Christian Popp über «Alles oder Nichts»: „Spitz im Konzept, breit in der Ansprache“

Rund sechs Jahre nach dem Ende von «Anna und die Liebe» startet am Montag die neue Sat.1-Soap aus dem Hause Producers at Work. Mit Firmenchef Christian Popp haben wir über die mutige Grundstory der Daily genauso gesprochen wie über Fehler der Vergangenheit, die höhere Konfliktdichte im neuen Format und den Wunsch nach einer zweiten Sat.1-Daily.

Zur Person: Christian Popp

Christian Popp (51) arbeitete einst bei der UFA, unter anderem an «Verbotene Liebe» und «Bianca - Wege zum Glück». Vor rund zwölf Jahren gründete er Producers at work. «Mitten im 8ten» und «Schmetterlinge im Bauch» waren seine ersten Produktionen dort. «Anna und die Liebe» war die langlebigste PaW-Serie - und übrigens auch die Sat.1-Daily mit den bis heute meisten Folgen. Für Sat.1 setzte Popp's Firma auch «Wolff - Kampf im Revier», «R.I.S.» oder «Hand auf's Herz» um. Inzwischen produziert die Firma auch regelmäßig für andere Sender, etwa Das Erste («Der große Rudolph») oder das ZDF («Chaos-Queens»).
Herr Popp, am Montag startet Ihre neue Daily «Alles oder Nichts» im Fernsehen. Ist das für Sie dann auch das Ende einer langen Reise?
In gewisser Weise. Die erste Entwicklung des Projekts fand vor etwa zwei Jahren statt. Als die Entscheidung für die Serie dann im späten Frühjahr fiel, ging plötzlich alles sehr schnell. Wir produzieren jetzt gerade den sechsten Block. In den vergangenen Wochen war auf der Produktion also sehr viel Druck drauf.

Was war denn die Ur-Idee vor zwei Jahren? Wir wissen ja, dass sich in so einer Entwicklung dann immer noch etwas ändern kann…
Die Ursprungs-Idee war recht klar. Unser Pitch war eine Erben-Story, in der drei Underdogs in eine reiche Familie platzen.

Wo Sie von Underdogs sprechen: Das waren Sie ja auch. Denn Sat.1 hatte auch drei tägliche Serien von UFA Serial Drama – teils von sehr bekannten Soap-Machern – im Rennen. Haben Sie sich da selbst als Underdog gesehen?
Wir sind immer im Bewusstsein angetreten, dass wir hier ein starkes Format haben. Natürlich verfüge ich mit Producers at Work nicht über eine derart breite Struktur wie große Firmen. Das heißt: In der ganz heißen Phase, so sechs bis acht Monate vor der Entscheidung, muss ich mich dann auf ein konkretes Projekt konzentrieren. Ich bin froh, dass wir für «Alles oder Nichts» mit Aglef Püschel, mit dem ich schon bei «Verliebt in Berlin» gearbeitet habe, und mit Tamara Sanio und Jan Friedhoff sehr erfahrene Kreative um mich hatte.

Ist es als Grundsatzentscheidung zu verstehen, dass Sat.1 jetzt eine Daily Soap und keine Telenovela mehr macht?
Naja. Das ist eine grundsätzliche Frage, die Sie auch eher Sat.1 stellen sollten. Ich persönlich glaube, dass es grundsätzlich, unabhängig vom Genre, ein starkes Konzept braucht und dass eher von außen in diesen Genre-Grenzen gedacht wird. Ich kann also nicht ausschließen, dass ich in ein paar Jahren vielleicht mal wieder eine Telenovela erzähle. Im Sat.1-Vorabend gab es über fünf Jahre lang keine Telenovela mehr. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass der Zuschauer da eine romantische Geschichte erwartet. Wir erzählen eine Story, die spitz im Konzept ist und breit in der Ansprache.

Das heißt?
Wir machen allen Zuschauern um 18.30 Uhr ein breites Angebot. Wir müssen versuchen, uns aus allen Bereichen und von allen Programmen Zuschauer zu holen, die dann täglicher Begleiter unserer Geschichte werden. Das spitze Konzept und die breite Ansprache werden uns bei der Kommunikation helfen.

Sie setzen nun deutlich mehr auf Konflikte als bei «Hand aufs Herz» oder «Schmetterlinge im Bauch», Ihren früheren Sat.1-Dailys. War das ein zentrales Learning?
Beide Formate liegen rund zehn Jahre zurück. Die Zeiten haben sich schlichtweg geändert. Gleichgeblieben ist, dass es uns wichtig ist, ein einzigartiges und neues Angebot zu machen. Wir haben analysiert, was momentan im Vorabendprogramm läuft und was auch andere tägliche Formate machen. Also haben wir uns für eine Serie entschieden, die sich vom Stil und der Tonalität klar abgrenzt. Was wir bei «Anna und die Liebe» gelernt haben, ist: Eine gute Daily braucht starke Drama-Geschichten. Nur durch sie schafft man eine große Bindung zum Zuschauer.

