Netflix‘ «Lucifer»: So anders ist die Serie beim Streaming-Dienst

Nach der Rettung der Drama-Serie durch Netflix erschien am Donnerstag die erste neue Staffel beim Streaming-Anbieter. Was änderte sich durch den Anbieterwechsel am Format?

«Lucifer» und Netflix...

Im Mai sah es noch ganz danach aus, als werde «Lucifer» schon bald Geschichte sein - in den USA erklärte FOX damals, die Serie nicht fortsetzen zu wollen. Fünf Wochen später meldete sich dann aber Netflix zu Wort. Der Streaming-Dienstanbieter kündigte an, «Lucifer» doch die von Fans ersehnte vierte Staffel zu spendieren (mehr dazu hier).
Die Erleichterung bei Fans von «Lucifer» war groß, denn eigentlich hatten sich Fans schon auf das endgültige Ende der US-Serie eingestellt. Dem US-Sender FOX waren 3,3 Millionen Zuschauer pro Folge im Frühjahr 2018 letztlich zu wenig für eine Fortsetzung. Doch Fans des Formats, in dem Tom Ellis den Teufel spielt, der sich dazu entschließt, von der Hölle nach Los Angeles umzusiedeln, blieben hartnäckig. Nachdem sich unter dem Hashtag „#SaveLucifer“ Tausende von Beiträgen gesammelt hatten, die sich für den Fortbestand des Formats einsetzten, sprang Netflix in die Bresche. Seit Donnerstag ist beim Streaming-Anbieter weltweit die vierte Staffel beim US-Streaming-Dienst zu sehen. Deutschland stellt eine Ausnahme dar, wo Amazon Prime Video dank eines Deals mit Produzent Warner Bros. voerst die Streaming-Rechte behalten darf.

Die Chancen und Risiken neuer Möglichkeiten


Doch je näher die neue Staffel kam, desto größer wurden die Sorgen einiger eingefleischter Fans. Die zentrale Frage lautete: Wird sich die Serie treu bleiben? Immerhin hatten die Macher nun mehr Möglichkeiten und unterlagen nicht mehr den Einschränkungen des frei empfangbaren Fernsehens. Genau das hatten sich die Showrunner Joe Henderson und Ildy Modrovich gewünscht. Ein ums andere Mal soll FOX zu explizite Szenen verboten haben, beispielsweise in Staffel eins, als in einer Einstellung der blanke Hintern von Hauptdarsteller Tom Ellis zu sehen sein sollte. Dementsprechend äußerten sich Henderson und Modrovich nach der Netflix-Rettung, dass sie sich darauf freuen würden, nun auch mehr Horror, mehr Blut, mehr Kraftausdrücke oder mehr nackte Haut einfließen zu lassen, wenn es passt.

Und das sollte es auch, denn wenn sich «Lucifer» zu stark ändert, verprellt das auch die Fans. Viele davon lernten «Lucifer» besonders deshalb so lieben, weil die Serie eigentlich schon von Anfang an wie das perfekte Streaming-Format daherkam, Kurzweil bot und sich schnell durchschauen lassen ließ, anstatt mit zu viel Tiefgang zum Nachdenken anzuregen. Netflix gab sich auch deshalb vor der Staffel alle Mühe zu beteuern, dass man das Format unter keinen Umständen ändern wolle. Rein formal war dies aber schon der Fall, denn die vierte Staffel wurde auf zehn Episoden zurechtgestutzt. Eine regelrecht mickrige Episodenzahl, vergleicht man sie mit der 26 Folgen umfassenden dritten Staffel des Formats.

«Lucifer» ist emotionaler denn je


Seit Donnerstag durften sich Fans in aller Welt – und davon hat «Lucifer» viele – also einen Eindruck vom neuen Netflix-Format verschaffen. Kenner der Serie waren auch deshalb so gespannt auf die neuen Episoden und so schockiert von der FOX-Absetzung, weil Staffel drei auf einem Höhepunkt endete, als «Lucifer» seiner potenziellen romantischen Partnerin Chloe (Lauren German) sein wahres Ich offenbarte. Deshalb geriet Staffel vier von Anfang an emotionaler. Vorher war der Genre-Mix aus Fantasyserie und Police Procedural häufig auf die Kriminalfälle bedacht, die Chloe und «Lucifer» zusammen lösten, wobei der sehr spezielle Humor der Hauptfigur zu einem frivolen Sehvergnügen beitrug.

In Staffel vier geht es von Anfang an mehr auf die zwischenmenschliche Ebene und anstatt sich wie im Fernsehen üblich ganz einem „Fall der Woche“ zu widmen, schwingen die Gefühle, die die Selbstoffenbarung «Lucifers» bei Chloe in Gang setzte, die ganze Staffel über mit. Es ist wohl einer der offensichtlichsten Faktoren, der zeigt, wie «Lucifer» seine neue Rolle als reine Streaming-Serie annimmt und im Hinterkopf behält, dass die meisten Zuschauer viele Folgen am Stück und die Staffel in kurzer Zeit durchschauen werden. Die Nachwirkungen von «Lucifers» Enthüllung prägen daher alle neuen Folgen der Staffel, weshalb die neue Staffel tatsächlich düsterer wurde, aber anders als Fans vielleicht gedacht hätten.

