Was hat die US-Late-Night zu bieten?

In Deutschland sind es vor allem Oliver Welke, Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf, die sich den Late-Night-Markt unter sich aufteilen. Das tägliche Late-Night-Format ist mit dem Rücktritt Stefan Raabs 2015 hierzulande ausgestorben, denn die genannten Namen produzieren nur wöchentlich. Anders sieht es dabei in den USA aus, wo der Markt am späten Abend prall gefüllt ist.

Die Zeiten, in denen der Zuschauer zu später Stunde zwischen wenigen Late-Night-Formaten wählen konnte, sind längst vorbei. Allein bei den großen Network-Sendern gibt es mittlerweile fünf verschiedene klassische Comedy-Talk-Show-Formate zu sehen. Hinzu kommen noch die beiden Shows, die bei den Kabelsendern TBS und Comedy Central laufen. Aber das ist noch längst nicht das Ende der Fahnenstange, denn das tägliche Spätprogramm mag damit zwar sein Pensum erschöpft haben, so stehen diverse unterschiedliche wöchentliche Programme zusätzlich bereit, um gesehen zu werden. Die großen Namen sind auch hierzulande bekannt, vor allem Jimmy Fallon wurde in der Vergangenheit immer wieder eine Plattform gegeben, beispielsweise bei One oder Joiz. Doch neben Fallon, Kimmel, Colbert und Co. gibt es noch jede Menge weitere Gesichter, die es sich lohnt anzuschauen.

Politsatire vs. Seichte Unterhaltung in der Primetime


Die Nummer eins am Late-Night-Himmel ist nun schon seit einiger Zeit Stephen Colbert mit seiner «Late Show» auf CBS. Der ehemalige «Daily Show»-Korrespondent, der später den endgültigen Durchbruch mit dem «Colbert Report» bei Comedy Central schaffte, zeichnet sich auch weiterhin durch messerscharfe Politsatire aus. Colbert baut seine Sendung von Montag bis Freitag rund um seinen Intro-Monolog auf, in dem er meist US-Präsident Trump und dessen Administration aufs Korn nimmt. Auch der zweite Programmpunkt drehte sich zumeist um das Thema Politik, bereits legendär sind seine ‚Hungry for Power Games‘ im Rahmen der Vorwahlen um das Präsidentenamt 2016, in denen er eine Persiflage der «Tribute von Panem»-Charakter Effie Trinket und Caesar Flickerman zum Besten gab.

Mittlerweile scheint der Trend aber ein wenig weg vom einseitigen Trump-Bashing und hin zu anderen, vermischten Themen zu gehen. Immer häufiger sitzt Colbert nach der ersten Werbeunterbrechung an seinem Pult und kündigt mit lautem Ruf die Rubrik ‚Meanwhile‘ an, in der er eben jene kuriosen Meldungen zusammenfasst und lustig verpackt. Diese Masche scheint anzukommen, denn der Letterman-Nachfolger erzielt nicht nur regelmäßige die größte Reichweite am Abend, sondern kommt inzwischen genauso gut auch beim jungen Publikum an, welches eigentlich immer Jimmy Fallon dominiert hatte.

Jimmy Fallons «Tonight Show» musste in den vergangenen Jahren seinen Status als unangefochtene Nummer eins im Geschäft nach und nach abgeben. Der Anfang vom Ende wird immer wieder in der berühmten Haarwuschel-Affäre beim damals noch Präsidentschafts-Kandidaten Trump gesehen, für die er viel Kritik einstecken musste. Fallon zeigte sich auch in folgedessen recht unpolitisch, was ihm wohl den Platz an der Sonne kostete, denn der Trend zu Anfang der Trump-Ära ging ganz klar in Richtung des politischen Witzes, auf den Fallon häufiger verzichtet, statt ihn wie Colbert breitzutreten.

Der gebürtige New Yorker setzt dagegen in jeder Sendung auf Spiele und Spaß und versucht seinem Publikum ein gutes Gefühl zum Abschluss des Tages zu geben. Unvergessen bleiben die zahlreichen Lip-Sync-Battles mit Showgrößen wie Ellen DeGeneres, Emma Stone oder Tom Cruise oder seine regelmäßigen Rubriken ‚Thank You Notes’ und das Hashtag-Spiel. Ganz auf Politik muss jedoch auch der Zuschauer nicht verzichten, denn in diesem Jahr findet auch das Thema Trump häufiger Einzug in seine Stand-Up-Monologe, jedoch bleibt dies in einem seichten und oberflächlichen Rahmen.

