«Another Life»: Weltraum-Horror vom Reißbrett

Mit der neuen Science-Fiction-Serie «Another Life» verschenkt Netflix die Chance, dem Genre neue Impulse zu geben.

Dass unter den etlichen Neustarts bei Netflix immer öfter Rohrkrepierer dabei sind, daran hat man sich beinahe schon gewöhnt: Die neue Science-Fiction-Serie «Another Life» wird dem Ruf von Netflix, mehr Masse statt Klasse zu produzieren, voll und ganz gerecht.

Dabei bietet «Another Life» eine durchaus spannende Ausgangslage: In der Zukunft sorgt ein riesiges Alien-Kristallgebilde für Fragezeichen – wollen etwa Außerirdische mit der Menschheit kommunizieren, sind sie gut oder böse gestimmt? Erik (Justin Chatwin, «Shameless») versucht das Rätsel mit wissenschaftlichen Methoden zu lösen, schon seit Monaten aber vergebens. Wie praktisch, dass seine Ehefrau Niko (Katee Sackhoff, «Battlestar Galactica») Astronautin ist: Sie will die Antworten nämlich im All suchen und begibt sich dafür auf eine gefährliche Raumfahrt-Mission. Dabei geht selbstverständlich allerhand schief: Es fängt damit an, dass Niko viel zu früh aus dem Kälteschlaf erwacht, die Reise auf der Salvare verkompliziert sich.

Neues sucht man bei «Another Life» vergeblich, das Gebotene stellt eher einen Mix aus bereits bekannten Elementen ähnlicher Stoffe dar. Ohne zu viel auf die weitere, vorhersehbare Story-Entwicklung einzugehen, hier mal ein kleiner Rundumschlag aus den ersten Folgen. Im Angebot sind u.a.:

– Meinungsverschiedenheiten zwischen Raumschiff-Kapitänin Niko und ihrem eigenwilligen Vorgänger Ian, die für die gesamte Besatzung beinahe hätte tödlich enden können,
– eine Crew, die sich untereinander uneinig ist, welchem Befehlshaber sie letztlich folgen soll,
– ein verkannter Wissenschaftler auf der Erde, der immer erst Stichwörter in belanglosen B-Storys aufschnappen muss, damit er auf zündende Ideen kommt
– ein KI-Hologramm-Buddy an Bord, der offenbar mit Gefühlen programmiert worden ist oder diese ausgerechnet jetzt für sich entdeckt
– diverse weitere (häufig nicht nachvollziehbare) Dummheiten, durch die noch mehr daneben geht.

Und der Klassiker der Klassiker schlechthin ist natürlich auch dabei: Das Einschleppen von irgendeinem bösen Alien-Virus, der die Menschen krank macht und seltsame Dinge tun lässt. Ob die Mannschaft es wohl in den späteren Folgen mit einer feindselig gestimmten Spezies aufnehmen muss? Das wäre ja höchst überraschend. Immerhin: Mit den CGI-Effekten hat man sich einigermaßen Mühe gegeben, es hätte schlimmer kommen können.

Genauso berechenbar wie die Story verhalten sich die Figuren in «Another Life», man wird kaum warm mit ihnen. Hin und wieder wird versucht, das zu kompensieren, indem man mehr als einmal zeigt, wie sehr Niko ihre zurückgelassene Tochter vermisst – und wie sehr Erik doch seine Frau vermisst. Auch zwischen den Crew-Mitgliedern scheint sich im weiteren Verlauf etwas anzubahnen. Mit Charaktereinführung wird im Piloten erstaunlich wenig Zeit verschwendet, obwohl der rund eine Stunde lang ist und damit Netflix-typisch mal wieder den Rahmen sprengt, da er sich wie Kaugummi zieht. Die restlichen Episoden dauern dann nur noch zwischen 37 und 47 Minuten, so ist das Elend wenigstens schneller vorbei.

Unterm Strich bietet «Another Life» also waschechte Zutaten eines 0815-Weltraum-Horror-Plots, den man so oder so ähnlich schonmal gesehen hat – allerdings in vielen Fällen eben weitaus besser. Netflix hätte gut daran getan, einen neuen Spin zu finden; irgendwas, das aus der Masse bisheriger Stoffe heraussticht – insbesondere, weil George R. R. Martins «Nightflyers» (an dem Netflix außerhalb der USA die Rechte hält) erst vor wenigen Monaten ebenso einfallslos daherkam. Stattdessen belässt Netflix es bei ausgelutschten Klischees. Es wäre daher nicht sonderlich bedauernswert, wenn «Another Life» dem Netflix-Trend der letzten Zeit folgen und nach einer Staffel wieder von der Bildfläche verschwinden würde. Egal, was die Aliens dazu sagen würden.
27.07.2019 18:55 Uhr  •  Daniel Sallhoff Kurz-URL: qmde.de/111034