Die Kritiker: «Der Bulle und das Biest»

Mann mit Hund im Einsatz. Klingelt es? Besetzt mit einem sabbernden Bullmaststiff und Jens Atzorn versucht sich die Serie mit einer ungewöhnlichen Grundkonstellation. Was funktioniert und was nicht, sagt unsere Kritik.

Cast & Crew

  • Produzenten: Gerda Müller, Jan Kromschröder, Lasse Scharpen
  • Regie: Hanno Olderdissen u.a.
  • Autoren: Felix Binder, Malte Welding, Thomas Sieben u.a.
  • Kamera: Marco Uggiano
  • Produktion: Bantry Bay
  • Darsteller. Jens Atzorn, Franziska Wulf, Nora Huetz u.a.
  • Trainerin von Rocky: Renate Hiltl
Bis zu 600.000 Zuschauer verfolgten zuletzt Wiederholungen des Krimiklassikers «Kommissar Rex» im Programm des Best-Ager-Senders Sat.1 Gold. Die deutsch-österreichische Serie von damals, besonders prägnant mit Tobias Moretti in tragender Rolle, fasziniert also noch heute. Aus gutem Grund. Ihre Schöpfer brachten ein derart stimmiges, emotionales und zugleich spannendes Gesamtkonzept auf den Markt, wie es danach nur noch in Einzelfällen gelang. Nicht umsonst läuft die Serie – nach etlichen Darstellerwechseln – in Italien noch heute. Eine ähnliche Grundkonstellation liegt auch beim neuen Sat.1-Krimi-Werk «Der Bulle und das Biest» vor. Sehr viel mehr Gemeinsamkeiten lassen sich zu Beginn der Serie aber noch nicht feststellen.

Was das Format gut macht


Vorneweg: Die neue Produktion von Bantry Bay (Produzentin Gerda Müller feierte Sat.1-Erfolge mit «Der letzte Bulle» und war für den zuletzt großen Serienhit «Club der roten Bänder, VOX, verantwortlich) steht für den vielleicht neuen Weg der Sat.1-Fiction. In den zurückliegenden zehn bis 15 Jahren war Sat.1 in vielen Genres immer der fluffigste aller Sender. Schöne Charaktere, schöne Geschichten, schön glatt und stromlinienförmig, schöne Orte, schöne Welten. Ganz offenbar darf sich Sat.1 von einem 1a-Wohlfühlimage nun empanzipieren. Vielleicht aus gutem Grund: Dass die Quoten der x-ten RomCom nicht mehr zünden, war zuletzt zuhauf zu beobachten gewesen.

Insofern bringt «Der Bulle und das Biest» wirklich eine neue Tonalität ins Sat.1-Programm. Es wird rau, es wird ruppig und es wird derb. Eine Spur davon hatte ja auch schon «Der letzte Bulle», wobei hier noch etwas feinfühliger agiert wurde. Zudem wird gleich zu Beginn deutlich, welch wunderbare Nebenfiguren die Serie hat. Da gibt es beispielsweise die Nachbarin des Haupt-Akteurs; Nora Huetz spielt Sarah, die aber so gar keine Lust auf den Polizisten hat und nach einem gekonnten verbalen Schlagabtausch auch prompt wieder die Tür schließt.

Da wäre die Co-Ermittlerin Caro (Franziska Wulf), eine toughe Frau mit viel Power und Elan, die die Zuschauer gekonnt in die Geschichte zieht. Und dann ist da noch eine Geschichte, die zunächst im nebulösen verbleibt. Kommissar Elias hat offenbar eine Schwester, die gestorben ist. Und diese Schwester hat einen Partner, der noch heute um sie trauert, dann auf dem Weg weg vom Friedhof aber skrupellos über den Haufen gefahren wird. Warum und was einst genau passierte, das bleibt zunächst im Verborgenen.

Was das Problem des Formats ist


Der große Mut und die lauten Sequenzen sind zugleich aber ein Kernproblem der Serie. Anders als bei «Kommissar Rex» - und das war eine glasklare Entscheidung – herrscht zwischen Hund und Herrchen keine große Liebe. Der Hund ist zudem auch kein Vorzeige-Schäferhund, sondern ein 50 Kilo schwerer, dauersabbernder Bullmaststiff mit einer Kopfhöhe von sagenhaften 75 Zentimetern. Und er ist genauso ein Macho wie sein Herrchen Elias, der als kerniger Typ ohne sonderliche Gefühle über die Bildschirme läuft. Um zu zeigen, wie wenig sich Hund Rocky und Herrchen Elias verstehen, lassen die Macher kaum eine Möglichkeit aus. So beißt Rocky den Ermittler direkt zu Beginn in dessen empfindliche Stelle, nur um ihn Sekunden später auch noch direkt anzupinkeln. Dasselbe „Malheur“ passiert dem Hund übrigens auch später noch einmal, ausgerechnet auf den Ledersitzen von Elias‘ Wagen.

Elias‘ Entscheidung ist derweil klar. Der Hund gehört eingeschläfert. Mehrfach bringt er ihn in eine entsprechende Klinik und sogar die tödliche Spritze wird während der Auftaktepisode ausgepackt. Doch weil Elias erkennt, dass ihm der Hund wegen dessen ermittlerischer Fähigkeiten doch noch nützlich sein könnte, darf das Tier weiterleben. Genau mit dieser Sequenz, dem einfachen Wegschmeißen eines Hundelebens, dürfte Sat.1 den interessierten Zuschauer zunächst vergrätzen. Denn: Wer interessiert sich denn für eine Hunde-Krimiserie? Vermutlich zu nicht geringen Teilen selbst Hundehalter, die nicht gern mit der Thematik des Tötens eines Tieres konfrontiert werden wollen – und vor allem nicht auf diese Weise.

Es gäbe eigentlich viele Möglichkeiten, anhand derer darzustellen ist, wie schwer es sein kann, dass Mensch und Hund zueinanderfinden. Bantry Bay und Sat.1 haben die plumpesten und effektvollsten gewählt. Das ist nicht nur eine vergebene Chance zu tiefgründiger Erzählung, sondern möglicherweise auch ein Fehler. Was bleibt, ist eine Distanz zwischen dem Zuschauer und der Hauptfigur.

Ohnehin dominiert die Beziehung der beiden die Serie; sodass auch nicht gesagt werden kann, dass der Kriminalfall an sich Einschaltimpuls genug ist. Möglicherweise sind das – in den frühen Folgen – noch Kinderkrankheiten. Möglicherweise werten die Nebenhandlungen um die (nette?) Nachbarin und das Team auf dem Revier die Serie noch auf. Vielleicht erhält das Format mehr Charme, wenn Sabberhund Rocky und der coole Elias etwas aufgetaut sind. Vergleicht man aber die Kraft und Energie von „Endstation Wien“, der Pilotfolge von «Kommissar Rex», mit dem Sat.1-Neustart, so liegen nicht nur rund 24 Jahre dazwischen, sondern leider auch Welten.

Sat.1 zeigt «Der Bulle und das Biest» ab Montag, 7. Januar 2019 um 20.15 Uhr.
04.01.2019 12:00 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/106244