Der Fall Armin Wolf: In Deutschland undenkbar?

Die österreichische Regierungspartei FPÖ fordert die Absetzung eines kritischen ORF-Journalisten. Armin Wolf gilt als einer der besten seiner Zunft. Das passt den Populisten nicht. Allgemein fällt auf: Kritischer Journalismus stößt heute öfter auf massiven Gegenwind als noch früher. Das Ansehen der Presse hat gelitten. Das hat Gründe. Ein Kommentar.

Vergangenen Freitag war Tag der Pressefreiheit. Mit diesem Tag soll auf Verletzungen der Pressefreiheit sowie auf die grundlegende Bedeutung freier Berichterstattung hingewiesen werden. Dass Quotenmeter.de diesen Text nun einige Tage später veröffentlicht, ist gewollt. Jeder Tag sollte Tag der Pressefreiheit sein. Leitartikel, Glossen, Kommentare und kritische Interviews als Korrektiv für Wirtschaftsbosse, Politiker und Vereine sind ein wesentlicher Bestandteil unserer demokratischen Freiheit. Doch um das Ansehen und den Respekt für dem Berufsbild Journalist zum einen und der „Presse“ zum anderen steht es 2019 deutlich schlechter als noch vor ein paar Jahrzehnten – auch in Deutschland.

Die Fähigkeit, kritische Berichterstattung zu akzeptieren, ist längst in vielen Bereichen gesunken. Sie wird in zahlreichen Abteilungen abgetan als Werk eines unfähigen Schreibers. Und führt in extremen Fällen sogar dazu, dass Anzeigenabteilungen ins Schwitzen kommen, weil Aufträge storniert werden. Dabei sollten eigentlich doch die kritischen Medien besonders unterstützt werden. Sie erfüllen damit ihren Auftrag, der nicht heißt, Fanmagazin eines bestimmten Vereins, einer Firma oder einer Partei zu sein.

Wie stark der Gegenwind werden kann, wenn man kritisch berichtet, erlebt derzeit ein österreichischer TV-Moderator. Armin Wolf präsentiert seit 17 Jahren «ZiB2» und ist bekannt für seine messerscharfen Fragen und Analysen. Das missfällt seit geraumer Zeit der Regierungspartei FPÖ, die als rechtsgerichtet gilt. Deren Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache teilte vor etwas über einem Jahr bei Facebook ein Bild mit Wolf im News-Studio und ergänzte es um die Zeile: „Es gibt einen Ort, wo Lügen und Fake News zu Nachrichten werden.“ Der ORF klagte gegen diesen Post. Es folgte eine außergerichtliche Einigung, wie Armin Wolf nun erzählt.

Doch der Streit zwischen dem Moderator und der FPÖ geht weiter. Generalsekretär Harald Vilimsky, der zur Zeit auch Spitzenkandidat der EU-Wahl ist, schwang die nächste Keule. Wolf hatte in einem Interview mit dem Politiker ein Plaket der FPÖ-Jugend dem dem nationalsozialistischen Blatt „Stürmer“ gegenübergestellt und damit den Zorn der FPÖ auf sich gezogen. Vilimsky fühlte sich – abermals – ungerecht behandelt. In einem ZDF-Interview erklärte Moderator Wolf, dass seiner Vermutung nach etwas sehr Allgemeines hinter dem Zwist von ihm und der Partei stecke.



„Nämlich, dass populistische Parteien in aller Welt einen Grundkonflikt mit seriösen Medien und seriösem Journalismus haben. Das ist auch relativ verständlich: Seriöser Journalismus setzt per se auf Differenzierung, auf Argumente, auf den Appell an die Diskursfähigkeit seines Publikums.“ Populismus aber setze per Definition auf Vereinfachung und Emotion. „Deswegen berichten seriöse Medien auf der ganzen Welt üblicherweise kritisch über populistische Politik. Dazu kommt, dass Populisten traditionelle Medien als "Teil des Systems" verstehen, als Teil der Elite, die sie ja bekämpfen wollen“, so Wolf.

Der Zwist um Wolf findet in Österreich – und auch darüber hinaus – auf der großen Bühne statt. Dort, wo die Scheinwerfer nicht ganz so hell leuchten, gibt es aber ähnliche Situationen. Es gibt Berichte von (Lokal-)Journalisten aus Ostdeutschland, die bedroht werden. Schmähungen im Netz sind an der Tagesordnung. Und es gibt auch Anweisungen großer Unternehmen, sich unliebsamen Journalisten nicht mehr zum Interview zu stellen. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass nicht nur der 3. Mai Tag der Pressefreiheit ist.
06.05.2019 10:39 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/109090