«Bombshell» - So war das wirklich bei Fox News

In «Bombshell» verhandelt Jay Roach den Skandal um sexuelle Belästigung bei den Fox News. Im Zentrum stehen drei Frauen, die auf unterschiedliche Weise mit den Anschuldigungen umgehen.

Filmfacts: «Bombshell»

  • Start: 13. Februar 2020
  • Genre: Drama/Satire
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 109 Min.
  • Kamera: Barry Ackroyd
  • Musik: Theodore Shapiro
  • Buch: Charles Randolph
  • Regie: Jay Roach
  • Darsteller: Charlize Theron, Nicole Kidman, Margot Robbie, John Lithgow, Kate McKinnon, Allison Janney, Rob Delaney, Mark Duplass, Liv Hewson
  • OT: Bombshell (USA/CAN 2019)
Filmproduzent Harvey Weinstein muss sich dieser Tage vor einem New Yorker Gericht den Anschuldigungen unzähliger Frauen stellen, die ihm sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung vorwerfen. Dem ehemaligen Chef der Weinstein Company droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Seinen Status als Hollywood-Medienmogul hat Weinstein verloren, selbst wenn er einer Verurteilung entgehen sollte. Die zutage geförderten Vorwürfe, in denen Weinstein seine Macht als Filmschaffender missbraucht haben soll, um sich von Schauspielerinnen sexuelle Dienste zu erpressen, brachten ein Umdenken in der Traumfabrik zustande. Nicht nur der Hashtag #MeToo entstand hieraus, sondern auch ein Bewusstmachen für das Ungleichgewicht der Geschlechter in Sachen Bezahlung, Besetzung und künstlerische Beachtung. Obwohl die Vorwürfe gegenüber Weinstein im Oktober 2017 erstmals an die Öffentlichkeit gelangten, gab es über ein Jahr zuvor bereits einen ähnlichen Fall, der allerdings nicht annähernd eine vergleichbar große Welle der Empörung nach sich zog. Die US-amerikanische Fernsehmoderatorin Gretchen Carlson, zum damaligen Zeitpunkt eine der beliebtesten beim Fox News Channel, erhob nach ihrer Entlassung schwere Vorwürfe gegen den Senderchef Roger Ailes, denen sich nach einiger Zeit viele Kolleginnen anschlossen. Infolgedessen musste Ailes seinen Platz als CEO räumen.

«Trumbo»-Regisseur Jay Roach widmet sich in seinem Drama «Bombshell» nun ebendiesem Fall, weil er trotz seiner zeitlich vor #MeToo verorteten Handlung natürlich bestens zum aktuellen Zeitgeschehen passt. Und tatsächlich ist sein Film über weite Strecken genauso bitterböse wie er sein muss. Dass hier vorwiegend Männer hinter den Kulissen mitgewirkt haben, ist da allenfalls ein Schönheitsfehler.



Die Bombe geht hoch


Megyn Kelly (Charlize Theron) ist das Aushängeschild von Fox News: blond, attraktiv, sexy. Schöne Beine sind bei dem konservativen Nachrichtensender gefragter als investigativer Journalismus und unbequeme Fragen. Als sich die Starmoderatorin vor laufenden Kameras mit Präsidentschaftsbewerber Donald Trump anlegt, hat sie keine Rückendeckung von oben zu erwarten: Senderchef Roger Ailes (John Lithgow) ist mit Trump befreundet, außerdem beschert der Krawallkandidat Fox News Topquoten – so auch mit seiner sexistischen Twitter-Kampagne gegen Megyn. Ihre gestandene Kollegin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) weigert sich, noch länger die „TV-Barbie“ zu geben. Daraufhin wird ihr Vertrag „wegen enttäuschender Einschaltquoten“ nicht verlängert – während die ehrgeizige Redakteurin Kayla Pospisil (Margot Robbie) nach einem Meeting hinter Roger Ailes‘ verschlossener Bürotür aufsteigt… Als Gretchen ihren langjährigen Boss wegen sexueller Belästigung verklagt, formiert sich bei Fox News sofort „Team Roger“. Nur Megyn bleibt verdächtig neutral, auch Kayla schweigt. Aber wie lange noch?

