Die Kritiker: «Todesengel»

In Hamburg trennt eine Frau Männern die Genitalien ab, während sie sie qualvoll ausbluten lässt. Das rührt aus einem alten DDR-Trauma her. Einer der sonderbarsten Filme des Jahres.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Peter Lohmeyer als Jan Fabel
Stephanie Japp als Sylvie Achtenhagen
Anne Ratte-Polle als Margarethe Paulus
Julia Richter als Anke Wollner
Ina Paule Klink als Anna Wolf
Proschat Madani als Susanne Eckhardt
Joachim Nimtz als Georg Drescher

Hinter der Kamera:
Produktion: Tivoli Film Produktion GmbH
Drehbuch: Jakob Ziemnicki (auch Regie) und Nils-Morten Osburg
basierend auf dem Roman "Walküre" von Craig Russell
Kamera: Jakob Beurle
Produzenten: Thomas Hroch und Gerald Podgornig
Ein beliebtes – und etwas unappetitliches – Motiv von waschechten Pulp-Romanen, exploitativen amerikanischen Billig-Crime-Reportagen und öffentlich-rechtlichen Krimis gleichermaßen sind absonderliche Lustmörder, die durch die Nächte streifen und in bestialischer Weise Frauen abschlachten. «Todesengel» will diesen Spieß umdrehen – und schickt stattdessen den „Engel von St. Pauli“ auf Tour, eine unbekannte Hamburgerin, die Freiern, gewalttätigen Zuhältern, Vergewaltigern und prügelnden Ehemännern die Kehle durchschneidet und ihnen vor dem Bewusstseinsverlust noch die Genitalien abtrennt. Doch seit Jahren hält die Kastrationskillerin die Füße still – bis Ermittler Jan Fabel (Peter Lohmeyer) über die nächste einschlägig zugerichtete Männerleiche stolpert: die eines Journalisten und Romanautors, der derzeit mit einigen Prozessen wegen sexueller Belästigung zu tun hat. Oder wie es «Todesengel» etwas plakativer formuliert: „ein Obermacho mit Metoo-Klagen am Hals.“

Doch diese Buzzword-Besessenheit ist in diesem Film noch lange nicht der Gipfel der Bräsigkeit. Der ist erst dann erreicht, wenn ein alter weißer Mann den alten weißen Mann raushängen lässt und im Gespräch mit einer alten Bekannten vom Leder zieht: „Steht es so schlecht um die Emanzipation der Frau?“, muss hier als maximal möglicher Ausgangspunkt für eine Diskussion über die Frauenbewegung jenseits der durchgeknallten mordenden Schrullen genügen.

Weil Frauen ja charakterlich schwach und emotional übersteuert sind, durften sie hier nicht einmal selbst auf die Idee kommen, Männern während des Ausblutens noch die Familienjuwelen abzutrennen. Die tiefenpsychologischen Ursachen für diese Entgleisung liegen in einem alten STASI-Übersoldatinnen-Trainingslager im Thüringer Wald, wo junge Frauen aus Pflegefamilien und Kinderheimen in der Spätphase der DDR das effektive Töten lernen sollten und beim alltäglichen brutalen Drill gebrochen wurden. Dreißig Jahre später zieht nun eine von ihnen kastrierend durch Hamburg, die Zweite hat in der geschlossenen Psychiatrie gerade ihre Pfleger überwältigt und das Weite gesucht, und die Dritte lebt irgendwo im Figurenorchester ein bisher unscheinbares Leben.

Aber nicht einmal zu Psychopathinnen konnten die Frauen aus eigenen Stücken werden. Dafür haben Georg und Ulrich gesorgt, die beiden Trainingsanzüge tragenden finsteren Kaderkommunisten, die die DDR-Mädels zu Killermaschinen abrichten wollten und dann den Wind ernteten, den sie gesät hatten. Als Abrechnung mit dem Patriarchat ist das aber im Mindesten so oberflächlich und kappes wie zwei männermordende Walküren – und jedes amerikanische Pulp-Heftchen ist erbaulicher als dieser bemüht zusammengeklaubte Stereotypen-Schund zwischen STASI-Verbrechen und Fetisch-Morden.

Das Erste zeigt «Todesengel» am Sonntag, den 15. Dezember um 21.45 Uhr.
14.12.2019 11:07 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/114303