Herren-Tennis: Bühne frei für die jungen Wilden

Mit dem Turnier in Rotterdam startet die neue Tennis-Saison so richtig durch. Und es bahnt sich ein Umbruch an. Spieler, die die Tour seit Jahren dominierten, blicken dem Karriereende entgegen. Mit Sascha Zverev hat Deutschland einen Hoffnungsträger auf der Tour. Und danach? Wer ist die NextGen des Tennis? Mit Sky-Reportern haben wir den Tennis-Nachwuchs unter die Lupe genommen.

ATP Tour 2019

  • 9 Masters plus die Nitto ATP Finals 2019 in London
  • 13 Turniere der ATP World Tour 500
  • 42 Turnier der ATP World Tour 250
Mit dem Turnier in Rotterdam startet die neue Tennis-Saison so richtig durch. Und es bahnt sich ein Umbruch an. Spieler, die die Tour seit Jahren dominierten, blicken dem Karriereende entgegen. Mit Sascha Zverev hat Deutschland einen Hoffnungsträger auf der Tour. Und danach? Wer ist die NextGen des Tennis? Mit Sky-Reportern haben wir den Tennis-Nachwuchs unter die Lupe genommen.

Glaubt man einem zuletzt häufig gelaufenen Trailer im Sky-Programm, dann hat Alexander, genannt Sascha, Zverev, eine Herkules-Aufgabe vor sich. Er soll das deutsche (Männer)-Tennis wieder groß machen. Zweifelsfrei: Der 21-jährige Hamburger ist der große Hoffnungsträger des Deutschen Tennis Bundes und nicht zuletzt auch von Sender Sky. Zverev gewann im Vorjahr seine ersten großen Turniere, darunter auch die im Boulevard gerne als Weltmeisterschaft bezeichneten „ATP World Tour“-Finals im London, das Aufeinandertreffen der acht punktbesten Spieler eines Jahres.

Er ist auf jedem Belag stark, egal ob Rasen, Sand oder Hartplatz.
Stefan Hempel über Sascha Zverev
„Er hat eigentlich alles. Das komplette Paket“, gerät Stefan Hempel ins Schwärmen. Der Sportjournalist kommentierte für Sky zuletzt regelmäßig die wichtigsten Spiele beim Grand Slam in Wimbledon und ist auch regelmäßig als Kommentator bei der ATP World Tour unterwegs. Diese startet in dieser Woche mit dem ersten 500er-Turnier in Rotterdam. Zverev traut Hempel in diesem Jahr den nächsten Schritt zu. „Er ist auf jedem Belag stark, egal ob Rasen, Sand oder Hartplatz“, sagt Hempel. Zverev habe aber auch ein deutliches Problem, weiß der Sky-Mann. Es sind die großen Spiele, die der 21-Jährige bisher noch nicht erfolgreich gestalten konnte. Bei den Grand-Slams, also Wimbledon oder jüngst den Australien Open, erreichte Zverev die sich selbst gesteckten Ziele nicht. „Er muss da besser mit den Kräften haushalten. Er macht sich das Leben gegen schwächere Gegner schwer, müsste hier glatt gewinnen“, sagt Hempel mit Blick auf die Grand Slams, in denen es maximal fünf Sätze zu spielen gibt. Indem Zverev in den frühen Runden den ein oder anderen Satz mehr spielen muss, verliert er hintenraus an Energie. „Rafael Nadal macht das vorbildlich,“ lobt der Sky-Kommentator. Hempel setzt da vor allem auf Zverevs Trainer Ivan Lendl – er könne seinen Schützling auch mental so fit machen, dass er bessere Karten bei den ganz großen Duellen hat.

Sascha Zverev. Sohn des ehemaligen sowjetischen Tennisspielers Alexander Michailowitsch Swerew, der 1985 seine höchste Weltranglistenposition, nämlich Platz 185, erreichte. Ihn hat der Sohnemann längst überholt. Aber geht es wirklich hoch bis auf Platz eins? „Das ist eine große Sache, ihn auf dem Weg an die Spitze zu begleiten“, sagt Marcel Meinert, ebenfalls Tennis-Kommentator beim deutschen TV-Partner der ATP. „Sascha kommt jetzt dann ins beste Tennis-Alter und ich bin sehr optimistisch, dass er seine Ziele erreichen wird“, traut Meinert der deutschen Hoffnung Vieles zu.

