Popcorn und Rollenwechsel: Das haptische Heimkino ist nicht tot

Obwohl er oft totgesagt wird, schreibt er noch immer stattliche Zahlen: Der Markt für Blu-rays und DVDs.

Manchmal weiß ich nicht, ob die Leute herumblödeln oder es ernst meinen: Nun, da Christopher Nolans unterschätzter Geniestreich «Prestige – Meister der Magie» via Amazon Prime Video gestreamt werden kann, sind mir sogleich mehrere Tweets begegnet, die so etwas aussagen wie "Na, endlich kann ich mir den Film auch mal anschauen!" Als sei der Film seit der Kinoauswertung unter Verschluss gewesen. Noch mehr bringt es mein Blut zum Kochen, wann immer ein altbekannter Megablockbuster von einer Streamingplattform verschwindet und dann in den sozialen Netzwerken das Klagen und Jammern beginnt. Beispiel: "Was, «Star Wars» ist nicht mehr auf Netflix?! Wie soll ich mir die Filme denn nun anschauen?!" Leute, wisst ihr nicht, dass diese Filme zu teils unverschämt günstigen Preisen auf Blu-ray hinterhergeworfen werden? Oder seid ihr so sarkastisch, dass man's nicht mehr bemerkt?

Wann immer ich so etwas in US-Podcasts höre, beiße ich mittlerweile ja meine Zähne zusammen, im Wissen, dass die Amerikaner in blindem Vertrauen, dass das Angebot der Streamingdienste schon durchweg optimal bleibt, den haptischen Medien längst abgeschworen haben. Doch wo rühren diese seltsamen Kommentare nur in Deutschland her? Denn selbst wenn manche Leute aufgrund der ganzen US-Stimmen über den Tod der haptischen Medien dem Glauben verfallen, dass dies auch hierzulande gilt, so lebt der Heimkinomarkt in Deutschland noch immer.

Nicht nur das: Im Heimkinomarkt abseits Streaming schlummert mehr Geld als im "richtigen" Kino. Laut der FFA wird in Deutschland seit 2002 Jahr für Jahr mehr Geld für Kaufvideos ausgegeben als für Kinotickets. So auch 2018. Gewiss, die Zeiten ändern sich: So stimmt es, dass Streamingtitel 2018 erstmals Kaufvideos überholt haben, dessen ungeachtet sind DVDs und Blu-rays noch immer dick im Geschäft: 2018 etwa wurde 979 Millionen Euro für Kaufvideos ausgegeben, darunter über 780 Millionen Euro für DVDs und Blu-rays. Digitale Kaufkopien, so sehr sie von den Studios auch beworben werden, kommen da also noch nicht heran.

Und ich bin froh drum: Ich will die Filmsichtungen in meinen eigenen vier Wänden nicht allein davon abhängig machen, was Amazon, Netflix und Co. gerade im Portfolio haben. Ich will Filme, die ich mag, jederzeit zur Verfügung haben können. Und ohne die Gefahr, dass das Studio spontan auf die Streamingversionen zurückgreift und Gags kürzt (so wie Disney kürzlich einen Gag aus der VOD-Fassung des «Toy Story 2»-Abspanns entfernt hat). Umso bedauerlicher, dass die großen Labels Blu-ray-Veröffentlichungen immer häufiger lieblos raus schleudern und kaum noch spannende Extras einplanen. In dem Sinne seien Labels wie Capelight oder Turbine gelobt, die Klassiker großer US-Studios sublizensieren und ihnen die Veröffentlichung spendieren, die sie verdienen. Auf dass die physischen Medien ewig weiterleben …
03.09.2019 13:25 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/111874