Nach dem Finale: Wie enttäuschend war die letzte «Game of Thrones»-Staffel?

Für den Großteil der Serienfans ist die finale «Game of Thrones»-Staffel eine große Enttäuschung. Welche Vorwürfe das Format sich gefallen lassen muss und wie das Fantasy-Epos endete.

Fast zwei Jahre haben «Game of Thrones»-Fans sich gedulden müssen. Doch die siebte Staffel der Serie, die vorletzte des Formats, gab genügend Anlass zu Diskussion. Elaborierte Theorien sponnen sich Fans über Jahre im Internet zusammen. Man sah sie förmlich vor sich, die Zuschauer, die vor Whiteboards Fotografien der Serienfiguren mit roten Fäden verbinden, um dem Kern dieses Fantasy-Epos‘ auf den Grund zu gehen. Die meisten Hoffnungen und Erwartungen dieser eingefleischten Fans, die selbst trotz 20-monatiger Pause so viel in eine Fernsehserie investierten, wurden letztlich enttäuscht.

Diese achte, finale «Game of Thrones»-Staffel mit sechs Episoden von knapp 380 Minuten Laufzeit – sie hielt nicht, was sie versprach und ernüchterte Fans so sehr, dass bis vor Ausstrahlung des Serienfinals am 19. Mai über eine Million Menschen eine Petition unterschrieben, dass den Autoren die kreative Kontrolle entzogen werden und die Staffel neu geschrieben und produziert werden soll. Was war geschehen?

Die Vorwürfe gegenüber Staffel acht


Um die Wut der Fans zu verstehen, für die «Game of Thrones» wohl in vielen Fällen die beste Serie aller Zeiten darstellt, muss man die Kritik thematisieren, die Zuschauer gegenüber der achten Staffel in den vergangenen Wochen vorbrachten. Eigentlich fing die achte Staffel für Fans so belohnend an, denn nach langer Wartezeit bekamen sie ungemein viele Momente zu sehen, die gerade Langzeit-Zuschauern und solchen die in der Zwischenzeit die gesamte Seriengeschichte rekapitulierten Glücksgefühle bescherten und etliche Kreise schlossen. Neben Jon Schnees und Danerys Targaryens Ankunft in Winterfell, Jons und Arya Starks Wiedervereinigung und der Begegnung von Jaime Lannister und Bran Stark nach dem Attentat des Lannister- auf den Stark-Spross im Serien-Auftakt, sorgte auch die Enthüllung um Jons wahre Identität für einen flotten Beginn, der viele Fans zufrieden stellte.

Dieser Staffelauftakt und auch die Folge danach verliefen erstaunlich blutarm, doch gerade die zweite der sechs Episoden sollte bloß die Ruhe vor dem Sturm darstellen. Sie diente als Spannungsaufbau für die große Schlacht von Winterfell, der größten Schlacht in der Fernseh- und Filmgeschichte, wie es schon Wochen vor Staffelstart in allen Medien hieß. Besonders emotional stark involvierte Fans entschädigte „Ein Ritter der Sieben Königslande“ für die erneute Action-Armut und wenig narrative Entwicklung. Stattdessen setzte Episode zwei ihren Fokus auf kryptische Rückblicke, intime Momente und die angsterfüllte Erwartung einer anstehenden epischen Schlacht. Andere Zuschauer, die weniger investierten, monierten dort bereits eine langatmige Füller-Episode.

Die „Schlacht von Winterfell“ als erster Wendepunkt


Kritikerspiegel der Finalstaffel

  1. "Winterfell": 92/100
  2. "Ein Ritter der Sieben Königslande": 88/100
  3. "Die lange Nacht": 75/100
  4. "Der letzte der Starks": 58/100
  5. "Die Glocken": 47/100
  6. "Der eiserne Thron": 57/100
Rotten Tomatoes
Doch dann kam sie, die heißerwartete Schlacht in Spielfilmlänge, die in vielerlei Hinsicht für brillante TV-Unterhaltung und eine inszenatorische Güte stand, welche im Fernsehen sonst wohl nirgendwo zu finden ist. Doch sie sorgte am Ende auch für kräftiges Stirnrunzeln, das sich nach Episode vier noch mehr manifestierte. Tatsächlich stand nach Abschluss dieser großen Schlacht die Erkenntnis, dass alle Fan-Theorien, die der Erzählung vom Kampf der Lebenden gegen die Toten einen tieferen Sinn bescheinigten, für die Katz waren. Es war tatsächlich nur das: Eine Schlacht, die nur einen Sieger kannte, wonach die Serie nicht mehr zurückblickte und sich mit den Eiszombies, die gerade noch die Menschheit auszulöschen drohten, nicht mehr befasste. Weder erfüllte irgendein Charakter eine antike Prophezeiung, noch stellte sich Bran Stark wie hypothetisiert als eins mit dem Nachtkönig heraus. Auch andere Theorien verliefen im Sande und die Serie blieb jegliche Erklärung für das Aufbegehren der Untoten schuldig. Letztlich wurden Zuschauer mit einem simplen Gut-gegen-Böse-Kampf ohne doppelten Boden abgespeist.

