Die besten Minuten des Jahres? Joko und Klaas überlassen ihre 15 Minuten den echten Helden

Eine beleuchtete Bühne, ein Stuhl und drei Menschen, die etwas zu sagen haben. Diese 15 Live-Minuten gingen bei ProSieben unter die Haut.

Mittwochabend, 20.15 Uhr, ProSieben. Nach dem starken Auftakt der neuen Primetime-Show «Joko & Klaas gegen ProSieben» löste ProSieben sein Versprechen ein und stellte den beiden Gewinnern des Vorabends, Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheid, 15 Minuten Sendezeit zur vollkommen freien Verfügung. Wer anfangs noch dachte, die Sendung würde zu einer Blödelnummer verkommen (der im Photoshop-Philip-Style erstellte Vorspann ließ darauf deuten), wurde schnell eines besseren belehrt. Ohne ProSieben-Ikone in der oberen rechten Ecke, dafür mit einem Joko & Klaas-Logo versehen, startete die Live-Show. Nach einer kurzen Begrüßung von Joko und Klaas in einem mit schwarzen Vorhängen abgehängten Studio, das sonst nur durch seine im Kreis angeordneten Lichter auffiel, wurde ein Stuhl platziert, auf dem drei Gäste jeweils rund vier Minuten lang ihre Meinung und Geschichte erzählen konnten.

Nach dem Ende der Sendung jubelte Twitter größtenteils. Denn Joko und Klaas hatten sich entschieden, die von ihnen erspielte Sendezeit Menschen zu überlassen, die – wie betont wurde – wirklich etwas zu sagen hatten. Pia Klemp etwa nahm Platz auf dem Stuhl, sie ist Kapitänin in der Seenotrettung und erklärte, wie sie immer wieder erlebe, wie die EU auf „Migrationsabwehr“ setze. Das Mittelmeer sei somit die tödlichste Grenze der Welt. Das Retten von Menschen auf See sei eine Pflicht, kein Recht und sicher kein Verbrechen, sagte sie. Und dennoch gäbe es immer wieder schlimme Vorfälle auf dem Schiff – bis hin zu sterbenden Kindern. „In wenigen Monaten werden wir wieder auf tausende Tote blicken.“ Früher habe man, sagte Klemp, die Großeltern gefragt, was sie eigentlich gegen das NS-Regime gemacht hätten. Genau das gleiche würde sie vermutlich mal von ihren Enkeln gefragt werden.

Nach Klemp nahm Dieter Puhl auf dem Stuhl Platz, der in der Berliner Obdachlosenhilfe tätig ist. Er berichtete davon, dass Obdachlose im Schnitt 15 Jahre früher sterben würden als Nicht-Obdachlose. Er berichtete von Sigi, im Rollstuhl sitzend, der stets stark eingekotet und voller Urin zu ihm kam. Und von Dieter Puhl frische Kleidung bekam – im Wissen, dass diese wenig später wieder total verdreckt sein würde. Warum viele Obdachlose nicht einfach mit dem Trinken aufhören würden, versuchte Puhl zudem zu erklären. Er selbst sei eben auch Raucher – und kenne den Schalter zum Aufhören nicht. Puhl meinte: „In Deutschland muss niemand Obdachlos sein.“



Auch Birgit Lohmeyer nahm auf dem Stuhl Platz – ihre Geschichte hatte zuvor schon für Schlagzeilen gesorgt. Die Schriftstellerin zog von der Stadt Hamburg auf das Land – um dort ihre zweite Lebenshälfte zu verbringen. Sie und ihr Mann. suchten und fanden ein Haus, an der mecklenburgischen Osteseeküste. Sie landeten in Jamel, ein Mini-Dorf. Schnell merkte Birgit, dass ihr Nachbar ein Neo-Nazi sei – und nicht der einzige. Von elf Häusern im Dorf wären acht Stück von Nazis bewohnt. Lohmeyer berichtete, über Jahre hinweg unter Druck gesetzt worden zu sein. Mit „Verpisst Euch!“-Rufen, einer toten Ratte im Briefkasten, Diebstählen, Nötigung bis hin zu einer Brandstiftung in der Scheune auf dem Hof des Anwesens. „Das hat uns ganz eindrücklich gezeigt mit was für Menschen wir es hier zu tun haben.“ Lohmeyer veranstaltet auf ihrem Hof inzwischen Musik-Festivals und plädiert für Toleranz. Herbert Grönemeyer, Die Ärzte oder Materia wären bei ihr schon aufgetreten.

Kommenden Dienstag um 20.15 Uhr gibt es für Joko und Klaas wieder 15 Minuten Sendezeit zu gewinnen. Sollten diese wieder so sinnvoll eingesetzt werden, wäre es dem Duo zu wünschen, ihren Arbeitgeber erneut zu bezwingen.

Lesen Sie außerdem: Unsere Kritik zur Show «Joko und Klaas gegen ProSieben»
29.05.2019 20:50 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/109729