Popcorn und Rollenwechsel: Academy Award Avengers Assemble

Die Academy überlegt, den Marvel-Cinematic-Universe-Cast durch die Oscar-Verleihung führen zu lassen. Eine großartige Idee!

Die Academy Awards verzichten zum ersten Mal nach Jahrzehnten darauf, in klassischer Form den Moderationsposten zu vergeben. Der Druck auf die Moderatorin oder den Moderator ist einfach zu Hoch, deshalb hat kaum eine Seele in Hollywood Lust auf den Job. Und die, die sich nicht selbst aus dem Rennen nehmen, haben keine Zeit für die langen Proben, sind zu kontrovers, zu unbekannt, um die sinkenden Quoten zu bekämpfen, oder bei einem Konkurrenzsender des übertragenden Networks ABC beschäftigt. Was also tun? Ganz einfach: Die Bürde auf mehrere Schultern verteilen. Viele, viele, viele Schultern. Viele, viele, viele, viele enorm bekannte Schultern. Viele, viele, viele, viele, viele, viele enorm bekannte Schultern, die bei einem anderen Arm des ABC besitzenden Disney-Konzerns für großen Reibach sorgen und die bestens für ihre Entertainerqualitäten bekannt sind:

Die Produzenten der Academy Awards wollen möglichst viele Gesichter aus dem Marvel Cinematic Universe dafür gewinnen, durch verschiedene Segmente der Oscar-Verleihung zu führen. Eine starke Entscheidung. Ja, die ersten Unkenrufe habe ich schon vernommen. "Überall dieser Comic-Schwachsinn!" "Konzernkrake Disney lässt seine Muskeln spielen." "Die Oscars werden endgültig zur High-Budget-Version der MTV Movie Awards." Und so weiter. Aber, mal im Ernst: Wer hat euch denn Kefir ins Hirn geschüttet?

Ja, der Cross-Promotion-Faktor ist das Zünglein an der Waage, das ABCs Konzernmutter Disney diese Grundidee schmackhaft macht. Aber: Bei den Oscars werden seit vielen Jahren die Präsentatorinnen und Präsentatoren mit ihren jüngsten Erfolgen oder kommenden Projekten angekündigt. Wenn man sich das nun sparen würde, und einfach die unvermeidlichen Anspielungen sprechen ließe, hätte man sogar den Cross-Promotion-Faktor bei den Oscars gesenkt. Die Umsetzung macht's, wie so oft. Zumal das Marvel Cinematic Universe nach 20 Filmen so umfangreich geworden ist, dass es eh ungeheuerlich schwer geworden ist, eine prestigeträchtige Oscar-Verleihung auf die Beine stellen, ohne hier und da auf Marvel-Veteranen zurückzugreifen.

Glenn Close, Tilda Swinton, Robert Redford, Michael Douglas, John C. Reilly, Michael Keaton, Sam Rockwell, Natalie Portman, Rachel McAdams, Benedict Cumberbatch, Kurt Russell, Cate Blanchett, Michael Stuhlbarg, Chiwetel Ejiofor, Lupita Nyong'o, Forest Whitaker, Angela Bassett – sie alle und viele mehr, die nicht primär mit Comicadaptionen in Verbindung gebracht werden, sind schon Teil des Marvel Cinematic Universe. Und auch dessen zentralen Mitglieder sind weit mehr als "die da aus den Comcifilmen".

Chris Evans spielte im Kritiker-Geheimtipp «Snowpiercer» mit (der ironischerweise ebenfalls auf einem Comic basiert), Robert Downey Junior ist genauso wie Jeremy Renner zweifach Academy-Award-nominiert, Mark Ruffalo hat sogar drei Nominierungen, Chris Hemsworth arbeitete mit Hollywoodlegende Ron Howard zusammen, Samuel L. Jackson ist laut einer italienischen Studie der einflussreichste Schauspieler aller Zeiten und Scarlett Johansson drehte unter anderem mit den Coen-Brüdern, Sofia Coppola sowie Spike Jonze. Und Bradley Cooper wird dieses Jahr höchst wahrscheinlich für einen Oscar nominiert.

So viel also zum Vorwurf, durch den Cast des «Avengers»-Filmuniversums würden die Oscars ihren Selbstanspruch verlieren. Nein. Die Academy würde schlicht ein riesiges Starensemble anheuern, das nicht völlig wahllos zusammengewürfelt ist, sondern einen assoziativen Kitt hat. Und vom bloßen Unterhaltungsfaktor, den viele Zuschauerinnen und Zuschauer den letzten paar Verleihungen abgesprochen haben, könnte man sich kaum größeres Potential ins Haus holen. Natürlich wird alles auch von der Regie und dem Skript abhängen, aber: Die Stars aus dem MCU sind multitalentiert und es gibt innerhalb des MCU zahlreiche perfekt eingespielte Untergruppen, was für eine kurze Doppel-, Dreifach-, Vierfach- oder Sonstwasmoderation ein Segen ist.

Eckdaten zur 91. Oscar-Verleihung

  • Bekanntgabe der Nominierungen: 22. Januar 2019
  • Ende der Abstimmung über die Oscar-Gewinner: 19. Februar 2019
  • Oscar-Verleihung: 24. Februar 2019
Man stelle sich vor, wie Downey Junior im Smoking und mit Whiskeyglas in der Hand versucht,  einen Eröffnungsmonolog im Rat-Pack-Stil zu halten, aber wiederholt von einem tanzenden Tom Holland in exzentrischen Kostümen unterbrochen wird. Jeremy Renner, Scarlett Johansson, Bradley Cooper und Zendaya singen die Anmoderation der Musikkategorien. Paul Rudd, Evengeline Lilly, Michelle Pfeiffer und Michael Douglas beklagen sich, dass sie die Kurzfilmkategorien präsentieren müssen.

Chris Hemsworth trägt tanzend und im halboffenen, nassen, weißen Hemd den Kostüm-Oscar herein.  Karen Gillan, Zoe Saldana und Pom Klementief machen einen Sketch über das beste Make-up. Michael Peña erzählt die Filme nach,  die in der Hauptkategorie nominiert sind.  Und erst nach dem Abspann prügeln sich zwölf Stars darum, wer den Gewinner für den besten Film verlesen darf, woraufhin Josh Brolin die Bühne betritt und die Dinge selber in die Hand nimmt. Also, ich fänd's fantastisch.
14.01.2019 18:16 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/106474