Tom Beck, das Faultier: So unterstreicht das Staffelfinale die Vorzüge und die Probleme von «The Masked Singer»

Für unseren Redakteur Sidney Schering vereint die Faultier-Enthüllung die Stärken und Schwächen der von ihm geliebten Show «The Masked Singer».

Eine große Liveshow ohne Publikum ist natürlich nicht das Gleiche. Wir konnten nur mit einem deutlich reduzierten Team arbeiten. Dienstleister haben Ausfälle. Deshalb feiert ProSieben «The Masked Singer» im Herbst noch einmal und zeigt dann die dritte Staffel – hoffentlich ohne große Einschränkungen.
ProSieben-Chef Daniel Rosemann
Die Katze ist aus dem Sack, der Kopf ist ab vom Faultier-Kostüm: In den vergangenen Wochen turnte unter der Hawaiihemden tragenden Faultier-Maske Schauspieler und Sänger Tom Beck über die ProSieben-Showbühne. Und diese Enthüllung, dass der «Alarm für Cobra 11»-Veteran und «Einstein»-Darsteller bei «The Masked Singer» wochenlang für Begeisterung und Rätselraten sorgte, fängt quasi die Essenz dieses Showformats ein. Im Guten, wie auch im Schlechten …

Tom Beck, Mega-Entertainer: Wie die Enthüllung des Faultiers die Stärken von «The Masked Singer» unterstreicht
«The Masked Singer»-Moderator Matthias Opdenhövel erwähnte es im Laufe der zwei Staffeln mehrmals, und auch Staffel-eins-Engel Bülent Ceylan sowie sein Kollege, der Grashüpfer Gil Ofarim stimmten da mit ein: Ein großer Reiz am «The Masked Singer»-Konzept ist, dass das Publikum die Chance hat, Stars völlig unvoreingenommen auf der Bühne zu erleben. Es ist der «The Voice»-Gedanke, bloß noch konsequenter umgesetzt. Solange die Masken verhüllt bleiben, werden die Performances ohne vorgefertigte Urteile über die Promis wahrgenommen. Allein der Gesang, die Darbietung und die Art und Weise, wie das Kostüm mit Leben gefüllt wird, zählen. Keine Vorschusssympathie aufgrund früherer Projekte und auch keine Vorschussantipathie.

Tom Becks Faultier-Leistungen haben mir das großartig vorgeführt: Der «You Are Wanted»-Mime war mir noch nie sympathisch. Als Schauspieler fand ich ihn zumeist langweilig, manchmal ein bisschen hölzern und oft auch etwas schmierig. Als Showgast hat er bei mir niemals auch nur irgendeinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich bin eifriger «Schlag den Star»-Zuschauer und habe jede Folge von «Teamwork – Spiel mit deinem Star» geradezu aufgesogen (ey, ProSieben – wie wäre es mit einer neuen Staffel?). Und dennoch musste ich erst aktiv von Bekannten daran erinnert werden, dass ich Tom Beck schon mehrmals als Spielshow-Kämpfer in Aktion erlebt habe. Ebenso wenig reizt mich Tom Becks eigene Musik – in meinen Ohren ist das alles uninspiriertes, lahmes Radio-Gedudel.



Das «The Masked Singer»-Finale: Alle Enthüllungen im Überblick

  • Hase: Sonja Zietlow
  • Drache: Gregor Meyle, der in einem rührenden Statement verraten hat, dass er einer der Corona-Fälle im «The Masked Singer»-Team war
  • Wuschel: Mike Singer
  • Faultier: Tom Beck, den Corona ebenfalls erwischt hat
Nimmt man dann noch Tom Becks, sagen wir mal, semi-charmante Tätigkeiten als YouTuber-Manager hinzu, so kann ich guten Gewissens beichten: Wäre Tom Beck in irgendeiner Show einfach nur als Tom Beck aufgetreten und hätte dort Prince und Shaggy gecovert oder Elvis imitierend "Lemon Tree" weggerockt, ich hätte ihn niemals, niemals, nie so sehr gefeiert wie ich das Faultier zelebriert habe. Das vorgefertigte Bild, das ich von Tom Beck habe, hätte im Weg gestanden. Nicht falsch verstehen. Ich bin ja nicht völlig grantig - ich denke schon, dass ich es als gute Performances erkannt hätte. Aber sie wären trotzdem mehr mir abgeprallt als das, was das Faultier getrieben hat. Ich hätte schulternzuckend gesagt: "Oh, der Beck kann ja doch singen, wenn er keine Schnulze trällert. Schön für ihn."