Ähnlich verhält es sich beim dritten großen Namen im Bunde der Primetime, Jimmy Kimmel. «Jimmy Kimmel Live!» gibt sich auch eher leichterer Unterhaltung hin, so lässt Kimmel weiterhin jedes Jahr die Halloween-Süßigkeiten kleiner Kinder stehlen oder kürt jährlich den Bauchplatsch-Champion. Besonders beliebt sind zudem seine regelmäßigen Analysen der Reality-TV-Formate des eigenen Senders ABC. Seit zwei Jahren zeigt sich Kimmel zudem auch von seiner emotionalen und privaten Seite, denn sein Sohn wurde mit einem Herzfehler geboren, was den Moderator zweimal zu einer Pause veranlasste, um sich nach den beiden Operationen um ihn zu kümmern.

Diese Emotionalität hat sich Kimmel im weiteren Verlauf allerdings behalten und bringt sie immer wieder bei politischen Themen ein. So forderte er bereits nach der Bekanntgabe der Geburt seines Sohnes, dass Obamacare keinesfalls von den Republikanern gestürzt werden dürfe. Auch im Anschluss an das Massaker in Las Vegas traf Jimmy Kimmel in seinem Monolog äußerst emotionale Töne und legte sich mit der amerikanischen Waffen-Lobby an. Im Sommer des vergangenen Jahres ging er dann sogar auf direkten Konfrontationskurs mit dem texanischen Politiker Ted Cruz, das in einem Basketball-Duell mündete und mehr als 80.000 Dollar an Spenden einbrachte.

Zu später Stunde gibt es zwei Herangehensweisen


Einen ähnlichen Konfrontationskurs fährt auch Seth Meyers ab 1:35 Uhr, der bei «Late Night with Seth Meyers» häufig einen besonders genauen Blick auf die täglichen Geschehnisse in Washington wirft, dafür aber meist hinter seinem Schreibtisch verbleibt. Seine Rubrik ‚A Closer Look‘ ist mit großem Abstand die beliebteste der Show. Darin erläutert er mit Biss und Witz seinem Publikum, was der Tag in der Politik bereithielt. Zudem gibt es noch die Kategorie ‚The Check In‘, in der Meyers ebenfalls politische Themen bespricht, die allerdings nicht ganz im Mittelpunkt der tagesaktuellen Medien stehen.

Aber ähnlich wie bei Colbert setzt die Late-Night-Show bei NBC in der jüngeren Vergangenheit auch auf Witze abseits der Trump’schen Politik. Vor knapp einem Jahr rief Seth Meyers die Rubrik ‚The Kind of Story We Need Right Now‘ aus, die einem ähnlichen Schema wie ‚Meanwhile‘ bei Colbert folgt und sich auf kuriose Geschichten aus der ganzen Welt stürzt.

Die Konkurrenz von Meyers um 1:35 Uhr heißt James Corden und moderiert auf CBS die «Late Late Show with James Corden». Dieser schlägt aber in eine ganz andere Kerbe der Unterhaltung. Der Engländer sorgt für die wohl seichteste Unterhaltung in einer täglichen Talk-Show, ist dadurch allerdings nicht weniger bekannt geworden. Wohl jeder hat schon einmal eines seiner ‚Carpool-Karaoke‘-Videos im Netz gesehen, die Rubrik, die es wie Fallons «Lip Sync Battle» zu einer eigenen Show geschafft hat. Erst kürzlich ging Corden damit viral, dass er dem ehemaligen Fußball-Star David Beckham einen Streich mit einer falschen Statue auflauerte. Für Corden steht vor allem eines im Vordergrund: Spaß. Wer politische Satire sucht, ist bei ihm an der falschen Adresse, aber genau richtig für gut gemachte Unterhaltung.

Politsatire im Wochenrhythmus


Einer der bekanntesten Namen abseits der großen Networks ist wohl John Oliver. Der Brite, der Sonntagabend mit seiner Sendung «Last Week Tonight» auf HBO läuft, ist vor allem bei Preisverleihungen ein gern gesehener Gast. Die Show heimste mittlerweile unter anderem zwölf Emmy-Preise und diverse weitere Nominierungen ein und startete im Februar in seine sechste Staffel. Das halbstündige Programm ist jedoch kein klassisches Late-Night-Format im engeren Sinne, denn Gäste zum Interview begrüßt Oliver selten in seinem Studio, er widmet seine Zeit lieber dafür, interessante Themen möglichst ausführlich zu beleuchten und verwendet nicht selten mehr als zwei Drittel seiner Sendungszeit dafür.

