«Professor T.» – Ein großes Missverständnis

Ab Freitagabend zeigt das ZDF vier neue Folgen seiner Serie «Professor T». Es werden die letzten sein. Gut so – denn dieses Format hat noch nie verstanden, wie man von einem Genie erzählt.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Matthias Matschke als "Professor T." Jasper Thalheim
Cornelia Ivancan als Greta Lindbergh
Helgi Schmid als Daniel Winter
Julia Bremermann als Christina Fehrmann
Simon Böer als Simon Zander
Haley Louise Jones als Debbie Schwarz
Dietrich Hollinderbäumer als Christian Fröhlich

Hinter der Kamera:
Produktion: Rowboat Film- und Fernsehproduktion
Idee: Paul Piedfort
Drehbuch, Regie und Kamera: Thomas Jahn
Produzent: Sam Davis
Es ist nicht einfach, von einem Genie zu erzählen, schließlich muss man dann im Grunde genommen genauso genial sein wie seine Figur – zumindest, wenn man sich nicht mit allzu albernen Taschenspielertricks behelfen und ernsthaft von jemandem erzählen will, der seinem Umfeld in (nahezu) sämtlichen Belangen überlegen ist. «Dr. House» musste nach dem Abarbeiten der üblichen Differenzialdiagnosen auch immer auf die entlegensten medizinischen Hintergründe stoßen, Adrian Monk mit geballtem Universalwissen da ansetzen, wo auch seine klugen Ex-Kollegen vom San Francisco Police Department nicht weiterkamen, und Sherlock Holmes – der weiß, kann und versteht ohnehin alles.

Wenn einem diese Genialität als Autor fehlt und man trotzdem unbedingt einen solchen Stoff erzählen will, kann man immer noch den anderen Weg gehen – so wie Thomas Jahn mit «Professor T.»: Man fährt das Umfeld seiner besonders talentierten Hauptfigur intellektuell einfach so weit unter Zimmertemperatur herunter, dass die eigentlich naheliegenden Einfälle des permanenten, kauzigen Überfliegers irgendwie genial wirken.



Denn kauzig muss er sein. Das kennen wir zwar auch vom misanthropischen Gregory House, vom sozialphobischen Adrian Monk und erst recht vom egozentrisch-psychopathischen Sherlock Holmes: Doch was bei diesen Figuren entweder Ausfluss einer tieferliegenden, wohldurchdachten psychologischen Grundhaltung oder cleverer, dramaturgisch ergiebiger Nebenaspekt ist, muss bei einer Figur wie Professor T. natürlich maßlos überbetont werden, damit er trotz aller Schrullen als unumstrittener Sympathieträger durchgehen kann. Nobody likes a smartass. Und am wenigsten wohl ein ZDF-Zuschauer.

Also sitzt der Professor (Matthias Matschke) mit seinen Latexhandschuhen in den Sanddünen eines belgischen Strandes, reflektiert über seine Sinnkrise und will Erkenntnis gewonnen haben, rattert dann aber nur Kalendersprüche runter. Oder sowas: „Die Dualität der Dinge ist ein sehr probates Mittel.“ So klingt dieser Mann, wenn er ein bisschen in Fahrt kommt, und damit die gekünstelt-elitäre Wirkung dieses Duktus‘ auch bei der letzten halbaufmerksamen ZDF-Trantüte ankommt, reden die bodenständig-straßenköterischen Cops auf dem Revier ganz besonders gern vom „Ficken“, bevor an der titelgebenden „Zeugin“ der ersten von vier neuen Folgen gebetsmühlenartig die euphemistischen Aufwertungen wie die psychopathologischen Abwertungen ihrer Berufsbezeichnung („Party-Animateurin“, „Callgirl“ oder „Nutte“) durchexerziert werden.

Auch jenseits des dialogistischen Nichtsatzgehangels trifft man nur auf fernsehdeutsche Standardsituationen: Die ratlosen nordrhein-westfälischen Polizisten stehen in neonbeleuchteten Kabuffen ratlos rum und schreien auf Zeugen und Beschuldigte ein, bis Professor T. macherhaft Aufklärung betreibt und dabei nur erwartbare bis wenig glaubwürdige Verflechtungen zusammenführt. Er grinst dann immer so verwegen, vielleicht weil Mathias Matschke meint, das wirke so intellektuell-affektiert-erhaben-verschroben, doch anstatt die Tür zu einem psychologischen Schatz dieser Figur zu öffnen, offenbart er damit nur ein weiteres zu offensichtliches Teil des Puzzles: Das Genie muss auch irgendwie unheimlich wirken, weil die Mischung aus hoher Intelligenz und einem Desinteresse an nicht hinterfragten gesellschaftlichen Normen dem Durchschnittszuschauer schon irgendwie suspekt sein wird. Im Kern ist das die Logik der „Bild“-Zeitung: Wer besonders exaltiert, begabt, talentiert (oder auch einfach nur öffentlich präsent) ist, dessen Absonderlichkeiten, soziale Divergenzen, exzentrische Haltungen und normabweichende Verhaltensweisen müssen nur umso deutlicher herausgestellt und karikiert werden. Erzählerisch geht es kaum billiger.

Das ZDF zeigt vier letzte Folgen von «Professor T.» immer freitags ab dem 15. Mai um 20.15 Uhr.
12.05.2020 10:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/118207