Bülent Ceylan erkannte das bereits. Schon mehrmals betonte er, dass Leute ihn erst seit «The Masked Singer» singen hören wollen. Und ich muss mir da an meine eigene Nase fassen: Ich hatte ihn in Staffel eins vor dem Finale ja auch als Engel ausgeschlossen, weil ich ihn zuvor schon singen gehört habe und als zu schlecht für die Leistungen des Engels empfand. Als Engel ist er vielleicht über sich hinaus gewachsen. Vielleicht habe ich ihn so neu wahrgenommen. Vielleicht ist es eine Kombination aus beiden Möglichkeiten.

Und wie der zwar eh charmante Gil Ofarim, der als gewitzt-galanter Grashüpfer aber eine ganz neue Ausstrahlung entwickelte, an der Show lobt: «The Masked Singer» nimmt uns unsere Vorurteile. Und hat mir so wochenlangen Spaß an Tom-Beck-Darbietungen beschert, den ich sonst niemals gehabt hätte.

Tom Beck, Mega-Enttäuschung: Wie die Faultier-Enthüllung die Probleme an «The Masked Singer» aufzeigt
Aber genug der Schmeichelei. Denn so sehr die Enthüllung "Tom Beck ist das Faultier" beweist, dass «The Masked Singer» es einem ermöglicht, Promis in einem völlig neuen Licht zu sehen – mein erster Gedanke bei der Enttarnung war eben nicht "Wow, ich bin mega überrascht! Sensationell! Tom Beck, du hast einen neuen Fan!". Das überwiegende Gefühl war Enttäuschung und Ernüchterung. Und mit meiner Ablehnung Becks war ich wahrlich nicht alleine, wie ein ein kurzer Blick auf die Social-Media-Reaktionen auf das Staffelfinale beweist.

















Speziell auf Beck und mich bezogen, ist es halt kein Gefühl des "Oh, ich habe dank Unwissenheit neue Seiten an einem bislang ungeliebten Promi entdeckt", sondern ein Gefühl der Ablehnung. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Beck im «The Masked Singer»-Fahrwasser ein neues Album veröffentlicht, dessen erste Single wieder exakt in die Schublade gehört, in die ich Beck zuvor gesteckt habe. So, als wollte Beck ohne Faultier-Kostüm auch gar nicht so eine Spaßkanone sein – und daran rütteln selbst Konzertmitschnitte nichts, die zeigen, wie er zum Beispiel "Billy Jean" covert. Die "übliche" Beck-Persona ist mir da zu dominant und liegt einfach nicht auf meiner Wellenlänge. Sorry. Es gibt ja genug andere Fans, Beck wird mich nicht in seiner Ecke brauchen.

Natürlich ist die Erkenntnis, dass Tom Beck als Faultier bei «The Masked Singer» für Stimmung gesorgt hat, noch immer um ein Vielfaches angenehmer als das, was wohl viele US-Showfans gefühlt haben, als bei deren Version von «The Masked Singer» eines Abends heraus kam, dass Sarah Palin unter einer der Masken steckte. Dennoch ist es nicht gerade schmeichelhaft, dass mir dieser Vergleich zwischen fragwürdiger US-Ex-Politikerin und dem YouTuber-Manager überhaupt erst in den Sinn kommt.

