Wie «Haus des Geldes» bei Netflix zum globalen Serienhit wurde

Es ist die erfolgreichste nicht-englischsprachige Netflix-Serie aller Zeiten. «Haus des Geldes» startet in seine vierte Staffel. Warum die Serie unseren Zeitgeist anspricht – und was Bella Ciao damit zu tun hat.

Facts zu «Haus des Geldes»

  • Originaltitel: «La casa de papel»
  • Produktionsland: Spanien
  • Idee: Álex Pina
  • Produktionsunternehmen: Vancouver Media
  • Episoden (Netflix): 31 (4 Staffeln)
  • Titelmusik: Cecilia Krull - "My Life Is Going On"
  • Weltpremiere: 2. Mai 2017 auf Antena 3
  • Netflix-Premiere: 22. Dezember 2017
  • erfolgreichste nicht-englischsprachige Netflix-Serie weltweit
„Ich kann versprechen: Die Zuschauer werden nicht an Covid-19 denken, wenn sie diese Staffel schauen.“

So klingt jemand, der ziemlich überzeugt ist von seinem Werk. Álex Pina, der Erfinder von «Haus des Geldes», ist innerhalb kürzester Zeit zu einem der erfolgreichsten Serienproduzenten dieser Erde aufgestiegen. Der Hollywood Reporter kürte ihn im vergangenen Jahr zu einem der „Top International Showrunners“. Zwei neue Formate aus seiner Feder befinden sich bei Netflix in der Entwicklung. Aber erst mal ist da die vierte Staffel von «Haus des Geldes», lang erwartet – gerade in der Corona-Krise. Im vergangenen Jahr streamten über 34 Millionen Haushalte in der ersten Woche die neuen Folgen. Netflix kann sicher sein, dass diese Zahl nun noch einmal deutlich übertroffen wird.

Und dies sind nicht einmal die größten Meilensteine des Erfolgs: In vielen Ländern ist diese Serie die meistgesehene, darunter in Italien und Frankreich, Argentinien und Brasilien. Außerhalb der USA ist «Haus des Geldes» der große Star bei Netflix. Aber warum? Ted Sarandos, Inhalte-Chef beim Streaming-Giganten, gab im vergangenen Herbst eine Antwort. „Viele der Formate, die sehr erfolgreich sind in ihrem Entstehungsland, haben auch Erfolg in anderen Regionen, manchmal weltweit.“ So sei «Haus des Geldes» in quasi jedem nicht-englischsprachigen Land extrem beliebt. Wenn die Geschichten, die diese Serien erzählen, lokal starten und dann um die Welt erzählt würden, dann sei dies für die Zuschauer sehr befriedigend.

Genau das schafft «Haus des Geldes»: Es erzählt von Aussätzigen, von Kriminellen aus der ganzen Welt, die sich zusammentun, um ein großes Ding zu drehen. Es ist eine zutiefst internationale Serie, auch wenn sich ein großer Teil der Handlung zunächst an nur einem einzigen Ort abspielt. Der unverkennbare Lokalkolorit ist dabei gleichzeitig das charakterliche Merkmal, das der weltweiten Zuschauerschaft gefällt: „In «Haus des Geldes» sind Gefühle, Freundschaft und Liebe so wichtig wie die Handlung. Ein perfekter Raubüberfall, rational und cool, wird zu etwas Anderem, wenn er mit Latino-Emotionen aufgepeppt wird“, sagt Erfinder Álex Pina gegenüber dem Guardian. Pina bezeichnet seine Serie als leidenschaftlich. „Darin unterscheidet sie sich vom englischen ‘perfekten‘ Heist-Filmgenre, das cooler ist, beherrschter, systematischer.“

«Haus des Geldes»: Bella Ciao als Hymne der Freiheit


Ein weiterer Grund des Erfolges ist laut Netflix-Produktchef Gregory Peters, dass nicht-englischsprachige Serien per se interessant sind. Mit Untertiteln können Zuschauer auf der ganzen Welt nun Serien aus Ländern und in einer Sprache erleben, die neu für sie ist. In Zeiten eines Überangebots an amerikanischen Serienstoffen mag auch diese Originalität zum Erfolg beitragen – insbesondere dann, wenn man sich trotzdem mit den «Haus des Geldes»-Charakteren dank der Multikulturalität identifizieren kann. Es trifft damit den globalen Zeitgeist der Generation, die weltoffener, freier und interkultureller lebt als je zuvor. «Haus des Geldes» repräsentiert diesen Zeitgeist.

Und der Erfolg ist auch Ausdruck eines Zeitgeists, der kritischer ist: systemkritischer, kapitalismuskritischer, klimakritischer. Menschen machen sich mehr als je zuvor Gedanken über die Zukunft des gesellschaftlichen Miteinander. Die Skepsis gegenüber Regierungen, der Finanzwelt, dem System, sie sei implizit in dieser Serie verankert, so Álex Pina.

Symbolischster Ausdruck dieser Philosophie ist das Lied „Bella Ciao“, ein Lied der italienischen Widerstandskämpfer aus dem zweiten Weltkrieg. Es ist eine Hymne, die heute für Freiheit und Menschenrechte steht. Von Demonstranten wie Fußballfans, von Flüchtlingen wie Festivalbesuchern. In diesem Lied sprechen alle, die es singen, eine gemeinsame Sprache.
07.04.2020 09:55 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/117362