Das Drehbuch zu «Bombshell» stammt von James Randolph, zu dessen wohl bekanntesten Werken die Mitarbeit an Adam McKays Oscarkandidat «The Big Short» gehört. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man «Bombshell» noch am ehesten für einen McKay-Film halten. Denn wie Charlize Therons Figur der Megyn Kelly hier in den ersten Filmminuten die Hierarchien innerhalb des Fox-Channel-Gebäudes erklärt und auch im weiteren Verlauf immer mal wieder als sich direkt an das Publikum wendende Erzählerin fungiert, erinnert stark an die humoristischen Meta-Spielereien, mit denen McKay in seinen letzten Filmen das Publikum an ansonsten eigentlich recht trockene Themen wie die Finanzkrise und deren Auswirkungen auf den US-amerikanischen Immobilienmarkt, sowie das Leben des einstigen Vize-Präsidenten Dick Cheney heranführte. Nun bedürfte ein emotional derart aufwühlendes Ereignis wie der ritualisierte Missbrauch von Frauen kaum inszenatorische Kabinettstückchen wie typische McKay-Mechanismen, um «Bombshell» zu mehr Unterhaltungswert zu verhelfen. Dafür ist das Thema letztlich einfach viel zu ernst. Doch die Entscheidung, mehrmals auf eine Erzählerin sowie mal mehr, mal weniger ironische Grafiken zurückzugreifen, hat hier vor allem den Zweck, Übersicht über die schwer durchschaubare Medienlandschaft zu schaffen.

Wenn hier irgendwann nur noch von einzelnen Stockwerken die Rede ist oder die Figuren mit zig verschiedenen Namen jonglieren, behält man den Überblick, sofern man zuvor wenigstens halbwegs aufgepasst hat. Vor allem aber gelingt Jay Roach dadurch die Betonung dessen, wie es Roger Ailes überhaupt gelingen konnte, seine Machenschaften so viele Jahrzehnte lang geheim zu halten: Abgesehen von einer „Lieber wegschauen, als seinen eigenen Job riskieren“-Politik sind beim Fox-News-Channel schlicht so viele verschiedene Menschen für so viele unterschiedliche Bereiche am Werk, dass Gerüchte schnell im Sande verlaufen und Anschuldigungen in ihren Anfängen stecken bleiben.

Adam McKay light


Für die Aufarbeitung der Ereignisse wählte Autor Charles Randolph drei verschiedene Hauptfiguren. Zwei von ihnen basieren nicht bloß auf wahren Vorbildern innerhalb des Fox-Skandals (Robbies Charakter wurde extra für den Film geschrieben), sondern spiegeln zudem Frauen an unterschiedlichen Karrierepositionen mit verschiedenen emotionalen Bindungen zu ihrem Arbeit gebenden TV-Sender wider. Das ist ein cleverer Schachzug, der auf der einen Seite veranschaulicht, wie anstrengend es für nicht länger schweigen wollende Personen wie Gretchen Carlson ist, Mitstreiterinnen für ihr Anliegen zu finden. Auf der anderen Seite sieht man an der routinierten Megyn Kelly sowie der erst kürzlich zum Sender gestoßenen Kayla Pospisil wie unterschiedlich man mit derartigen Vorwürfen – selbst wenn beide als potenzielle Mitklägerinnen viel dazu beitragen könnten – umgehen kann. So präsentiert sich Megyn als stets um ihr Image und die damit verbundene Ernsthaftigkeit ringende Moderatorin, die lieber kalkuliert, anstatt blindlings dem Ruf von Gretchen Carlson zu folgen. Charlize Theron («Long Shot») erhielt für ihre Performance nicht umsonst eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“, gelingt es ihr doch, die gefühlige Seite ihrer Persönlichkeit zu Gunsten einer Abgebrühtheit zu verstecken, mit der sich schon die echte Megyn Kelly diverse Wortgefechte mit hochrangigen Politikern (unter anderem Donald Trump) lieferte.