Unabhängig von mir und meiner Anti-Beck-Vorbelastung: «The Masked Singer» hat sich diese ablehnende Reaktion vieler Showfans selber eingebrockt – nämlich mit bewusst irreführenden Indizien. In den Hinweisvideos zum Faultier wurde in den vergangenen Wochen nämlich extrem stark mit dem Publikums-Wunschdenken kokettiert, das Faultier sei Stefan Raab. Es gab Ukulelen zu sehen, das Faultier tänzelte wie einst Stefan Raab in einem Tutu, bei «red.» zitierte es Truck Stop, mit denen Stefan Raab einst "Maschendrahtzaun" aufgenommen hat, und es gab solche Sätze von sich wie "Ich liebe die Gefahr". Ganz davon zu schweigen, dass Moderator Matthias Opdenhövel das Faultier vor seinem ersten Auftritt mit dem Kommentar ankündigte, dass es sich ja zurückgezogen hat, aber nun endlich zurück sei. (Ein Tom Beck, der zuletzt 2019 im Fernsehen zu sehen war und Anfang 2020 auf Tour ging, hat sich, Elternzeit hin oder her, nicht zurückgezogen!)

Und dann hat sich Beck ohne Not selbst eine Zielscheibe auf die Brust gemalt, indem er in den vergangenen Wochen mit riesigem Eifer auf die Raab-Theorien eingegangen ist und im Gespräch mit der Jury weitere Anspielungen auf den Ukulele-Spieler, «Wok WM»-Erfinder und «Schlag den Raab»-Dauerkandidaten machte, was im Internet enorme Begeisterung für Fauli entfachte. Gewiss: Alle «The Masked Singer»-Stars stiften mit ihren Antworten Verwirrung. Das gehört dazu! Aber meistens ziehen sie Vergleiche zu Stars ihrer eigenen Güteklasse oder steuern den Verdacht wild in verschiedene Richtungen, während sich Beck als Faultier geradezu darin suhlte, für Raab gehalten zu werden und keinen anderen Alternativtipp mehr in den Raum warf. Wer so in den Medienwald ruft, darf sich über das gefrustete Echo nicht wundern (und das schreibt hier allem zum Trotz jemand, der in sogleich zwei Tippspiel-Artikel darauf verwiesen hat, dass "Raab als Fauli" wohl ein Traum bleiben wird.)













Zwar versuchte ProSieben kurz vor dem Finale, die Erwartungshaltung zu zügeln, doch das war zu wenig und zu spät. Stefan Raabs Schatten lag so mächtig über der zweiten Staffel von «The Masked Singer», dass er zur nahezu einzigen akzeptierten Antwort auf die Frage wurde, wer denn das Faultier sei.

Statt Tom Beck hätte es auch Popstar Sasha sein können oder Comedian Mirco Nontschew – beides Namen, die ebenfalls in der öffentlichen Spekulation mehrmals genannt wurden. Aber die überwältigende Mehrheit der «The Masked Singer»-Fans tippte in der App zur Show auf Raab. Und noch mehr Menschen wollten, dass er sich als Faultier herausstellt, egal, ob sie es als entfernt realistisch oder völlig unmöglich abgetan haben. Das sind Theorien und Wünsche, die ProSieben bewusst angestachelt hat und sonst niemals in diesem Ausmaß die zweite «The Masked Singer»-Staffel dominiert hätten. Es liegt also nicht an Beck. Der Anti-Beck-Sturm der Entrüstung hätte heute Abend ebenso Sasha, Nontschew oder sonstwen getroffen. Und das hätte Sasha, Nontschew oder sonstwer einfach nicht verdient gehabt.

Vergangenes Jahr spielte ProSieben solch ein Spiel schon beim Eichhörnchen, bei dem Hinweise wie das nicht gerade schickliche Essen eines Hamburgers oder eine dauerpräsente Mauer die Theorie verstärken sollten, das Eichhörnchen sei David Hasselhoff. Stattdessen war es aber nur Marcus Schenkenberg.

Natürlich gehört es zum «The Masked Singer»-Konzept, das Publikum zu verwirren. Aber zwischen gestifteter Verwirrung und fies angefachten, vergeblichen Hoffnungen besteht ein Unterschied. Und es wird sehr spannend, wie lange das Showpublikum das bei «The Masked Singer» noch mit sich machen lässt. Denn solche Tricks hat die flauschige, frohe Gesangs- und Rätselshow wahrlich nicht nötig.
29.04.2020 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/117889