Die Kritiker: «Der Beischläfer»

Ein bisschen will die sehr bayerisch geratene Amazon-Serie mit Marcus Stoll („Harry G“) und Lisa Bitter so cool sein wie Monaco Franze – landet im Ergebnis aber eher bei „Heiter bis tödlich“.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Markus Stoll als Charlie Menzinger
Lisa Bitter als Dr. Julia Kellermann
Daniel Christensen als Franz-Xaver Holzapfel
Helmfried von Lüttichau als Paul Seidl
Mathilde Bundschuh als Prema
Lilly Forgách als Ingeborg Straschill
Florian Jahr als Nils Rohrbach

Hinter der Kamera:
Produktion: The Amazing Film Company GmbH
Drehbuch: Murmel Clausen und Mike Viebrock
Regie: Anna-Katharina Maier
Kamera: Thomas Wittmann
Produzenten: Thomas Peter Friedl, Gaby Bartolomeo und Ralf Kotowski
„Die Bullen haben mich einkassiert wie den Hoeneß“, entrüstet sich der gutaussehende Mitdreißiger Charlie Menzinger, als er eines Morgens zum Gericht geschleift wird – aber nicht, um dort die nächste Zeit in einer U-Haft-Zelle zu verbringen, sondern um seinen Schöffendienst anzutreten, zu dem ihn irgendjemand angemeldet hat. Die diensthabende junge Richterin Dr. Julia Kellermann, die sofort den Eindruck erweckt, alles von der Nassauskiesung bis zum Erlaubnistatbestandsirrtum aus dem Stegreif eruieren zu können, hält nicht sonderlich viel von den nervigen Zivilisten neben sich auf der Richterbank, und macht aus dem Beisitzer sprachlich sofort den „Beischläfer“. Funktion: Dasitzen und still sein.

In der sechsteiligen neuen Amazon-Serie sollen also sofort Welten aufeinander prallen. Markus Stoll, der sich seit ein paar Jahren als „Harry G“ durch Hipster und Unternehmensberater aus dem Freistaat grantelt, gibt den vorwitzigen, integeren, extrovertierten, an italienischen Autos herumschraubenden Street-Smart-Münchener, während Lisa Bitters aus Berlin stammende Richterin alle Haltungen und Attribute verkörpert, die man in Bayern gerne Preußinnen zuschreibt: zugeknöpft, zugereist, aber bei näherer Betrachtung doch ganz zauberhaft.

Gerade weil die Beiden so gegensätzlich sind, muss es in der Logik einfach gestrickter Serien zwischen ihnen zuverlässig knistern und funken, und die Drehbücher verlassen sich dabei so sehr auf gängige und erwartbare Muster, dass man sich die meiste Zeit nicht bei einem ambitionierten Streaming-Anbieter wähnt, sondern in den Überresten der Heiter-bis-tödlich-Todeszone, wo Lokalkolorit stets vor erzählerischer Kohärenz ging.

Zumindest in diesem Punkt macht «Der Beischläfer» aber so manches richtig, indem er Bayern nicht als gestriges Mia-san-Mia-Biotop auffasst, sondern konsequent die Klischees meidet, ohne dabei auch die tatsächlichen örtlichen Eigenheiten wegzuwischen. Gerade Bewohner der Landeshauptstadt werden sich wiedererkennen, wenn eine Richterin lieber weiter in ihren Büroräumen nächtigt, als nach Neuperlach zu ziehen, und bei Schwabinger Wohnungsbesichtigungen der Ehering am Finger einer jungen Frau als deutliches Plus ausgelegt würde: Dass die Serie letztere Beobachtung allein auf der komödiantischen Ebene verhandelt, zeigt dabei wieder die engen intellektuellen Grenzen auf, die das Format sich setzen wollte.

So bleibt am Schluss leider wenig mehr als eine recht beliebige Münchener Romanze um eine Ex-Berlinerin, die ihre Lebenshaltung langsam auf die lockereren, bayerischen Uhren umstellt, und einen aufrechten jungen Mann, der im Schöffendienst eine schmerzhafte persönliche Wunde kuriert und der Gesellschaft etwas zurückgibt. Ein ewiger Stenz wie Monaco Franze, der sogar zu Dr. Kellermann vorgedrungen ist, wurde hier aber nicht im Ansatz erschaffen.

«Der Beischläfer» ist bei Amazon Prime abrufbar.
31.05.2020 03:04 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/118762