Dass diese Erkenntnis erst eine Woche später so richtig einsetzte, war der Tatsache geschuldet, dass viele Beobachter davon ausgingen, die Serie würde womöglich in der Episode nach der großen Schlacht Aufklärungsarbeit betreiben. Doch stattdessen widmeten sich die überraschend zahlreich verbliebenen Charaktere nun wieder dem serientitelgebenden Kampf um den Thron, der vor der Alles-oder-nichts-Schlacht in Winterfell doch noch so sekundär wirkte. Viele Fans waren ratlos, warum sich die Serienschöpfer David Benioff und D.B. Weiss so vor einer Auflösung der Weißen-Wanderer-Geschichte sträubten, obwohl mit ihr die Serie doch unmittelbar begann und der Handlungsstrang das Format über acht Staffeln unheilvoll begleitete.

Handlungsstränge, die im Nichts enden


Der große Vorwurf gegenüber der Finalstaffel von «Game of Thrones» liegt darin begründet, dass die Serie scheinbar Handlungsstränge und Charakterentwicklungen sorglos wegwirft, die sie vorher acht Staffeln lang behutsam aufgebaut hatte. Das Ergebnis ist, dass die Wege der schier unübersichtlich zahlreichen Charaktere der Show in der Retrospektive plötzlich einigermaßen bedeutungslos wirken. Eigentlich hätte es schon vor der Staffel klar sein müssen, dass 380 Minuten Laufzeit nicht genügen würden, um Charakteren ein würdiges Ende zu bescheren, die Zuschauer 3.810 Minuten begleiteten. So lange dauert es, die ersten sieben Staffeln der Serie zu schauen.

Der größte Ärger entlud sich nach der vorletzten Episode der Serie („Die Glocken“), insbesondere weil dort nun ungemein viele Charaktere ihr Ende fanden, deren Heldentod in Episode drei weniger Frust bereitet hätte als das lieblos herbeigeschriebene Ableben inmitten einer brennenden und kollabierenden Stadt. Daenerys Targaryens ungezügelter Wahnsinn, der durch Drachenfeuer die Westeros-Hauptstadt Königsmund im Kreuzzug gegen Cersei Lannister komplett verwüstete, sorgte bereits für ungläubiges Kopfschütteln gegenüber der Figur, mit der Zuschauer im Grunde seit Staffel eins mitfieberten und die nun selbst unschuldige Frauen und Kinder bei lebendigem Leib röstete. Doch abgesehen davon, dass einer ihrer Drachen noch nahezu beiläufig und kinderleicht in der Folge davor getötet worden war und das verbliebene Ungetüm nun schier unbezwingbar schien, war es noch eine der konsequenteren Figurenentwicklungen eines Charakters, der im Laufe der Staffeln mit immer mehr Hybris und Kaltherzigkeit vorging. Und es war eigentlich typisch «Game of Thrones», das schon seit Staffel eins darstellt, wie sehr Macht einen Menschen korrumpieren kann.

Es waren stattdessen die Figuren, deren Geschichte keine Auslösung fand, die Fans in Rage versetzten. Nach Ablauf der fünften Episode mussten sich Fans den Fragen stellen, welchen Nutzen die Figur des Euron Graufreud hatte und welche Bewandnis die Läuterung von Jaime Lannister, was die Sagen um die ach so mächtige Goldene Kompanie sollten, warum der Auftrag, dass Bronn Cersei Lannisters Geschwister töten soll relevant war, warum der Lannister-Königin eine Schwangerschaft in den Leib geschrieben wurde, ob der Racheakt von Sandor Clegane gegen seinen Bruder tatsächlich dessen einziger Antrieb über alle Staffeln war und wieso man die Prophezeiung, dass Cersei von einem ihrer Brüder getötet werden würde, nicht einfach zutreffen ließ. In der Realität enden Leben und Geschichten eben manchmal abrupt. Doch bei dramatischen Stoffen darf dies nicht der Fall sein.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich das Serienfinale schlug und mit welchem Fazit «Game of Thrones» endete.

Auch das Serienfinale spaltet Fans


Das Serienfinale vereinigte schließlich nochmal die schlimmsten und besten Facetten dieser umstrittenen achten Staffel. Einerseits wurde die Auflösung des Konflikts um Daenerys wieder überaus gehetzt herbeigeführt, sodass der dramatische Moment, in dem Jon seine Geliebte und gleichzeitig seine Tante erdolchte, gar nicht richtig wirken konnte. Andererseits hielt das Serienende ähnlich wie der Anfang von Staffel acht wieder einige befriedigende Momente für Fans bereit und ein übergreifendes Thema, das viele Zuschauer gar nicht auf dem Zettel hatten.

