum gemerkt, was wirklich wichtig ist. Eigentlich bräuchten wir nur Nahrungsmittel, alles andere ist Konsumschrott. Auch am Himmel ist erstaunlich wenig los. Es wird weniger geflogen, und in Venedig soll man zum ersten Mal in den Kanälen auf den Grund sehen können. Jetzt kann man nur hoffen, dass nicht nur Restauration betrieben wird, sondern wir ein bisschen daraus lernen.

Wo haben Sie eigentlich den Lockdown verbracht?
Ich hatte großes Glück, denn ich lebe in einem Dorf in Oberbayern. Da hast du nur gesehen, dass im Bio-Supermarkt Masken getragen werden und Kneipen geschlossen waren.

Gewiss sind Sie eher ein Landmensch und verabscheuen Städte…
Gern bin ich mal zu Besuch in einer Stadt wie jetzt Berlin. Ich arbeite auch gern hier, aber ich bin anschließend heilfroh, wenn ich wieder in mein Dörfchen komme.

Was glauben Sie, kommt nach dem Antropozän, nach der Epoche des Menschen?
Es gibt ja schon Leute, die in die Sterne investieren, um auf andere Planeten zu kommen. Vielleicht ist das unsere Zukunft, aber die Erde wird sich weiterdrehen, ob nun mit oder ohne uns. Sie wird sich auch wieder erholen. Die Natur holt alles wieder. Da mache ich mir wenig Sorgen. Ob wir dann noch dabei sind, ist eine andere Frage.
28.12.2020 11:05 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/123743