Auf ihre Rolle der kühnen Strategin trifft mit Margot Robbies («I, Tonya») ebenfalls Oscar-nominierter Performance der Kontra-Part; jener der emotional von jüngeren Missbrauchsfällen traumatisierten Moderatorin-Anwärterin, die im Falle einer Mitanklage Roger Ailes‘ durch sie all ihre beruflichen Felle davonschwimmen sieht. Robbie gelingt es mit ihrem zerrissenen und die Handlung mitunter durchaus in ein unbequemes Licht rückenden Spiel hervorragend, eine Antwort auf die oft naheliegende Frage zu geben, weshalb Frauen in einem solchen Fall nicht sofort zur Polizei gehen.

In ihrer Konzentration auf den Missbrauchsskandal rund um Roger Ailes war es den Machern wichtig, sich sehr eng an die wahren Umstände zu halten – auch wenn der thematische Fokus mitunter den Kritikpunkt ermöglicht, dass sämtliche anderen Dinge, die beim Fox Channel schief laufen (das Thema Rassismus erhält beispielsweise nur zwischen den Zeilen Beachtung), in «Bombshell» unter den Tisch fallen. Gleichwohl fügen sie Szenen, etwa auf Basis von Zeugenaussagen hinzu, um zu zeigen, was sich damals wirklich hinter den verschlossenen Türen des Fox-CEOs abgespielt haben soll. John Lithgow («Daddys Home 2») mimt den auf der einen Seite einfach nur einschüchternd-widerlichen, auf der anderen Seite in seinem naiven Glauben daran, dass all das, was er hier tue, vollkommen okay wäre, noch viel verstörender wirkenden Ailes sehr authentisch. Dazu trägt auch das für den Academy Award nominierte (Alters-)Make-Up bei, das zudem die zwei Hauptdarstellerinnen Nicole Kidman und Charlize Theron ihren realen Vorbildern ähnlicher machen soll. Das wirkt, insbesondere im Falle Kidman, durchaus befremdlich und wäre kaum von Nöten gewesen, um zu betonen, dass sich all das hier wirklich so ereignet hat. Im Gegenteil sogar: Kidman wirkt mit derlei viel Maske im Gesicht sogar in ihrer Mimik beschränkt, weshalb zumindest darstellerisch all das Spannender ist, was sich mit Therons und Robbies Figuren befasst.

Doch auch inhaltlich belässt es Charles Randolph dabei, anhand von Kidmans Gretchen die langsam mahlenden Mühlen der Justiz aufzuzeigen, wohingegen Megyn und Kayla ein deutlich größer ausgestelltes Profil erhalten. Am stärksten ist «Bombshell» aber sowieso immer dann, wenn sich die drei Frauen (und mit ihnen noch viele weitere, wenngleich vor allem im Stillen) zusammentun. Das hebt nicht nur die wichtige Aussage darüber, wie wichtig es für Frauen ist, in solchen Fällen zusammenzuhalten, hervor. Sondern kombiniert auf der Leinwand auch drei ganz eigene Arten des Schauspiels.

Fazit


Adam McKay light: «Bombshell – Das Ende des Schweigens» seziert den 2016 stattgefundenen Missbrauchsskandal rund um Fox-News-Channel-Boss Roger Ailes als starkes Porträt dreier den Ereignissen unterschiedlich gegenüber stehenden Moderatorinnen, das einen umfangreichen Einblick in die Senderabläufe und die späteren Ermittlungen bietet. Stark gespielt, kurzweilig inszeniert und mit der notwendigen Portion Boshaftigkeit.

«Bombshell – Das Ende des Schweigens» ist ab dem 13. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.
13.02.2020 14:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/115842