Markt schon gesättigt? Weiterer Streaming-Krieg bleibt 2020 wohl aus

Obwohl der Markt für Streamingdienste in Deutschland zuletzt massiv gewachsen ist und gerade Netflix während des Corona-Shut-Downs viele Kunden (weltweit) hinzu gewann, drängen keine neuen Player auf den Markt.

Manche Experten sprechen mittlerweile von den Streaming-Wars. Vor allem in den USA ist ein regelrechtes Wettrennen entstanden. Welche Player können nun am schnellsten den schon etablierten Marken Netflix, Hulu und Co. nachfolgen und sich somit die beste Position im Kampf um wichtige Zuschauermarktanteile sichern? In diesen Tagen startete im Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit HBO Max der nächste Streamingdienst mit ganz großem Namen. Zuvor schon waren AppleTV+ oder Peacock an den Start gegangen. Erst kürzlich haben US-Forscher allen Anbietern auch ein durch die Corona-Situation beschleunigtes Wachstum vorausgesagt, sie sehen jedoch die Platzhirsche auch in fünf Jahren noch an der Spitze. Einzig Disney+, das in Amerika wie in Deutschland einen Zauberstart hingelegt und mittlerweile über 50 Millionen Kunden auf seiner Seite hat, werde bis dahin auf Zahlen kommen, die annähernd stark sind wie Netflix. Das Hulu-Wachstum, bis 2019 war dies der am schnellsten wachsende Streamer der USA, werde sich verlangsamen.

Die Macher haben längst reagiert, kündigten für die Zeit ab 2021 ein verstärktes Ausrollen des Dienstes außerhalb der USA an. AppleTV+ werde sich, so zumindest besagte es die Studie, mit nur sehr geringen Wachstumsraten letztlich nicht durchsetzen; hier wird also spannend bleiben, wie der Tablet-, Computer- und Handybauer die Situation seiner TV-Sparte in einigen Jahren bewerten wird.

In Deutschland buhlen schon jetzt mehr als eine Handvoll Streamingdienste um die Gunst des Zuschauers. Gemäß einer Studie von McKinsey von Ende 2019 habe sich der VOD-Markt von 100 Millionen Euro im Jahr 2012 auf 1,3 Milliarden Euro 2018 vermehrfacht. Dabei seien die beliebtesten Bezahlangebote in Deutschland jene von Amazon Prime mit 30 Prozent Marktanteil und Netflix mit 28 Prozent. Magenta TV folge recht weit abgeschlagen mit nur sieben Prozent Anteil. Disney+ hat sich auf einen Schlag fast auf Augenhöhe mit Netflix und Amazon Prime geschwungen.

Und dann gibt es da noch die Dienste Joyn aus dem Hause ProSiebenSat.1/Discovery und den mit knapp fünf Euro monatlichen Kosten bei regulärem Preis sehr günstigen RTL-Dienst TV Now. Wer quasi das komplette Angebot auskosten möchte, muss in Deutschland schon jetzt mehr als eine Handvoll Dienste buchen – denn neben den klassischen Streamern mischt mittlerweile auch Sky mit seinem Sky Ticket ganz vermehrt auf dem VOD-Markt mit. Die gute Nachricht ist nun: Während HBO Max in den USA gerade gestartet ist und Comcast mit Peacock seinen großen Start für den Sommer plant (schon aktiv ist eine abgespeckte Beta-Version), wird es in Deutschland in der näheren Zukunft keinen neuen Launch geben.

HBO Max hatte bereits Ende 2019 bestätigt, dass man die Streamingmarke nicht in Europas Kernmärkte bringen wird. Der WarnerMedias-Plan setzt auf Kontinuität und sichere Geldeingänge von Sky. Mit dem Pay-TV-Dienst, der neben Deutschland, Österreich und der Schweiz auch in Großbritannien und Italien aktiv ist, hat man die Partnerschaft bis Ende 2025 fortgesetzt. Die Verträge umfassen alle neuen HBO-Produktionen sowie einige HBO-Max-Formate. Zahlreiche weitere Serien von HBO Max, zumindest die, an denen WarnerMedia selbst die Rechte besitzt, kann das Unternehmen durch Weiterverkäufe zu Geld machen. «Batwoman», die Comic-Adaption von The CW, ist da ein gutes Beispiel – sie ging an Amazon Prime.

Peacock wird nach Quotenmeter-Infos übrigens ebenfalls nicht zu einem eigenständigen Angebot in Deutschland. Comcast und somit Sky hätten in diesem Fall ohnehin vor einer Problemlage gestanden. Der Name des Dienstes eignet sich nicht für den hiesigen Markt, deutsche Kunden haben keinerlei Verbindung zu dem Pfau, der seit Jahrzehnten das Symbol des Senders NBC ist – geschweige denn dürften sie etwas mit dem Wort „Peacock“ anfangen können. Peacock selbst ist in den USA in Sachen Eigenproduktionen bei Weitem nicht so aktiv wie Netflix oder HBO Max, hat aber eine ganz passable Anzahl an Eigenproduktionen angekündigt. Abseits dessen will man vor allem mit speziell für die USA eingekauften Archiv-Inhalten punkten und mit der Chance, Late-Night-Shows schon zur Primetime zu sehen.

Diese Verträge sind für Europa erst einmal unerheblich. Die erste große Peacock-Serie «Brave New World», die wohl im Herbst starten wird, verrät aber viel über die Strategie der Comcast-Familie in Europa. Mit Peacock-Inhalten soll hierzulande die Sky-Fiction gepushed werden. Kritiker sagen, das sei dringend nötig, seitdem der Vertrag mit Disney ausgelaufen ist. Die Zahl der wirklich echten Filmneustarts ist seitdem nochmals gesunken – liegt derzeit bei teils zwölf oder 13 pro Monat. Entsprechend wird Sky wohl noch mehr Serien ins Programm schieben – da kommen Sky Originals, selbst wenn sie von Peacock sind, gerade recht. Für den Zuschauer ist das sinnvoll und gut: Eine weitere Steigerung der Anbieter auf dann an die zehn Stück käme für das Land, dem weiterhin eine gewisse Trägheit in Sachen Pay-TV nachgesagt wird, vielleicht zu früh und zu schnell.
03.06.2020 09:12 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/118615