Die Kritiker: «Deutsch-Les-Landes»

In ihrer ersten Serie erzählt die Deutsche Telekom auf ihrem Streaming-Dienst MagentaTV eine deutsch-französische Culture-Clash-Komödie mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Christoph Maria Herbst als Gerhard Jäger
Roxane Duran als Chloé
Marie-Anne Chazel als Martine
Sylvie Testud als Odile
Sebstian Schwarz als Karsten
Jasmin Schwiers als Marion
Sophie Mounicot als Ghyslaine

Hinter der Kamera:
Produktion: Telfrance und Bavaria Fiction GmbH
Creator: Thomas Rogel, Alexandre Charlot und Franck Magnier
Headautoren: Alexandre Charlot, Franck Magnier und Peter Güde
Regie: Denis Dercourt und Annette Ernst
Kamera: Ludovic Tobaldi, Antoine Gueugneau und Philipp Haberlandt
Produzenten: Sandra Ouaiss, Moritz Polter, Oliver Vogel und Peter Güde
Das Grundstück von Martine (Marie-Anne Chazel), der Bürgermeisterin der südwestfranzösischen Kleinstadt Jiscalosse, wird von den wütenden Einwohnern mit Müll beworfen. Um den desolaten Kommunalhaushalt zu sanieren, musste sie die Grundsteuer um 150 Prozent anheben. Bei einem so revolutionsfreudigen Volk wie den Franzosen weckt das erbitterten Widerstand.

Wie es der Zufall so will, schickt buchstäblich der Himmel eine alternative Lösung: Ein exzentrischer Firmeninhaber aus Deutschland stürzt mit seinem Paraglider vor Martines Haus ab, und verliebt sich prompt in das malerische Örtchen am Meer, so sehr, dass er bald beschließt, seinen Unternehmenssitz samt aller Mitarbeiter vom hippen München in die Provinz des Départements Landes zu verlegen. Deutsch-Les-Landes – was für eine Symbiose.

In Bayern hält sich die Euphorie darüber in Grenzen – auch bei Gerhard Jäger (Christoph Maria Herbst), einem leitenden Angestellten und alleinerziehenden Vater eines pubertären Jungen, und Chloé (Roxane Duran), die zu ihrem Leidwesen schnell erkennt, dass der ganze Umzug indirekt auf ihrem Mist gewachsen ist: Bei der letzten Weihnachtsfeier hat sie ihrem Chef von der Schönheit ihres Heimatortes Jiscalosse vorgeschwärmt, auch wenn sie trotz dessen Hanges zur Exzentrik nicht ahnen konnte, wozu das führt. Sie hatte schließlich Gründe gehabt, um dem Dorf bis nach Oberbayern zu entfliehen: Ihre Mutter hielt ihre Big-Business-Träume für infantilen Quatsch und hat sie immer bedrängt, einmal das Hotel der Familie zu übernehmen. Kehrt sie jetzt in die Heimat zurück, ist ein Wiederaufflammen des alten Konflikts vorprogrammiert.

Aber es hilft ja nichts, lässt sich die Haltung der Deutschen zusammenfassen, mit der sie in ihre dicken schwarzen Dienst-Mercedes einsteigen und im geschlossenen Konvoi an die Atlantikküste tuckern. Dort bereitet man sich mit gemischten Gefühlen auf ihr Eintreffen vor: Um nicht sofort die Wunden der Geschichte aufzureißen, werden noch eilig die Denkmäler für die in den Weltkriegen gefallenen Soldaten der französischen Armee verdeckt. Doch während die vor Jahren in die Provinz versetzte Deutschlehrerin Odile (Sylvie Testud) Feuer und Flamme für die kulturelle Bereicherung ist, sind manch andere im Angesicht von zweihundert einfallenden Deutschen wenig begeistert – erst recht, als die anfangen, dort ein bisschen aufzuräumen.

Denn diese Deutschen sind nun einmal sehr… deutsch. Die Schotterstraßen auf dem Weg zum neuen Firmensitz zerkratzen die schicken Autos, die Fenster in den Natursteinhäusern sind bestenfalls zweifachverglast. Aber umfangreiche Baumaßnahmen nach deutschen Gepflogenheiten, bei denen auch noch liebgewonnene Bäume dran glauben müssten, rufen erbitterte Proteste hervor – und tun auch der designierten Vermittlerin Chloé, obwohl in ihrer Zeit östlich des Rheins effizient durchteutonisiert, in der französischen Seele weh. Trotzdem wird sie für ihre Heimat zunehmend zur Kollabo – und es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn sich nicht bald eine Résistance-Bewegung gegen die Germanifizierung Jiscalosses formieren würde.

Mit den sentimental erzählten Geschichten um Gerhard Jäger und Chloé bemüht sich «Deutsch-Les-Landes» von Beginn an um eine Erzählebene jenseits seiner Culture-Clash-Konstellation: Jäger fühlt sich nach Jahren des Single-Daseins zur kulturbegeisterten Odile hingezogen und hat dabei mit seinem Sohn zu kämpfen; Chloé muss sich einem alten Konflikt mit ihrer Familie stellen, während eine Wiederannäherung an ihren heißen Surfer-Ex ihre (jetzt) Fernbeziehung zu ihrem deutschen Boyfriend infrage stellt. Dramaturgisch ist das die goldrichtige Entscheidung gewesen, weil so ein breiterer Zugang zu diesem Format außerhalb seines thematischen Aufhängers möglich wird.

Christoph Maria Herbst und der Franko-Österreicherin Roxane Duran gelingt es derweil bravourös und mit herrlichem Gespür für Komik, die manchmal schrägen Verwicklungen ihrer Figuren wie deren originelle Lebensgestaltung durch ihr nahbares Spiel zu erden. Flankiert werden sie dabei von den in Frankreich bekannten Darstellerinnen Marie-Anne Chazel und Sylvie Testud, die ihre stereotyper angelegten Rollen nie zu Stichwortgebern degenerieren lassen.

Problematisch ist hingegen, dass die Grundkonstellation – Münchner Stadtmenschen ziehen in die Peripherie der Aquitaine – relativ schnell auserzählt ist: Die Eigenheiten und Vorurteile der einen Region gegenüber der anderen sind bekannt, und «Deutsch-Les-Landes» beschränkt sich weitgehend darauf, sie gebetsmühlenartig vorzutragen: Die weniger energieeffiziente und standardhörige Bauweise (Süd-)Frankreichs gibt den Boches Anlass, über die wirtschaftliche Lage Südeuropas zu spotten, während die germanische Regelbesessenheit die flatterhaften Franzosen wahnsinnig macht und der Deutschen Unkenntnis ihrer eigenen großen Dichter beim französischen Schöngeist Odile für Entrüstung sorgt. Obwohl die entsprechenden Streitpunkte und Unterschiede im Detail klug beobachtet sind, wiederholen sich diese Elemente sehr schnell. Zehn Folgen Laufzeit dürfte da vielleicht eine übertriebene Schlagzahl gewesen sein.

«Deutsch-Les-Landes» ist nette, nicht selten clevere, wenn auch erzählerisch manchmal müde Unterhaltung, die sich im gehobenen Drittel der links- wie rechtsrheinischen Serienproduktionen einreiht: irgendwo zwischen «Fais pas ci, Fais pas ca» und «Nix Festes», aber leider doch einige Meilen von «Dix pour cent» oder «Pastewka» entfernt. Bienvenue dans les Landes quand même!

Bei MagentaTV sind zehn Folgen von «Deutsch-les-Landes» ab Donnerstag, den 1. November abrufbar.
31.10.2018 03:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/104861