Das Jahr Djokovic


Ich sehe einen großen Abstand zu allen anderen.
Paul Häuser über Novak Djokovic
Doch für 2019 sehen die Sky-Experten einen anderen Spieler ungeschlagen vorne. „Ich sehe eine sehr deutliche Dominanz von Novak Djokovic“, meint Paul Häuser. Der Sky-Mann veröffentlicht regelmäßig einen Tennis-Podcast und ist ebenfalls als Kommentator bei Tennis-Spielen im Einsatz. Der Weltranglistenerste und Champion der Australian Open scheint der Konkurrenz enteilt zu sein. An ein „Jahr Djokovic“ glaubt auch Stefan Hempel. „Er kann sich eigentlich nur selbst schlagen.“ Häuser traut Djokovic nach seinem 15. Grand-Slam-Titel sogar den Angriff auf die magischen 20 von Roger Federer zu. „Ich sehe einen großen Abstand zu allen anderen“, sagt Häuser, verweist aber auf eine interessante Statistik. In der so starken zweiten Jahreshälfte kassierte Djokovic nur drei Niederlagen. Und zwar allesam gegen Spieler der Kategorie „die jungen Wilden“: Gegen Zverev im Endspiel der World Tour Finals in London, gegen den jungen Griechen Stefanos Tsitsipas in Toronto und gegen den Russen Karen Khachanov im Finale von Paris-Bercy.

ATP Masters

  • März: Indian Wells, Miami
  • April: Monte Carlo
  • Mai: Madrid, Rom
  • August: Montreal, Cincinnati
  • Oktober: Shanghai, Paris
Es ist eine neue Generation der Tennis-Spieler. „Tsitsipas feierte mit seinem Halbfinal-Einzug in Melbourne den ganz großen Durchbruch, vor allem durch seinen Sieg gegen Idol Roger Federer im Achtelfinale“, sagt Paul Häuser über den 20-Jährigen. „Tsitsipas ist ein sehr extrovertierter, freizügiger und zugleich unbedarfter Typ“, charakterisiert ihn Meinert. „Er ist neben Zverev das größte Versprechen auf eine spektakuläre Tenniszukunft. Die Herzen fliegen ihm bereits jetzt schon zu. Das werden wir auch in Rotterdam gleich wieder beobachten können“, ergänzt Häuser.

Die ATP-Tour tut gut daran, die jungen Hoffnungsträger mehr ins Schaufenster zu stellen. Die Spieler, die den Sport in den zurückliegenden Jahren prägten, werden sich bald verabschieden. Djokovic, meint Häuser, könne zwar sicherlich noch drei oder vier Jahre auf hohem Niveau spielen, bei Roger Federer könnte die Ankündigung, dass er dieses Jahr auch auf Sand unterwegs sein wird, vielleicht auch ein Zeichen für einen nahenden Abschied sein.

Andy Murray, einst Sieger in Wimbledon, hat starke Hüftprobleme und zuletzt in einer emotionalen Rede schon vom Karriereende gesprochen. „Er hat sich jetzt noch einmal einer großen Operation an der Hüfte unterzogen. Ein ganz große Comeback sollte man zwar nicht ausschließen“, sagt Häuser, hält die Wahrscheinlichkeit aber für nicht unbedingt hoch.

Der junge Wilde


Ich kann mir vorstellen, dass er es – auf Strecke gesehen – schafft. Dazu muss er aber mental noch stärker werden
Marcel Meinert über Rudi Molleker
Aus deutscher Sicht gibt es ein paar junge Wilde. Alle drei Sky-Reporter haben vor allem Rudi Molleker auf dem Zettel. Der in der Ukraine geborene Deutsche ist aktuell gerade einmal 18 Jahre alt. „Er wird oft mit Sascha Zverev verglichen, liegt momentan auf Platz 180 der Welt“, weiß Meinert. „Ich kann mir vorstellen, dass er es – auf Strecke gesehen – schafft. Dazu muss er aber mental noch stärker werden“, sagt Meinert über den 18-Jährigen. Auch Häuser traut Molleker, der im Januar erstmals den Sprung ins Hauptfeld eines Grand Slams schaffte, zu, sich unter die Top 50 der Welt zu spielen. „Da hast Du wirklich eine Perle“, ist auch Stefan Hempel von dem Youngster überzeugt.

