Bento: Gefangen in der grünen Großstadtblase

Vor knapp zwei Wochen entschied Der Spiegel, dass das Jugendangebot keine Zukunft hat.

„Wir gehören nicht dazu, egal, wie sehr wir uns anstrengen“, „Politikwissenschaftler in PR-Agentur: ‚Mit meinem Studium hat das, was mache, nicht mehr viel zu tun'“ und „Werden wir nach Corona endlich zu kritischeren Reisenden?“ – so lauten drei prominente Überschriften des Spiegel-Ablegers Bento, der im Herbst eingestellt wird. Die Redaktion, die nicht mit ihren Spiegel+ und Der Spiegel zusammen arbeiten, soll in andere Abteilungen versetzt werden, sofern dies möglich ist. Kündigungen sollen vermieden werden, hieß es von Seitens des Verlags.

Das Angebot, das monatlich um die zehn Millionen Seitenaufrufe verzeichnet, beschäftigt 26 Redakteure. Damit ist Bento, das nach Informationen der IVW sinkende Leserzahlen hat, nicht wirklich rentabel. Und dass, obwohl das Angebot prominent in der Online-Version vom Spiegel integriert ist. Das wussten auch schon die Verantwortlichen des Verlags, denn am 1. September 2019 wurden Frauke Lüpke-Narberhaus und Ole Reißmann, die seit dem Start 2015 die Leitung inne hatten, durch Viktoria Bolmer und Julia Rieke abgelöst.



Doch die Leserzahlen wurden nicht besser – im Gegenteil. Wen wundert das, denn die junge Redaktion ist in ihrer grünen Blase gefangen. Das ist auch gar nicht verwunderlich, immerhin ist Bento ein Nachfolger des „Uni Spiegels“; nur sollte die Webseite, die vor fünf Jahren an den Start ging, sich breiter aufstellen. Jedoch haben die Verantwortlichen seither eine große Gruppe außen vorgehalten: Die jungen Menschen abseits des Studiums, die, die nicht in den Metropolen wohnen. Dazu kommt noch der inhaltliche Aspekt, denn die Themen sind sehr dünn und kurz – als können sich die Menschen bis Mitte 25 für keine längeren Texte interessieren.

Bento bietet bunte Reportagen, allerdings immer mit einem Unterton. Beispielsweise erzählt eine Geschichte über die Probleme von Homosexuellen bei der Bundeswehr, eine Geschichte über eine Weiße bei den „Black Lives Matter“-Demonstrationen oder eine junge Corona-Liebe. Alles nette Geschichten, allerdings ohne Wiedererkennungswert und Substanz. Im vergangenen Jahr wollten die neuen Redaktionsleiter neue Besucher anlocken, allerdings entschlossen sie sich lieber für ein neues Design, statt Themen von Bedeutung anzupacken. Nachrichten finden sich bei Bento übrigens keine, es gibt also keinen Grund die Webseite täglich zu besuchen.

Braucht Der Spiegel überhaupt ein junges Portal? Der Verlag selbst sagt, dass 58 Prozent seiner User zwischen 30 und 59 Jahre alt seien, gut zwei Fünftel der Leser gehören zu den unter 30-Jährigen und über 60-Jährigen. Demzufolge holen sich die jungen Menschen die „harten“ News auch bei Spiegel.de. Das zeigen auch andere Zahlen wie die von Tagesschau. Während die Nachrichtensendung im Fernsehen von den älteren Zuschauern verfolgt wird, erreicht die Tagesschau-App vor allem junge Menschen.

Viele andere Jugendangebote sind in den vergangenen Jahren gescheitert. Vor zwei Jahren musste Gruner + Jahr seine „Neon“ einstellen, die in völlige Bedeutungslosigkeit geriet. Jetzt.de von der Süddeutschen und ze.tt von der Zeit (0,135 Millionen Aufrufe über App) sind ebenfalls keine Überflieger. Auch das amerikanische Portal Vice entließ zuletzt mehrere Angestellte. Diese Portale fielen immer mit ähnlichen Themen auf: Das Besondere der Großstadt, allerdings lebten und schrieben die Verantwortlichen in einer Blase. Es gibt Menschen, beispielsweise auf dem Land in Bayern oder im Ruhrpott oder gar in Ostdeutschland, die eine völlig andere Lebenswirklichkeit haben. Da können sich die Redakteure von Bento noch so sehr für einen kostenlosen Nahverkehr einsetzen, wenn am Tag nur zwei Busse fahren, trifft das vielleicht die Berliner Welt, aber nicht die aus dem Allgäu.
19.06.2020 20:00 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/119208