Die Kritiker: «Polizeiruf 110: Dunkler Zwilling»

Ein erschütternder Mord, Ermittler mit aufgewühlten Emotionen und ein fesselndes, mitreißendes Ende.

Cast und Crew

  • Regie: Damir Lukacevic
  • Drehbuch: Damir Lukacevic
  • Dialogautor: Péter Palátsik
  • Cast: Anneke Kim Sarnau, Charly Hübner, Simon Schwarz, Emilia Nöth, Angela Winkler, Alexander Beyer, Andreas Guenther, Josef Heynert, Uwe Preuss, Beate Schacht, Hanna Binke
  • Kamera: Leah Striker
  • Schnitt: Uta Schmidt
  • Musik: Ingo Frenzel
Strömender Regen. Die Leiche eines 16-jährigen Mädchens muss untersucht werden. Die Tote wurde aufgeschnitten, ihre Gebärmutter wurde entfernt. Ihre Schuhe wurden fein säuberlich neben ihr drapiert. Wenige Tage später wird eine dänische Touristin ebenfalls tot aufgefunden – und die Leiche wurde ähnlich präpariert. Die erste Vermutung führt die Ermittler zurück zu einer viele Jahre alten Mordserie. Damals traf es drei Frauen und einen Jungen. Die Morde blieben unaufgeklärt – und LKA-Profilerin König glaubt, dass es sich nun um denselben Täter handeln muss. Dass es trotz eines Hilfeaufrufs aus der Bevölkerung nur spärliche Hinweise gibt, die zu gebrauchen sind, macht der Polizei schwer zu schaffen. Nach und nach finden sich dennoch zwei Verdächtige: Umzugsunternehmer Frank Kern (Simon Schwarz), ein im alltäglichen Umgang freundlicher Mann, der jedoch wegen Gewalt gegen eine Prostituierte aktenkundig ist. Er selbst beteuert, dass es Notwehr war. Der andere Verdächtige: Hobbymaler, Taxifahrer und angehender Jurist Jan Hansen, gegen den seine eigene Ehefrau (Angela Winkler) aussagt …

Polizeikommissar Alexander Bukow (Charly Hübner) und LKA-Profilerin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) haben in ihren bisherigen Fällen oftmals die ungeschriebenen und geschriebenen Gesetze der Polizeiarbeit überschritten. Bukow bedrängte schon Zeugen mit einer gegen die Stirn gedrückten Pistole, König wiederum hat bereits Indizien gefälscht, um einen Verdächtigen zu überführen. Und der Umgangston untereinander sowie mit dem Kollegium zählt zu den rausten, den sonntägliche ARD-Krimis zu bieten haben.

In diesem Fall dagegen werden andere Saiten aufgezogen. Manche werden es Stilbruch nennen und Regisseur/Autor Damir Lukacevic vorwerfen, an der Identität dieses «Polizeiruf 110»-Teams zu pfuschen. Doch es steckt was dahinter, es ist keine Missachtung dieser Figuren – der nachdenkliche Tonfall, die geordnete Arbeitsweise und das besorgte Vergleichen von Ermittlungsergebnissen ist eine Folge des erzählten Kriminalfalls, der Bukow und König über ihre Schatten springen lässt. Das Grauen, das in Rostock vorherrscht, drängt sie, menschlich und polizeilich besser zu werden.


In «Polizeiruf 110: Dunkler Zwilling» zerkochen die harten Hunde König und Bukow. Durch die bestialischen Tatorte. Durch die völlig unhilfreiche Bevölkerung, die die Polizeiarbeit durch haarsträubende Anschuldigungen über die unangenehme Nachbarschaft verlangsamt. Und durch die Verdächtigen, die so normal aussehen, sich so hilfreich zu äußern wissen, und denen trotzdem eine Ader innewohnt, die bei genauem hinschauen die schlimmsten Mutmaßungen gestatten. Sind es eigene Vorurteile, die dort gespiegelt werden, oder deutliche, dringliche, reale Hinweise, dass man es hier mit Monstern zu tun hat?

Es geht in diesem Krimi um die Doppelleben, die viele Menschen führen, darum, wie sie selbst zu ihrem dunklen Zwilling werden. Und darum, welche Folgen es haben kann – zermürbend dargestellt durch Emilia Nöth in der Rolle einer Jugendlichen, die am Verdacht gegen ihren bis dahin geliebten Vater völlig verzweifelt. «Transfer»-Regisseur Damir Lukacevic lässt in diesem «Polizeiruf 110» dennoch die bleierne Schwere aus, die solche Krimi-Psychodramen sonst inszenatorisch mitbringen, sondern lässt in diesem filmisch weiterhin alltäglich vorwärtsfließenden Fall die beklemmende Tonalität von den Schauspielern, den komplexen moralischen Fragen und dne Vorstellungen in den Köpfen des Publikums tragen. Bis zum Gänsehaut-Schluss, der mit wenigen Worten, eisiger Musik und klaren Bildern diesem Krimi einen langen Nachhall sichert.

«Polizeiruf 110: Dunkler Zwilling» ist am 6. Oktober 2019 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
05.10.2019 09:10 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/112646