Keine Rundfunkbeitragserhöhung wegen Satire-Video?

Herzlich Willkommen im Netz! Sowohl von einigen Medien als auch aus der Politik bekommt ein öffentlich-rechtlich finanzierter Sketch derzeit große Schelte. Racial Profiling in Reihen der Polizei ist das heikle Thema. Wir klären auf, was dahinter steckt, welche Positionen es gibt und wie man das Ganze einordnen könnte.

Am 11. Juli veröffentlichte der Comedian Aurel Mertz, dessen Inhalte über Funk öffentlich-rechtlich finanziert werden, als Teil seiner Sitcom- Reihe auf Instagram einen Sketch über einen Polizeieinsatz. In dem zweieinhalb-minütigen Clip beobachten zwei Polizisten einen dunkelhäutigen jungen Mann, der an einem Fahrradschloss hantiert. Dabei überlegen sie lautstark, ob der Mann aufgrund seines Erscheinungsbilds ein Ausländer sein könnte und damit ein potenzieller zum Fahrraddieb werden könnte, ohne ihn mit der Lage zu konfrontieren oder zu fragen. Sie fordern Verstärkung an, die sich letztlich wegen einer raschen Bewegung des Mannes hin zu seinen Taschen gezwungen sieht, ihn zu erschießen. Bei der Untersuchung der Leiche wird jedoch klar, es muss sich hier doch um einen Deutschen und damit natürlich um einen Unschuldigen handeln. Das Bedauern ist groß.

Vorwurf: “Das Video schürt Hass gegen die Polizei”


Einige Wochen nach der Veröffentlichung des Videos ist der Aufschrei nun groß. Dafür haben vereinzelt Politiker und große Schlagzeilen, allen voran in der Bild, gesorgt. Hinter dem ganzen steht mal wieder die Frage, was darf Satire und was nicht? Sollte es Grenzen für diese Form der Kunst geben und wer soll das entscheiden? Einigen Politikern geht das Video von Aurel jedenfalls zu weit. Der Vorwurf: “Hier wird Hass auf die Polizei geschürt und die Beamten unter Generalverdacht gestellt”. Ihrer Meinung nach liegt das Problem vor allem darin, dass solch ein Clip über die Öffentlich-Rechtlichen Gebühren finanziert wurde. „Das ist gebührenfinanzierter Hass auf Polizisten. Schämt Euch für solche Pauschalvorwürfe!“, twitterte zum Beispiel CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer. Sven Schulze, CDU-Europaparlamentarier aus Sachsen-Anhalt, ging sogar noch weiter und stellte in Aussicht, dass die CDU aus Sachsen-Anhalt unter anderem durch dieses Video versuchen wird, eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu verhindern.



Unter dem Tweet führt Schulze weiter aus: “Ich halte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland für unverzichtbar, bin aber wie hier auch immer wieder negativ überrascht was mit den Gebührengeldern finanziert wird. Eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist dringend nötig!” Bei der Zeitung mit den vier Buchstaben machte Schulze seine Ansage noch deutlicher: „Das Video ist nicht akzeptabel, es diskreditiert die gesamte Polizei. Und erst recht darf so etwas nicht mit Geldern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks finanziert werden, genau wie vor Kurzem das unsägliche Video mit der Umweltsau-Oma. Wir sagen als CDU Sachsen-Anhalt klar, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen, aber dass man genau schauen muss, wofür das Geld ausgegeben wird. Beitragsstabilität steht auf Drängen der CDU in unserem Koalitionsvertrag, eine Erhöhung wird es nicht geben, jetzt erst recht nicht.“

Herbert Reul (76, CDU), Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, nannte das Video im Gespräch mit der Bild derweil einen "Schlag ins Gesicht jedes Polizeibeamten". Die Darstellung von Polizisten und Polizistinnen "pauschal als ausländerfeindliche Dumpfbacken" sei menschenverachtend. Gert Wöllmann, ein FDP-Regionalpolitiker, konterte Aurel Mertz Rechtfertigung, mit der er am Montag den Clip noch einmal Repostete, und drehte überlegt dessen Formulierungen um:



Außerdem nahm sich Wöllmann als Zusatz noch heraus, die Qualität zu beurteilen. Seiner Meinung nach sei der Clip “so schlecht gemacht, dass es weder für das eigentliche Thema sensibilisiert noch wenigstens irgendwie lustig” sei. “Übertreibung um zu verdeutlichen? Ja, mache ich auch gerne mal, aber das hier ist einfach nur auf vielen Ebenen platt."

Das ZDF steht indes hinter Aurel Mertz und gab folgendes Statement ab: "Der satirische Clip "Racial Profiling" thematisiert Erfahrungen von Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden. Der Clip ist in seiner Überspitzung und Darstellung eindeutig als Satire erkennbar."

Verteidigung: “Satire muss sich nicht entschuldigen”


Auf der anderen Seite wurden auf Twitter auch Stimmen laut, die den Clip verteidigten und betonten, dass man Satire weder einschränken noch zu ernst nehmen sollte. Journalist René Martens bot den empörten Politikern gar “eine Art Grundkurs im Bereich Medienkompetenz” an, um den Unterschied zwischen Comedy und Journalismus klar zu machen.



Am Ende bleibt die Frage, ob ein solcher Clip mit gut einer Viertelmillion Aufrufe die ganze Aufregung überhaupt wert ist und wirklich das Potenzial hat Menschen gegen die Polizei auf der Straße aufzuhetzen, oder ob es sich hier einfach um eine klassische Story im berühmten “Sommerloch” handelt, die vom Boulevard größer gemacht wurde, als sie eigentlich ist. Die Entscheidung der sachsen-anhaltischen CDU, die Betrags-Erhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stoppen zu wollen, besteht jedenfalls nicht erst seit diesem Video und bei Gewalttaten gegen die Polizei hat sich auch noch niemand öffentlich auf dieses Video als Inspiration berufen.
20.08.2020 11:30 Uhr  •  Niklas Spitz Kurz-URL: qmde.de/120790