«Hobbs & Shaw»: Weniger «Fast & Furious»-Familia, mehr Humor

Ein technisch optimierter Superschurke, knallige Gastauftritte, zwei Hauptfiguren, die sich unentwegt necken und eine Vanessa Kirby, die austeilt: Bist du's wirklich, «Fast & Furious»?

Filmfacts «Fast & Furious: Hobbs & Shaw»

  • Regie: David Leitch
  • Produktion: Dwayne Johnson, Jason Statham, Chris Morgan, Hiram Garcia
  • Drehbuch: Chris Morgan, Drew Pearce
  • Darsteller: Dwayne Johnson, Jason Statham, Idris Elba, Vanessa Kirby, Helen Mirren
  • Musik: Tyler Bates
  • Kamera: Jonathan Sela
  • Schnitt: Christian Wagner, Elisabet Rónaldsdóttir
  • Laufzeit: 136 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Um die obige Frage direkt zu beantworten: Ja. Ja, es ist wirklich noch immer «Fast & Furious». Ein paar Versatzstücke aus der Filmreihe, die mit illegalen Autorennen begonnen hat und zuletzt zeigte, wie ein gigantisches U-Boot unter einer ebenso gigantischen Eisschicht herausbricht und Dwayne Johnson Torpedos mit bloßen Händen abfängt, haben sich in den ersten «Fast & Furious»-Ablegerfilm gerettet.

Ja, es wird einmal ein Nitroboost gezündet. Ja, die Gesetze der Physik sind hier eher Richtlinien denn harte Regeln. Ja, auch Hobbs und Shaw, die mit ihrer Hassliebe füreinander zu den Höhepunkten in «Fast & Furious 8» wurden, können die Welt nicht ohne den Einsatz von Autos retten – das ist also keine reine Dominic-Toretto-Macke. Und ja, obwohl «Hobbs & Shaw» von Stunt-Experte David Leitch («John Wick», «Atomic Blonde») stammt und mit Jason Statham und Dwayne Johnson zwei fitte, fähige Actionstars im Mittelpunkt stehen, wird auch hier die Action durch allerlei (teils halbgares) CG unterstützt. Und, zu guter Letzt: Ja, auch ohne den dauerpathetischen Dominic Toretto, der jede Gelegenheit nutzt, um einen Monolog über die Bedeutung von "Familia" zu halten, geht es auch in «Hobbs & Shaw» abseits der Actionszenen wiederholt um den Wert der Familie.

Und doch ist «Hobbs & Shaw» ein eigenes Biest. Eine neue Nebenlinie im «Fast & Furious»-Kosmos für all jene, die nicht so autoaffin sind, dass ihnen bei den bisherigen Filmen das Wasser im Munde zusammengelaufen wäre. Für all jene, die bei Vin Diesels schleppenden Lobliedern auf "Familia" keine Gänsehaut, sondern Kopfschmerzen von all dem Augenrollen bekommen haben. Für diejenigen, die die verbale Schlagfertigkeit eines Dwayne Johnson und die Agilität eines Jason Statham dem Geknurre und Rumsitzen der «Fast & Furious»-Hauptreihe vorziehen.

Kurzum: In der «Fast & Furious»-Fangemeinde wird «Hobbs & Shaw» für Zank sorgen. Sehen die Einen diesen Film als Verrat an, feiern die Anderen, dass «Fast & Furious» endlich allerhand Ballast abwirft, manche Schwächen in den Hintergrund drängt und seine Stärken mehr in den Fokus nimmt. Und diese Zeilen hier … Die stammen von einem Mitglied der zweiten Gruppe.


Damit wird sich diese Kritik wohl leider von vornherein für manche «Fast & Furious»-Superfans disqualifizieren, aber: So ist das dann wohl. Man kann nicht jeden abholen, und alle, die sich nach Dominic Toretto und seinen Liebsten sehnen, sowie deren Herangehensweise an Action, werden von Universal Pictures im Mai 2020 bedient, wenn «Fast & Furious 9» anläuft, wo aktuellen Berichten zufolge Dwayne "Luke Hobbs" Johnson und Jason "Deckard Shaw" Statham Hausverbot haben. Dieser "Familia"-Verräter dagegen, der diese Zeilen zusammenzimmert, der Vin Diesel lieber im unverfälschten Wahnsinn von «xXx – Die Rückkehr des Xander Cage» sieht als in irgendeinem zwischen Übertreibung und ausbremsenden, schalen Charaktermomenten schwankenden «Fast & Furious»-Film? Der freut sich über die neue Ausrichtung.