Nicht zuletzt die Symbolik des dahinschmelzenden Eisernen Throns durch Drachenfeuer ließ Zuschauer zur Erkenntnis kommen, dass diese Serie von der Wandlung einer mörderischen, dysfunktionalen und von Dynastien beherrschten, hin zu einer kollektivistischeren Gesellschaft handelt, die ihre blutrünstigen Ränkespiele allmählich hinter sich lässt. Zumindest wollte die Serie das dem Zuschauer nun als roten Faden verkaufen, denn was die Eiszombies, all die unerfüllten Prophezeiungen oder Brans mystische Fähigkeiten nun damit zu tun hatten, blieb weiter im Dunkeln.

Apropos Bran. Mit „Bran, dem Gebrochenen“ erhielt das Königreich einen Herrscher, den viele Fans vorab nicht antizipiert hatten. Das stieß einigen Zuschauern sauer auf, insbesondere als sein Thronanspruch damit begründet wurde, dass er die spektakulärste Geschichte aller verbliebenen Charaktere hinter sich hätte, obwohl er in Staffel acht im Grunde nur herumsaß. Tatsächlich ist Bran schon seit einiger Zeit einer der unbefriedigendsten Charaktere der Serie und wirkt eher wie ein narratives Mittel zum Zweck, weil er durch seine übernatürlichen Fähigkeiten leicht Informationen präsentieren kann, die sonst schwierig für den Zuschauer zu beschaffen wären – etwa, wo die White Walker sich aufhalten, alles Mögliche zur «Game of Thrones»-Vorgeschichte oder jegliche Geheimnisse bestimmter Figuren. Diese Informationen hat er aber immer nur bereitgestellt, wenn es für die Handlung gerade opportun erschien.

Masterplan oder inkohärentes Durcheinander?


Als Thronfolger macht Bran Stark Sinn, denn er ist eine Person, die nicht ansatzweise Gefahr läuft, die Fehler seiner Vorgänger durch falschen Stolz und Ego-Gehabe zu wiederholen und indem er keine Kinder zeugen kann, wird er auch nicht die nächste Dynastie beginnen. Westeros rückte tatsächlich ein wenig näher in Richtung Demokratie. Dass es in «Game of Thrones» letztlich eigentlich um Politik und Gesellschaft gegangen sein soll, wollen viele Fans nun nicht wahrhaben, auch wenn es in der Rückschau nicht ganz so weit hergeholt scheint. Daenerys Targaryen sprach in der Finalepisode mehrmals davon, „das Rad zerschlagen“ zu wollen, das innerhalb von Königsfamilien immer neue Tyrannen an die Macht bringt. Dieses Rad dreht sich schon seit Folge eins am Ende jedes Intros der Serie.

Wäre die Serie sich treu geblieben und hätte seine Fantasy-Elemente weiterhin nur als Vehikel für eine eigentlich sehr menschliche Sage im Stile Shakespeares verwendet, wären viele Fans wohl deutlich zufriedener mit dem Finale gewesen. Doch stattdessen sorgte ein Drache für den symbolischsten Akt des Finals und eine Art Zauberer wurde auf den Thron gesetzt. Was genau soll uns das nun über unsere wirkliche Welt sagen? Das Ende der Folge sorgte dann für eine Art Fan-Service-Gipfel. Als der neue Rat des Königs das erste Mal tagte, sahen Zuschauer, wie einige der größten Fan-Lieblinge nun die Geschicke der sieben Königslande leiten sollen, darunter Samwell Tarly, Davos, Brienne und vor allem Bronn, für den Fans im Vorfeld der Staffel ein besonders gutes Ende forderten und dies nun auch bekamen. Ein letzter Versuch, die Fans nach einer verkorksten achten Staffel zu befrieden?

Das wahre Problem von «Game of Thrones» ist nicht Staffel acht, sondern es sind alle Staffeln davor, die die Illusion eines narrativen Masterplans erzeugten, der nun dem Augenschein nach nie vorlag, auch wenn die Autoren dies glauben machen wollen. Letztlich sponnen die Schreiber derart viele verworrene Fäden zu einem unüberschaubaren Netz, dass sie die Enden vieler davon gar nicht mehr fanden und sich stattdessen komplett verhedderten. Die ungemein vielen Möglichkeiten und Ideen dieser reichen Welt schienen die Macher nur selbst ins Chaos zu treiben. Deshalb wählten sie in Staffel acht wohl auch lieber das Spektakel als die Geschichte.

Die Mammutaufgabe den geliebten Serienfiguren das Ende zu geben, dass sie verdienten, schlug damit fehl. Zeitgründe spielten eine große Rolle, ansonsten sorgten viele Entscheidungen aber schlicht für große Ratlosigkeit. Sieben Staffeln lang trug «Game of Thrones» den Titel der besten Serie aller Zeiten. Nun wird sie womöglich als Paradebeispiel für eine Serie in die Geschichte eingehen, die auf den Zielgeraden ihr Vermächtnis spektakulär gegen die Wand fuhr.
20.05.2019 11:21 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/109464