«Tyler Rake: Extraction»: Hemsworth kämpft schmutzig

Der Netflix-Actionfilm «Tyler Rake: Extraction» hat einige kernige, starke Stunts zu bieten – ist aber frei von inhaltlichem Charakter.

Filmfacts «Tyler Rake: Extraction»

  • Regie: Sam Hargrave
  • Produktion: Anthony Russo, Joe Russo, Chris Hemsworth, Mike Larocca, Eric Gitter, Peter Schwern
  • Drehbuch: Joe Russo
  • Story: Ande Parks, Joe Russo, Anthony Russo; basierend auf einem Comic von Ande Parks, Joe Russo, Fernando León González
  • Cast: Chris Hemsworth, Rudhraksh Jaiswal, Randeep Hooda, Golshifteh Farahani, Pankaj Tripathi, Priyanshu Painyuli, David Harbour
  • Musik: Henry Jackman, Alex Belcher
  • Kamera: Newton Thomas Sigel
  • Schnitt: Peter B. Ellis, Ruthie Aslan
  • Laufzeit: 117 Minuten
Vor wenigen Monaten kam mit «21 Bridges» ein Action-Thriller ins Kino, der von den «Avengers || Endgame»-Regisseuren Anthony & Joe Russo produziert wurde und mit Chadwick Boseman einen Marvel-Star in der Hauptrolle aufweist. Das von Serienregisseur Brian Kirk inszenierte Ergebnis war eine ziemlich lahme Nummer vom Fließband.

Nun reichen die Russo-Brüder ihre nächste Action-Thriller-Produktion mit einem Marvel-Star in der Hauptrolle nach: In «Tyler Rake: Extraction» (der Originaltitel lautet schlicht «Extraction») spielt «Thor»-Mime Chris Hemsworth einen knallharten Hund mit fragiler Seele. Der Ex-Soldat Tyler Rake verdingt sich nun als dem Leben überdrüssiger und daher furchtloser, effizienter Söldner. Sein jüngster Auftrag führt ihn genau in die Schusslinie zwischen zwei verfeindeten Drogenkartellen – das eine hat die Macht über den indischen Drogenmarkt, das andere herrscht über den Drogenhandel in Bangladesch.

Um es direkt anzusprechen: Die größte Schwäche von «Tyler Rake: Extraction» ist das Skript. Die Figuren rund um den Titelhelden sind praktisch völlig undefinierte Schachfiguren, die auf dem Actionbrett von hier nach dort geschoben werden, um so irgendwie Tyler Rakes Charakterzeichnung voranzutreiben. Die ist jedoch völlig platt und austauschbar:

Der harte Mann mit Schuldgefühlen, der nun die eine Mission erlebt, die ihm Erlösung verschaffen könnte. Das wird dramaturgisch vollkommen uninspiriert herunter gespult und die Dialoge sind pappig. Einzig und allein, dass Chris Hemsworth seine Figur äußerst engagiert spielt, führt dazu, dass das klischeehaft geschriebene Leiden Tyler Rakes einen sehr wohl wenigstens ein Stück weit in seinen Bann zu ziehen versteht.


So frustrierend die unterkochte Story auch sein mag: «Tyler Rake: Extraction» hat durchaus auch Respekt verdient, denn für ein Langfilm-Regiedebüt ist der Film sehr souverän inszeniert. Sam Hargrave verleiht dem Film eine raue, unmittelbare Bildsprache, die einen grämend wundern lässt, weshalb nicht «21 Bridges» die Streamingpremiere war und dieser Titel ins Kino entlassen wurde. Vor allem Hargraves Können in den Actionpassagen hinterlässt bleibenden Eindruck.

Zuvor hat Sam Hargrave unter anderem als Stunt Coordinator bei «Atomic Blonde» fungiert – der Film hatte so seine Schwächen, doch die Plan-Kampfsequenz im Treppenhaus ist so stark, dass sie sich ins Gedächtnis zu brennen vermag. Daran schließt Hargrave nun an: «Tyler Rake: Extraction» ist zwar erzählerisch schwach, aber die Actionsequenzen überzeugen – und je länger und härter sie sind, umso mehr trifft das zu.

Der große Höhepunkt ist eine 11,5 Minuten lange Fluchtsequenz, die sich in einem Rutsch von einer Autoverfolgung zum taktischen Eindringen in ein Haus wandelt, was letztlich in einen harten Nahkampf mündet. Sowohl die wuchtige Stuntchoreografie als auch die ruhelose, magnetische Kameraführung verleihen dieser Szene eine Kraft, die ausreicht, um «Tyler Rake: Extraction» durchaus zu einem (frustrierenden) Tipp für Fans kerniger, harter Action-Thriller zu machen.

Denn insgesamt ist «Tyler Rake: Extraction» aufgrund der rudimentären Figuren und des zu seichten Skripts, das sich nicht überzeugend mit der dreckig-rauen Inszenierung fügt, zu unausgegoren, um als Gesamtwerk positiv in Erinnerung zu bleiben. Den Mangel an inhaltlichem Charakter hätte man durch eine kompaktere Laufzeit ausgleichen können – so hingegen kam ein Film heraus, der sich selbst mit zwei Stunden zu lang anfühlt. Und doch wäre es ein Jammer, sich die dreckig wirkenden, aber minutiös eingefädelten Action-Setpieces entgehen zu lassen, die der «Avengers || Endgame»- und «Wolf Warrior 2»-Stunt-Choreograf hier eingefädelt hat.

«Tyler Rake: Extraction» ist auf Netflix abrufbar.
28.04.2020 10:16 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/117839