Die Themen drehten sich im vergangenen Jahr logischerweise häufig um US-Präsident Donald Trump, rücken aber auch andere Themen in den Vordergrund, die sonst nur selten eine große Plattform in den Medien finden. So ist das Segment über Fernsehevangelisten das dritterfolgreichste des YouTube-Channels der Show und registrierte bislang über 24 Millionen Zuschauer. Diese YouTube-Zahlen sind deshalb von Wert, da HBO bekanntermaßen ein Pay-TV-Sender in den USA ist und somit viele Menschen auf die Streaming-Plattform zurückgreifen, um den Hauptausführungen des Liverpoolers zu folgen.

Die Sendungen, die in einem wöchentlichen Rahmen ausgestrahlt werden, sind ohnehin sehr vielfältig. Eine weitere HBO-Sendung ist die freitägliche Sendung von Bill Maher «Real Time with Bill Maher». Das Besondere an diesem Format ist, nicht nur dass die Show live ausgestrahlt wird, sondern auch zur einstündigen Sendung noch eine ‚Overtime‘ direkt im Anschluss auf YouTube gestreamt wird, in der Zuschauer Fragen zur Sendung stellen können. Zudem sind die Gäste, die sich Maher zum Gespräch einlädt, selten irgendwelche Promis, die etwas bewerben möchten, sondern ausgewählte Experten, die sich mit den besprochenen Themen der Sendung bestens auskennen. Bill Maher, der bekannt für seine strenge Sicht auf die Dinge ist und oftmals kontroverse Standpunkte vertritt, ordnet die Ereignisse zusammen mit seinem Panel ein.

Australier und Kanadierin geben zusätzliche Blickwinkel


Nicht ganz so politisch fokussiert ist «The Jim Jefferies Show» auf Comedy Central. Der australische Comedian und Moderator Jim Jefferies richtet seinen Blick stets über den Tellerrand hinweg und widmet sich ähnlich wie sein englischer Kollege John Oliver auch Themen, die aktuell nur unzureichend in den Medien und Nachrichten behandelt werden. So reist er häufig für seine Comedy-Bits um den Globus, um beispielsweise die holländische und englische Polizei direkt bei der Arbeit zu begleiten oder erst kürzlich besuchte er die entmilitarisierte Zone in Südkorea.

Ähnlich wie Maher glorifiziert Jefferies nicht die amerikanische Kultur und Lebensweise so wie es manch ein anderer tut, sondern legt den Finger häufig in die Wunde und deckt unbequeme Wahrheiten über seine Wahlheimat auf. Berühmt wurde die Sendung nicht nur durch den Moderator selbst, sondern auch durch das Mitwirken von Superstar Brad Pitt, der in der ersten Staffel regelmäßig als Wetterfrosch eingesetzt wurde. Wie Jim Jefferies in einem Interview mit Conan O’Brien verriet, zahlte er dem Schauspieler sogar nur den SAG Mindestlohn von 400 Dollar. Zustande kam das Engagement durch das Interesse von Pitt selbst, der Fan des Australiers ist und daraufhin anfrangte, ob er bei der neuen Sendung mitwirken könne. Mittlerweile ist Brad Pitt jedoch nicht mehr Teil des Casts der Show, Seth Rogen übernahm diese Rolle und verkörpert seit diesem Jahr einen Wettermann, der sich positiv über den Klimawandel zeigt.

Eine weitere wöchentliche Late-Night-Show im Kabelfernsehen ist «Full Frontal with Samantha Bee», die einzige Sendung mit weiblicher Moderatorin. Wie der Name schon vorgibt, legt die Kanadierin schonungslose Analysen der aktuellen Nachrichten vor und trifft dabei meist einen eher derben Ton. Samantha Bee stammt aus dem Hause Comedy Central, wo sie zwölf Jahre als Korrespondentin unter Jon Stewart bei der «Daily Show» arbeitete und ihr Handwerk erlernt hat.

Für Aufsehen sorgte Bee vor zwei Jahren, als Donald Trump seine Teilnahme am jährlichen ‚White House Correspondents‘ Dinner‘ absagte und sie dann im Rahmen ihrer Show eine ‚Not the White House Correspondents‘ Dinner‘-Sonderausgabe ausstrahlte. Dafür gewann sie einige berühmte Stars, die mit Gastauftritten glänzen konnten. So trat Alison Janney in ihrer Paraderolle als C.J. Cregg aus der Politikserie «West Wing» auf und Will Ferrell gab seine Imitation von Ex-Präsident George W. Bush zum Besten. Der Event sammelte zusätzlich 200.000 US-Dollar für das Komitee zum Schutz von Journalisten.

