Keine Strategie: Der Joyn-Irrsinn

Seit knapp einem Monat ist der Premium-Dienst von Joyn, JoynPlus+, auf dem Markt. Nutzer stolpern aber in einigen Punkten; wie schon bei der kostenlosen Version. Ein Kommentar.

Wie glücklich Max Conze dieser Tage, kurz vor Weihnachten wohl ist? Sein Unternehmen, ProSiebenSat.1, hat in diesem Jahr das wichtigste Projekt der nächsten Jahre gelauncht. Die gemeinsam mit Discovery betriebene Plattform und Streaming-App Joyn, die seit Ende November nun noch um eine Premium-Variante reicher ist. Im Normalfall und nach dem Ende von Testzeiträumen will Joyn für JoynPlus+ knapp sieben Euro im Monat von seinen Nutzern verlangen und bietet dafür jede Menge Filme, Serien und Eigenproduktionen an. Lust machen auf das Angebot soll das weiterhin werbefreie „normale Joyn“. Ein solcher Mix sei wichtig, sagte Conze immer wieder und verwies auf die Werbeeinnahmen, die man mit der Free-Version erziele.

Offizielle Zahlen zu Joyn gibt es noch nicht; je nach Betrachtung soll Joyn teilweise schon auf ähnliche Werte wie das durchaus erfolgreiche TVNow kommen. Und dennoch hat Joyn trotz der langen und auch personalintensiven Planung immer noch Stolperstellen. Diese wurden mit dem Start von JoynPlus+ noch mal sichtbarer. Von Archiv-Formaten sind auch nach rund einem halben Jahr oftmals nicht alle Episoden bei Joyn eingeordnet – bei Highlight-Programmen stehen die Episoden zum Re-Watch oftmals Stunden vor einer Bereitstellung bei Joyn erst einmal auf den einzelnen Senderhomepages.

Wahrlich kurios wird es, will man sich bei Joyn in der Free-Variante zur Zeit Serienklassiker aus früheren Zeiten anschauen. Joyn bietet etwa alle vier Staffeln der einstigen Sat.1-Soap «Anna und die Liebe» an – großteils auch für nicht-zahlende Kunden. Warum aber braucht man ausgerechnet für die Episoden 324, 327, 357, 371, 375 (und weitere) ein Plus+-Abo? Joyn-Sprechern Vanessa Frodl erklärte auf Anfrage von Quotenmeter.de, dass dahinter „keine Strategie“ stecke.

So kann man es auch formulieren. Auch die Tatsache, dass «Verliebt in Berlin» quasi vollständig frei zur Verfügung steht, nur Folge 38 nicht, ergibt schlicht keinen Sinn. „Das hängt aktuell mit unseren Lizenzen zusammen und unserem Produktlaunch zusammen. Wir arbeiten immer daran unser Produkt und die User Experience zu optimieren und auch hier werden wir weiter optimieren“, verspricht die Joyn-Sprecherin. Das scheint auch dringend nötig zu sein. Frodl spricht von einem nach und nach erfolgenden Prozess des Ausrollens von Lizenzen – wirft mit dieser Antwort aber zugleich neue Fragen auf: Wieso werden Lizenzen nun neu ausgerollt, wo besagte Folgen doch früher schon frei zur Verfügung standen?

Trifft es nicht eher zu, dass es sich hier um einen weiteren Bug von Joyn handelt? Und zwar nicht um den ersten, wenn man bedenkt, dass Joyn in seinen Anfangstagen teilweise Folgen noch nicht chronologisch geordnet hatte. Das wohl ist es, was Max Conze meinte, als er davon sprach, die Joyn-App nach dem Launch gemeinsam mit den Nutzern und Fans weiterentwickeln zu wollen. Ein (hoffentlich) rasches und flexibles Reagieren auf den Hinweis auf Fehler.
20.12.2019 08:45 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/114552