Netflix über Netflix: Wurden diese Titel 2019 am häufigsten genetflixt?

Neue Rekorde in Sicht! Kurz vor Jahresende wurden «Haus des Geldes», «Stranger Things» und «Sex Education» überschattet. Oder doch nicht?

Es wurde schon viel über Netflix und seine Politik bezüglich der Veröffentlichung von Abrufzahlen geschrieben und diskutiert: Der Video-on-Demand-Dienst behält es sich vor, seine Daten unter Verschluss zu halten, sodass die Branche sowie interessierte Film- und Serienfans auf die Marktforschungsergebnisse von Drittanbietern angewiesen sind, wie auf das Unternehmen Goldmedia. Nur gelegentlich bequemt sich der Streamingservice und feiert besonders große Erfolge, indem er konkrete Zahlen nennt. In diesen Fällen heißt es aber, Netflix Vertrauen zu schenken, dass diese Zahlen nicht nur konkret, sondern auch korrekt sind.

Angesichts dessen, dass Netflix sich schon zu überzogenen Vergleichswerten hat hinreißen lassen, ist also eine gewisse Vorsicht angebracht. Das gilt auch für neu veröffentlichte Top-Ten-Listen der Netflix-Inhalte, die hierzulande laut Netflix 2019 am häufigsten gestreamt wurden. Demnach überbietet nämlich die erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Fantasyserie «The Witcher» das schon länger laufende internationale Phänomen «Haus des Geldes» (dessen Beliebtheit auch von Goldmedia festgehalten wird) und ist sogar der größte Netflix-Hit des Jahres.

Direkt auf Platz zwei der meistgestreamten Netflix-Deutschland-Inhalte 2019 liegt laut Netflix der Actionfilm «6 Underground» von Krachbumm-Maestro Michael Bay. Erst auf Platz drei sei laut Netflix «Haus des Geldes» vorzufinden, auf Rang vier setzt der Streamingdienst den im Sommer noch für seine Rekordzahlen groß gefeierten Adam-Sandler-Comedykrimi «Murder Mystery» (mehr dazu). Hat Netflix etwa innerhalb weniger Tage seinen größten Film- und seinen größten Serien-Hit einfach so selber übertroffen?

Update zum Erhebungsverfahren

Laut dem Branchenportal 'Variety' (das sich auf Angaben des VOD-Dienstes bezieht) erachtet Netflix jeden Titel, von dem zwei Minuten oder mehr abgerufen wurden, als gestreamt. Wer also im Abspann von «6 Underground» das Zimmer verlässt und z.B. nach drei Minuten «The Irishman»-Autoplay zurückkehrt, den Film abbricht und etwas Neues aussucht, hat nach Netflix' Logik «The Irishman» ebenso geguckt wie «6 Underground». Netflix geht also anders vor als Fernsehsender, die Mittelwerte als Reichweite festhalten, statt jeden, der vorbeizappt, als komplett ausdauernden Zuschauenden auszugeben.

Die heute veröffentlichten Top-Ten-Listen spiegeln zudem bloß wieder, wie oft Produktionen in den ersten 28 Tagen nach Veröffentlichung gesehen wurden – so berichtet es 'Variety'. Die Zahlen der Dezember-Veröffentlichungen wurden hochgerechnet.
Update vom 30. Dezember 2019, 18 Uhr
Nun, das Kleingedruckte in den Netflix-Hitlisten gibt einen wichtigen Hinweis: Bei Titeln, die erst im Dezember gestartet sind, basiert die Platzierung auf Hochrechnungen. Ob Netflix bei seiner Prognose berücksichtigt hat, dass viele Leute Ende Dezember aufgrund der Feiertage mehr vorm Fernseher hängen als im Rest des Jahres, und dass obendrein neue, intensiv beworbene Titel erfahrungsgemäß eingangs gefragter sind und sich ihre täglichen Klickzahlen wieder normalisieren, ist unklar. Es ist durchaus möglich, dass Netflix in seiner zu Werbezwecken veröffentlichten Statistik einfach die jüngsten Abrufzahlen neuer Titel multipliziert und so seine jüngsten Produktionen in den Vordergrund geschoben hat – was so wäre, als würde Disney realitätsfern prognostizieren, dass «Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers» noch an fünf weiteren Wochenenden solche Zahlen schreiben wie zum Start.

Vielleicht aber ist der VOD-Dienst ehrlicher, als wir es ihm gerade unterstellen und «The Witcher» sowie «6 Underground» sind auch vorsichtig und unvoreingenommen prognostiziert auf dem besten Wege, Netflix-Allzeitrekorde aufzustellen. Die Wahrheit werden wir wohl nie erfahren ...


Wen's dennoch interessiert: Hier sind die größten Netflix-Erfolge 2019. Laut Netflix:



30.12.2019 11:02 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/114718