Die Kritiker: «Tatort: Unklare Lage»

Die Münchener Ermittler Ivo Batic und Franz Leitmayr (Miroslav Nemec & Udo Wachtveitl) erleben einen besonders brenzligen Fall.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Pia Strietmann
  • Drehbuch: Holger Joos
  • Cast: Miroslav Nemec, Udo Wachtveitl, Ferdinand Hofer, Corinna Kirchhoff, Axel Pape, Isabella Bartdorff, Max Krause, Martin Lindow, Pauline Werner, Leonard Proxauf
  • Kamera: Florian Emmerich
  • Schnitt: Dirk Göhler
  • Musik: Sebastian Pille
Es ist helllichter Tag in München, als bei einer Fahrkartenkontrolle in einem Bus Schüsse fallen. Der Vorfall endet tödlich, der Täter kann fliehen. Kurz darauf wird er vom SEK erschossen. Es war ein Jugendlicher, in dessen Rucksack sich Ersatzmagazine und ein Funkgerät befinden, was auf einen möglichen zweiten Täter hinweist. Aber gibt es diesen zweiten Täter überhaupt? Droht womöglich ein Anschlag? Die Medien berichten jedenfalls wie aufgescheucht und auf sozialen Plattformen verbreiten sich blitzschnell Gerüchte. Die Lage ist unklar, die Bevölkerung aufgeschreckt, es beginnt eine atemlose Hetzjagd durch die Stadt …

Dass dies ausgerechnet die Ausgangslage für einen «Tatort» aus München ist, ist kein Zufall: Als sich 2016 in München ein Amoklauf ereignete, reagierten die klassischen Medien schnell und die sozialen Medien noch schneller – zu schnell, sogar. Denn es dauerte nicht lang, bis die belegten Informationen im Internet von Falschmeldungen davongespült wurden.

Autor Holger Joos und Regisseurin Pia Strietmann bewahren jedoch eine pietätvolle Distanz zum realen Vorfall und schildern sehr minutiös einen fiktiven, aber plausiblen Ablauf: Sensationslüsterne Medien, verängstigte Menschen, aufgescheuchte User in sozialen Netzwerken, eine unüberschaubare Flut an bruchstückhaften Informationen und massiv Fehlinformationen brechen auf die Einsatzkräfte ein.

Mittendrin, aber nicht die zentralen Figuren, sondern nur zwei bewegliche Teile in einem Uhrwerk an Storymechanismen und Charakteren: Ivo Batic und Franz Leitmayr (Miroslav Nemec & Udo Wachtveitl), die wie alle anderen Einsatzkräfte in diesem «Tatort» keine Zeit haben für private Sorgen, verbale Scharmützel oder kecke Subplots. Stattdessen spurtet dieser Krimi mit spitzen, kurzen Dialogen und dynamischer Kameraführung durch die Abläufe mitten in der Stadt und in etwas sicherer Entfernung, die der Verdacht eines organisierten Attentates nach sich zieht.

Strietmann und ihr Kameramann Florian Emmerich treiben mit Zooms, schnellen Schwenks und zahlreichen Close-ups auf die nervösen, aufgeschreckten Gesichter der Polizisten den Puls nach oben. Und Joos' Skript ist so strukturiert, dass die Handlung auch ständig in Bewegung bleibt. Kein Täterpsychogramm, keine Opferbetrauerung, sondern das Spurten von Brennpunkt zu Brennpunkt, das ist die Devise in diesem Thriller über die Eigendynamik einer medial übermäßig abgedeckten Tat. Das ganze kulminiert in ein fesselndes, konsequentes Finale.

«Tatort: Unklare Lage» ist am 26. Januar 2020 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
25.01.2020 02:15 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/115341