Neben Molleker gibt es noch ein paar andere Deutsche, alle um die 20 Jahre alt, die zumindest theoretische Chancen haben, in Richtung Weltspitze zu rücken. Da wären Louis Wessels, Marvin Möller oder Daniel Altmaier. Altmaier etwa aber war zuletzt stark verletzungsgebeutelt – „und das kann in dem jungen Alter natürlich schwerwiegend sein“, gibt Meinert zu bedenken.

International betrachtet gehört wohl auch Spielern wie Lorenzo Musetti (16, aus Italien) oder dem Österreicher Juri Rodionov die Zukunft im Tennis-Zirkus. Stefan Hempel hat auch Spieler wie Ugo Humbert (Frankreich) auf dem Zettel. Wie bei allen jungen Spielern gelte letztlich aber: Man müsse abwarten. „Viele Junioren-Spieler waren sehr stark, trotzdem ist Nichts aus ihnen geworden. Das ist anders als im Mannschaftssport. Der eine bekommt schnell Heimweh, weil man doch viel unterwegs ist, bei dem nächsten kommt die Liebe dazwischen“, erklärt Hempel. Im Junioren-Alter sähe es für Deutschland derzeit ohnehin dünn aus, sagt Meinert. „Wir haben aktuell nur einen Deutschen unter den Top 100 der Junioren-Weltrangliste. Bei den Junioren-Grand-Slams sucht man deutsche Spieler gerade vergeblich“, bemängelt der Tennis-Experte. Erst wenn man in die noch jüngere Jahrgänge geht, also zu den elf-, zwölf- oder 13-jährigen, gäbe es wieder Talente, die hoffen lassen. Für sie ist es dann ein noch recht weiter Weg bis ins Herren-Tennis. Und das wird sich in der nächsten Zeit ohnehin verändern.

Womöglich wird es in den kommenden vier, fünf Jahren deutlich mehr Spieler an der obersten Spitze geben als in den zurückliegenden fünf. Für den Tennis-Zirkus kann dies nur gut sein. „Ich freue mich vor allem auf weitere Duelle von Djokovic gegen die jungen Wilden“, sagt Paul Häuser.

Noch mehr Tennis bei Sky


ATP Tour 500

  • Februar: Rotterdam, Rio De Janeiro, Acapulco, Dubai
  • April: Barcelona
  • Juni: Halle, London
  • Juli: Hamburg, Washington
  • September: Peking, Tokio
  • Oktober: Basel, Wien
Sky hat Ende 2018 umfangreiche Tennis-Rechte verlängert. Neben der Verlängerung der Wimbledon-Rechte bis ins Jahr 2022 hat man sich für den Zyklus 2020 bis 2023 auch alle Turnier der 1000er-Serie der ATP, die meisten 500er-Turnier (Ausnahme sind hier Turniere in Deutschland) und ab kommendem Jahr auch ausgewählte 250er-Turnier gesichert. Ungefähr 15 der kleineren Turniere kann Sky zeigen. 500er und 1000er-ATP-Turniere laufen auch 2019 bei Sky. „Wir haben – unter anderem auch im Free-TV bei Sky Sport News HD – ja breite Möglichkeiten, über Tennis zu berichten“, sagt Stefan Hempel. Generell gäbe es viele Überlegungen, wie man den Tennis-Sport bei Sky noch besser abbilden könne. „Konferenzen zwischen mehrere Turnieren bieten wir bereits jetzt hin und wieder an“, erklärt der Kommentator. Und man überlege immer, ob und was man bei der Wimbledon-Berichterstattung noch optimieren könne.

Ein Grundsatz bleibe aber: „Wir sind nicht getrieben von anderen Inhalten. Bei uns wird kein laufendes Match im vierten Satz unterbrochen. Wir bleiben immer bis zum Ende drauf. Und: Der Ballwechsel ist für uns Kommentatoren heilig“, sagt Hempel. Es gelte der Grundsatz: Wie die Zuschauer in der Arena schweigen die Sprecher während der Ball fliegt. „Weniger ist beim Tennis manchmal eben mehr.“
11.02.2019 11:10 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/107112