Tägliche Late-Night-Shows im Kabelfernsehen


Aber das Kabelfernsehen hat nicht nur wöchentliche Late-Night-Unterhaltung zu bieten, sondern kann auch mit täglichen Programmen aufwarten. Das Bekannteste ist dabei die «Daily Show», die seit 2015 vom südafrikanischen Comedian Trevor Noah moderiert wird. Wie schon unter früheren Moderatoren ist die Sendung sehr politisch ausgerichtet und verzichtet auf sonstige Studiospiele und andere Skurrilitäten. Einzig die Beiträge der Korrespondenten wirken ab und an etwas absurd, stehen jedoch immer in einem politischen Zusammenhang.

Neben den Inhalten, die es im Fernsehen zu sehen gibt, gibt auch der sendungseigene YouTube-Kanal Spannendes her, denn dort werden regelmäßig sogenannte ‚Between-The-Scenes‘-Clips hochgeladen, die Noah dabei zeigen, wie er während einer Unterbrechung bei der Sendungsaufzeichnung mit dem Publikum spricht oder seine persönlichen Erfahrungen zu einem behandelten Thema schildert.

Wer ebenfalls eine interessante Netz-Präsenz aufweist ist Conan O’Brien. Der dienstälteste Late-Night-Host steht seit 1993 vor der Kamera, damals noch bei NBC. Doch nach dem «Tonight Show»-Fiasko zwischen ihm und Jay Leno ist er zu TBS gewechselt und verzückt dort ein kleineres Publikum. Nach neun Jahren auf Sendung legte er vergangenen Herbst jedoch eine kleine Pause ein, in der das klassische Format der Sendung etwas verändert wurde. Statt einer einstündigen Sendung ist O‘Brien seit Januar nur noch eine halbe Stunde von Montag bis Donnerstag zu sehen. Das Konzept ist wesentlich weniger straff geworden. So begrüßt er statt wie üblich zwei Gäste nur noch einen und sitzt nicht mehr an seinem Schreibtisch mit Eisenhower-Tasse, sondern unterhält sich in einem Sesselkreis mit Sidekick Andy Richter und dem Besucher und zeigt sich zudem lockerer – nicht mehr im Anzug.

Für seine breite Fan-Basis produziert er seit Herbst zudem einen circa einstündigen Podcast mit dem Titel «Conan O’Brien Needs A Friend», für den er ausschließlich die größten Stars aus dem Film- und Fernseh-Geschäft einlädt. Was die Sendung «Conan» auf TBS ebenso besonders gemacht hat, war, dass sie häufig in andere Städte oder wie zuletzt häufiger in andere Länder gereist ist. Unter dem Titel «Conan Without Borders» - die Sonderausgaben ist auch auf Netflix abrufbar – reiste die Crew zum Ende des Embargos nach Kuba und produzierte dort die erste Talk-Show jemals auf der Insel. Auch führte ihn der Weg nach Deutschland, Korea und Italien. Im Zuge der Grenzproblematik rund um Donald Trump zog es Conan zudem nach Mexiko, wo er den Trump-Duktus gekonnt auf den Arm nahm. Conan O’Brien zeigt sich zwar weitaus weniger politisch in seiner Comedy, doch ignoriert das vorhereschende Chaos der Präsidentschaft nicht. Seine Witze über das Weiße Haus finden zwar in einem weitaus kleineren Rahmen als bei Colbert, Meyers und Co. statt, nichtsdestotrotz verteilt er in jedem seiner Stand-Ups ein paar Seitenhiebe.

Während es in Deutschland ausschließlich Late-Night-Unterhaltung im Wochenrhythmus gibt, ist das amerikanische Programm wesentlich breiter aufgestellt. Jede Nische wird bedient und jeder Moderator hat seine eigene Herangehensweise, doch alle haben ein gemeinsames Ziel: das Publikum zu unterhalten. Dabei liegt die Politsatire ganz offensichtlich seit längerem im Trend und dies wird wohl in der nahen Zukunft auch nicht abebben, denn das nächste Rennen um die Präsidentschaft ist längst eröffnet und droht ähnlich chaotisch zu werden wie das Vorherige. Wenn ein Zuschauer mit der großzügigen Auswahl dennoch nichts anzufangen weiß, darf sich ab September auf ein frisches Gesicht bei NBC freuen. Lilly Singh wird Carson Daly nach 17 Jahren im Sendeplatz um 1:35 Uhr ersetzen und reiht sich mit «A Little Late with Lilly Singh» in die berühmte NBC-Reihe ein. Wie genau das Format aussehen wird, steht derzeit noch nicht fest, aber eines ist klar, eine neue Ära wird mit Singh als Moderatorin anbrechen, denn sie ist die erste Frau, die bei einem großen Network eine tägliche Late-Night-Show als Host fungiert.
10.04.2019 13:00 Uhr  •  Veit-Luca Roth Kurz-URL: qmde.de/108430