Chloe fühlt sich von «Lucifer» verraten und dieses Gefühl überlagert auch deren Arbeitsbeziehung, denn weiterhin versuchen die beiden, Fälle aufzuklären. Generell müsste der Titel der Sendung in Staffel vier eher «Lucifer & Chloe» lauten, denn die Frauenfigur, die zu Beginn der Show eher ein Sidekick für den charismatischen Teufel war, gerät durch die Entwicklungen in der Geschichte immer mehr in den Fokus der Erzählung. Aus Fan-Sicht ist diese Entscheidung der Autoren durchaus gewagt, haben sich die Sympathien der Fans doch bislang vorwiegend um «Lucifer» selbst gedreht, der der klare Star des Formats war.

Wie «Lucifer» seine Rolle als Streaming-Format interpetiert


Der «Lucifer»-Cast

Die Hauptrollen in Lucifer spielen Tom Ellis («Miranda») als Lucifer Morningstar und Lauren German («Chicago Fire») als Chloe Decker. D.B. Woodside («24») ist als Lucifers Bruder Amenadiel, Lesley-Ann Brandt («A Beautiful Son») als seine Verbündete Mazikeen, Kevin Alejandro («True Blood», «Arrow») als Dan Espinoza und Scarlett Estevez («Daddy's Home») als Trixie zu sehen. Neu zum Cast stößt in der vierten Staffel Inbar Lavi («Imposters») als ziemlich gelangweilte und böse Eva.
Zugleich verzichtet «Lucifer» immer mehr auf Expositionen oder nutzt Szenen, um Zuschauern frühere Entwicklungen ins Gedächtnis zu rufen. Auch das liegt an den neuen Gegebenheiten bei einem VoD-Dienst. Im Network-Fernsehen musste «Lucifer» noch darauf bedacht sein, auch die Gelegenheitszuschauer abzuholen, die unregelmäßig einschalten und an die Hand genommen werden müssen. Der Abruf von «Lucifer» bei Netflix kennzeichnet dagegen eine bewusste Entscheidung des Nutzers, weshalb die Drama-Serie davon ausgehen kann, dass das Wissen der Abonnenten über das Format hinreichend ist, um der Erzählung folgen zu können, ohne dass zu viel rekapituliert wird.

Auch andere Freiheiten hat «Lucifer» nun. Besonders auffällig sind variierende Episodenlängen und etwas mehr Nacktheit. Dabei gelingt «Lucifer» jedoch stets die Gratwanderung, die Grenzen nicht so stark auszutesten, dass Fans von zu stärken Änderungen irritiert wären. Den nackten Hintern von Tom Ellis ließen die Macher sich diesmal aber nicht nehmen, genauso wie die Verwendung etwas derberer Sprache. Letztlich bewahrheiteten sich aber nicht die großen Sorgen, dass man die Serie nicht wiedererkennen würde bei Netflix. Seine DNA hat «Lucifer» nicht verloren.

«Lucifer» bleibt sich treu


«Lucifer»-Fakten:

  • Genre(s): Fantasy, Police Procedural, Dramedy, Horror
  • Vorlage: "Lucifer"-Comics (DC Vertigo)
  • Serienschöpfer: Tom Kapinos, Joe Henderson & Ildy Modrovich
  • Episodenzahl: 67 (4 Staffeln)
  • Drehort: Los Angeles
  • Produktionsfirmen: Jerry Bruckheimer Television, DC Entertainment & Warner Bros. Television
  • Weltpremiere: 25. Januar 2016 (FOX)
  • Deutschlandpremiere: 15. Juli 2016 (Amazon Video)
  • Vertreiber (seit 2018): Netflix
Was das für die Qualität der vierten Staffel bedeutet, würden Beobachter aber unterschiedlich interpretieren. Staffel eins erhielt damals noch sehr gemischte bis eher negative Kritiken, ehe sich der Kritikerspiegel von Staffel zu Staffel kontinuierlich verbesserte. Wer es bis Staffel vier schaffte, wird sich mittlerweile nicht mehr darüber aufregen, dass die Polizei-Ermittlungen zuweilen hanebüchen dargestellt werden und Satan höchstpersönlich als Berater der Polizei neben Mordopfern aus einem Flachmann trinkt und dabei ordinäre Witze reißt. Genau dafür lieben viele Fans die Serie sogar.

Fans des „alten“ «Lucifer» werden auch bei Netflix auf ihre Kosten kommen, während diejenigen, die sich vielleicht sogar auf eine deutlich düsterere, sexiere und verstörendere Fortsetzung gefreut haben, leicht enttäuscht sein werden. Das Format hält an seinem Humor fest und hangelt sich durch verschiedene kuriose „Fälle der Woche“, während die Musiknummern des Formats opulenter denn je daherkommen. Des Weiteren lässt der charmante Cast seine Albernheiten allerdings auch immer öfter hinter sich, um emotionaleren Szenen Raum zu geben, die dem Format bisher kaum bediente Facetten verleihen, auch wenn die Versuchung, zusätzlich Scherze einzubauen, diese teilweise mit dem Hintern wieder einreißt. Ein dichterer Erzählbogen lässt die neue Staffel schließlich in einem bittersüßen Ende kulminieren, nach dem auch alles hätte vorbei sein können. Wie wir Netflix kennen, wird der Streaming-Dienst aber nicht ausgerechnet jetzt Halt machen.
12.05.2019 11:55 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/109273