Braucht es die "Marvelisierung" der «Fast & Furious»-Welt, indem Idris Elba den Terroristen Brixton Lore spielt, der halb Mensch, halb Maschine ist? Nein. Stört es? Warum sollte es? Die «Fast & Furious»-Filme wurden zunehmend absurder und unrealistischer, wieso also nicht den nächsten Megaschurken, der es auf die Helden abgesehen hat, auch inhaltlich absurd gestalten? Wir haben somit keinen unerklärlich reaktionsschnellen, kräftigen Obermotz, der in mehreren Kampfszenen Johnsons Wucht widersteht und Stathams Agilität. Wir haben eine "Erklärung" die sich der Weltferne dieser Popcornfilme anpasst.

Braucht es einen Agentenactioner-Plot über eine des Verrats beschuldigte Agentin, die in Wahrheit ein tödliches Virus nur entwendet hat, damit es Brixton nicht in die Hände fällt? Nein, aber die Cyberterroristin aus «Fast & Furious 8», die Dominic Toretto zum Verrat an seiner "Familia" überredet, ist auch nicht wesentlich plausibler. Und hier haben wir mit Vanessa Kirby wenigstens eine enorm talentierte Schauspielerin in der Rolle der Eben-doch-nicht-Verräterin.

Kirby ist eh so etwas wie die Geheimzutat des Films: In vielen Filmen wäre sie als Wirtin des tödlichen Virus ein wandelnder MacGuffin, ein Reagenzglas mit Frauenkörper, die Jungfrau in Nöten. In «Hobbs & Shaw» dagegen teilt Kirbys Figur genauso aus wie die Titelhelden, und mit einer gewinnenden Mischung aus Eleganz und Forschheit sorgt Kirbys versierte, zielstrebige Agentin für ein wichtiges Gegengewicht zum steten Gezeter zwischen dem humorvollem Muskelprotz Hobbs und dem raffinierten Gentleman-Dreckskerl Shaw.

Das Zusammenspiel zwischen Kirby, Johnson und Statham macht riesige Lust auf ein Wiedersehen mit diesem Trio, und dem Drehbuch-Team Chris Morgan und Drew Pearce sowie den zuweilen munter improvisierenden Darstellern fallen genügend albern-machohafte Wortscharmützel ein, um die unendlichen Streitereien zwischen Hobbs und Shaw frisch zu halten. Vor allem aber haben die Actionszenen ein zügiges Tempo und Stunt-Experte Leitch kostet die Faustkämpfe, Motorradstunts sowie Autoverfolgungsjagden mit Genuss aus. Wenn mit Fortschreiten des Films die handgemachte Action mehr und mehr digital überbordenden Setpieces weichen, schaltet Leitch in einen anderen Gang und setzt klugerweise nicht mehr auf Staunen über die physikalischen Performances, sondern auf wissentlich absurd inszenierten Unsinn. Die Computereffekte sind teilweise sehr wacklig, doch Leitch weiß wenigstens, dass er diese halbgaren Einstellungen so kurz wie möglich zeigen sollte, statt auch noch voll auf die Pixelunfälle drauf zu halten. Dieses Geschick haben zahlreiche aktuell tätige Regisseure nicht.

«Hobbs & Shaw» ist flottes, ziemlich durchgeknalltes Actionkino, das zudem mit mehreren Cameos aufwartet, fast so, als wollte sich diese «Fast & Furious»-Subfamilie von der gekränkten Hauptfamilie abheben: "Wenn ihr uns nicht mehr mögt, egal, wir haben andere Freunde!" Das führt zu manchen überdehnten Gags, hat aber auch seine eigene, metafiktionale Gute-Laune-Power. In all diesem relativ hirnlosen, aber vollauf launigen Actionspektakel wirken die charaktergesteuerten Momente über Zusammenhalt im Hobbs- und im Shaw-Clan gelegentlich etwas verloren. Aber das Ensemble schafft es wenigstens, dass es plausibel wirkt, dass Figuren diese Unterredungen führen – anders als bei … Naja, muss ich es wirklich wiederholen?

Fazit: Kirby, Statham und Johnson machen Laune, die Action ist abstrus und das pseudo-gefühlvolle Gewäsch der Vorgängerfilme wird massiv reduziert: «Hobbs & Shaw» ist «Fast & Furious» mit ehrlicher Gaga-Attitüde. Spaßig!

«Fast & Furious: Hobbs & Shaw» ist ab dem 1. August 2019 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
31.07.2019 18:01 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/111118