«Avenue 5»: Unser (T)raumschiff mit Hugh Laurie

«Veep»-Schöpfer Armando Iannucci versucht sich für HBO an einem neuen Weltraumepos. Das Ergebnis landet irgendwo zwischen «The Orville» und «(T)raumschiff Surprise».

Cast & Crew

Produktion: HBO Originals
Schöpfer: Armando Iannucci
Darsteller: Hugh Laurie, Suzy Nakamura, Rebecca Front, Zach Woods, Josh Gad, Nikki Amuka-Bird, Lenora Crichlow u.v.m.
Executive Producer: Armando Iannucci, Simon Blackwell, Kevin Loader und Will Smith
In einer nicht allzu fernen Zukunft, zu einer Zeit, in der man als erster Kanadier auf dem Mars niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken kann, tuckert ein (T)raumschiff durch die Weiten des Alls. Das Kommando hat Captain Ryan Clark (Hugh Laurie), der nach einem beherzten Einsatz in einer früheren Katastrophe als kompetenter Mann gilt und sich extra einen amerikanischen Akzent zugelegt hat, um dem Eindruck von Ruhe und Selbstsicherheit bei den Passagieren weiter Vorschub zu leisten. Die fünftausend Seelen an Bord vertreiben sich wie zu Sascha Hehns besten Zeiten den Tag mit Yoga-Stunden, Cocktails und dem herrlichen Ausblick ins Nichts (oder beliebig einspielbaren Hintergründen an den Flat-Screen-Fenstern), während sich der speckige Yuppie-Betreiber der ganzen Sause (Josh Gad) über das Milliardengeschäft freut und mit allerhand bekloppten neuen Geschäftsideen um sich wirft.

Doch obwohl die «Avenue 5» die rasante Geschichte der Automatisierung um ein gutes Jahrhundert fortgeschrieben hat und Captain Clark eigentlich nur freundlich lächeln und säuselnde Worte von sich absondern muss, geht immer noch etwas schief. Plötzlich läuft die Schwerkraft aus dem Ruder, die schlagartige Gewichtsverlagerung bringt die Route um ein paar Winkelminuten vom Kurs ab – und statt ein paar launigen Tagen wird es nun drei Jahre dauern, bis das Schiff wieder sicher im Hafen Erde ankommen wird. Der Lagerkoller kann beginnen.

Weltraum-Science-Fiction bleibt immer dann nachhaltig in Erinnerung, wenn sie ihr Setting zum Anlass nimmt, um uns über unser Hier und Heute reflektieren zu lassen. Als Mutter des Genres hat «Star Trek» einer Gesellschaft zwischen atomarer Aufrüstung und Rassentrennung in schier jeder Folge dezidiert, aber künstlerisch angenehm unaufdringlich den Spiegel vorgehalten, und gleichzeitig die aktuelle Menschheitsgeschichte fortgeschrieben, immer mit einer neuen Abzweigung in eine falsche Richtung. Seth MacFarlanes «The Orville» hat sich – nach einem verkorksten Auftaktjahr – diese Formel ebenfalls zum Vorbild genommen, und erzählte in seiner zweiten Staffel neben aller satirischen Elemente auch ernsthaft von urmenschlichen Erfahrungen und den Abgründen unserer heutigen Lebenswelt.



Doch während in den bekannten – aktuellen wie historischen – Weltraum-Procedurals in nahezu jeder Folge ein neues Thema dekonstruiert wird, beschränkt sich «Avenue 5», noch dazu in seltsam übertrieben persiflierendem Duktus, mit der Veralberung einer depperten Yuppie-Corporate-Culture und den abstrusen Früchten, die sie unter besonders seltsamen Umständen manchmal trägt: Der ruhige, selbstsichere Captain Clark ist nämlich gar kein Raumschiff-Kapitän, seine „Brücke“ bloße Kulisse. Die richtigen Steuermänner und Ingenieure sitzen, – ganz die sozial inkompetenten Nerds – unter einer Falltür verborgen, eine Etage tiefer in einem unappetitlichen Kabuff.

«Avenue 5» tanzt uns also das Missverhältnis zwischen Schein und Sein vor, und illustriert dabei – durchaus gekonnt – die gesellschafte Fehlentwicklung, in der abgespacete Soziopathen nach Kriterien des Shareholder Value über das Schicksal von Abertausenden entscheiden. Doch als tragender Pfeiler eines, wenn auch satirisch gedachten, Weltraumepos‘ ist das ziemlich dünn – und bleibt noch dazu meilenweit hinter der haargenau treffsicheren und wunderbar beißenden Satire zurück, für die sich Showrunner Armando Iannucci vorher verantwortlich zeichnete: «Veep».

«Avenue Five» hat seine deutsche Heimat bei Sky gefunden.
24.01.2020 12:20 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/115330