«Kampf um den Halbmond» Kritik zur Spionageserie bei ARTE

Die internationale Koproduktion «Kampf um den Halbmond» versucht einen äußerst realistischen Blick auf die Geschehnisse des Syrienkriegs zu werfen.

Die Handlung wird um einen Franzosen namens Antoine Habert (Félix Moati) gesponnen, der im französischen Fernsehen eine Frau im Syrienkrieg erblickt, die er für seine längst verstorben geglaubte Schwester hält und sich daher kurzerhand nach Syrien aufmacht, um diese zu suchen. Die Art und Weise des Vorgehens, der alleinig wegen ihrer Screentime als Hauptfigur zu bezeichnenden Figur, ist so wie auch die gesamte Serie auf äußersten Realismus getrimmt. Der französische Bauunternehmer, der sich allein aus Geschwisterliebe auf die Reise nach Syrien ergibt, hat keinerlei Kampf- oder Spionageerfahrung, er spricht außer gebrochenem Englisch keine Fremdsprachen und agiert dadurch für das Handlungsumfeld viel zu gutgläubig. Eine Heldenfigur im eigentlichen Sinne, auf die sich der Zuschauer einstellen und ihr begeistert zuschauen könnte, gibt es nicht.

Das Spionagedrama versucht dabei, eine Art dokurealistisches Bild zu zeichnen, das den Zuschauer mitten in den Syrienkrieg wirft und im Vergleich zu amerikanischen Hochglanzproduktionen zu jeder Zeit das Gefühl von Realität verschafft. Ein Abschalten und Versinken in der Welt der Fernsehserie wird so gekonnt vermieden. Der im Deutschen titelgebende Halbmond, ein Gebiet der nordsyrischen Wüste, scheint Haupthandlungsplatz der Serie zu werden. So trist und hoffnungslos wie möglich gezeichnet, wird stilistisch auf jeglichen Einsatz von warmen Farben oder ästhetischen Anspruch verzichtet. Auch schauspielerisch wird bewusst auf Understatement gesetzt. Der gesamte Cast macht seine Arbeit äußerst überzeugend ohne dass sich dabei jemand besonders in den Vordergrund spielt. Die Serie wurde als Gesamtkonzept offensichtlich als Antithese zu amerikanischen und teilweise auch britischen Spionageserien, wie wir sie kennen, produziert. Es gibt kein Spektakel, keine Explosionen oder Einsatz von Schusswaffen, wenn diese nicht handlungstechnisch erforderlich sind. Die Geschichte wird ohne Pathos oder Patriotismus hinsichtlich einer bestimmten Seite konstruiert, sie versucht lediglich ein Ist-Bild zu zeichnen, das den Antrieb aller Figuren gleichermaßen deutlich macht, sei es der französische Ehemann, Kämpferinnen der Frauenverteidigungseinheiten YPG oder gar ISIS Terroristen.

Zu empfehlen soll deswegen auch ausdrücklich der O-Ton aus Englisch, Französisch, Kurdisch und Arabisch sein. Die im Deutschen vollständig synchronisierte Serie sorgt im Vergleich für einen deutlichen Immersionsverlust. Es macht gerade für eine auf Realismus getrimmte Serie viel mehr Sinn, wenn sich die verschiedenen Personen untereinander in ihrer Landessprache unterhalten und bei der Artikulation mit Außenstehenden notfalls auch auf gebrochene Sprachen oder gar Gestiken setzen. Natürlich schränkt die sehr distanzierte und teilweise auch langwierige Erzählweise den Kreis der Zuschauerschaft stark ein. So spannend die Serie auch sein mag, so ist beim Schauen, insbesondere im O-Ton, immer ein Grundmaß von Konzentration erforderlich, sie strengt schlicht an und ist daher auch nicht gerade geeignetes Binge-Material.

«Kampf um den Halbmond» ist letztendlich Arthouse Kino für den kleinen Bildschirm, absolut ungeeignet für einen Abend mit Popcorn und Bier. Sie dürfte eher den ARTE schauenden Weintrinker mit breitgefülltem Bücherregal ansprechen, weshalb sie beim Spartensender auch sehr gut aufgehoben ist. Wer sich abseits von Hollywoodproduktionen auf diese geerdete und detaillierte Erzählung einlassen kann, wird durch den stets hochgehaltenen Spannungsbogen belohnt.

Die Serie läuft seit dem 26.11.2020 wöchentlich Donnerstababends ab 21:45 Uhr in Doppelfolgen bei Arte. Über die Mediathek ist die Serie bereits komplett abrufbar, wahlweise in deutscher Synchronisation oder im O-Ton mit deutschen Untertiteln.



28.11.2020 11:00 Uhr  •  Marc Schneider Kurz-URL: qmde.de/123131