Eine solche Serie braucht klare Antagonisten. Diese Figuren helfen auch, wenn man sich eines Crime-Plots bedienen will, ohne das eigentliche Format direkt zu verlassen.
«Alles oder Nichts»-Produzent Christian Popp
Aber Charaktere wie Gerrit Broda oder David Darcy sind doch schon das Salz in der Suppe?
Eine solche Serie braucht klare Antagonisten. Diese Figuren helfen auch, wenn man sich eines Crime-Plots bedienen will, ohne das eigentliche Format direkt zu verlassen. Wenn wir nur sehr viele Alltagsstorys erzählen, dann lassen sich die Geschichten nur schwer dramatisch zu einem großen Bogen steigern. Das ist zum Beispiel etwas, das die Soaps von RTL ziemlich gut schaffen.

Da kam Doktor Gerner kürzlich sogar lebendig unter die Erde.
Und er ist wieder auferstanden.


Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie beurteilt Christian Popp seine ehemalige Daily «Anna und die Liebe» heute und welche Gedanken hatte er beim Kulissenbau für seine neue Sat.1-Soap?


Kurzer Rückblick: Wie sehr bereuen Sie heute eigentlich die misslungene dritte «Anna und die Liebe»-Staffel? Stichwort: Geist Jonas…
Gar nicht. Das ist eben so. Dass Autoren Geschichten geschrieben haben, die das Publikum nicht angenommen hat, gab es schon bei den erfolgreichsten Genre-Vertretern. Die Geschichte mit dem Geist war für «Anna und die Liebe» sicherlich eine Grenzerfahrung. Aber tägliche Serien müssen im Laufe der Zeit eben ihre Grenzen austesten. Wenn das Quotenpolster eines Formats nicht so groß ist, dann kommt der Punkt schneller, an dem man in einem solchen Fall unter den Senderschnitt rutscht. Ich habe übrigens gehört, dass andere Soaps schon Geschichten rund um Außerirdische erzählt haben. Wir waren also nicht ganz allein mit unserem Geist.

Tägliche Serien müssen im Laufe der Zeit eben ihre Grenzen austesten.
«Alles oder Nichts»-Produzent Christian Popp
Sie machen jetzt eine Daily Soap, die quasi ewig laufen kann. Ihr Ursprungskonzept aber, spitz wie es ist, wird sich nur eine begrenzte Zeit erzählen lassen. Irgendwann sind die unehelichen Kinder wohl angekommen. Und dann?
Manchmal wundert man sich sogar als Serienmacher, wie lange man bestimmte Konstellationen erzählen kann. Ich denke da an «Verbotene Liebe». Es ist kein Geheimnis, dass ich immer ein großer Fan der Serie war. Auch diese hatte ganz zu Beginn ein sehr spitzes Konzept, das man über viele Jahre erzählen konnte. Es ist immer die Frage, wie man etwas weiterentwickelt. Das Herzstück unseres Konzepts ist letztlich das Aufeinandertreffen von Figuren aus der Ober- und Unterschicht. Brandaktuelle Themen wie die Spaltung der Gesellschaft sind elementare Teile unserer Erzählstrategie. Die Figuren führen einen Kampf um das Beste für sich und für sowie gegen Andere. Ich denke, dass man daraus sehr gut einige Jahre schöpfen kann.

Im Überblick: Alle bisher von Sat.1 gezeigten Soaps: Laufzeit, Prämisse, Produktion und Handlung


Sie haben, vor allem was die Welt des Immobilien-Moguls Brock angeht, beeindruckende Kulissen gebaut. Schwingt da bei Ihnen Stolz mit?
Auf Kulissenbau bin ich ehrlich gesagt nicht unbedingt stolz. Grundsätzlich hat sich die Frage gestellt, wie ich es schaffe, die Konfliktlinie zwischen Arm und Reich auch in diesem Bereich darzustellen. Wir haben sie im Konzept sehr deutlich, wie kriegen wir sie ins Bild? Wir haben uns umfassende Studien von US-Serien angeschaut – etwa von «Succession» oder «Dynasty». Sehr deutlich ist, dass der zentrale Punkt war, wirklich groß zu bauen. Also haben wir große Motive, letztlich aber insgesamt nicht sehr viel mehr Fläche als andere Dailys.

Kurzum: Es sind weniger Motive, die dafür aber größer sind. Bei der Farbgebung haben Sie in der Brock-Welt natürlich auf Gold, sonst aber auf wenig Grelles gesetzt. Warum?
Wir haben zum Beispiel viele glänzende Oberflächen gewählt. Das sollte man eigentlich nicht machen, weil das bei der Produktion Probleme bereiten kann. Aber die reiche Welt ist eben glänzend. Der Boden spiegelt, alles glitzert.

Was auffällt: Sie erzählen recht schnell. Erhoffen Sie sich, dass die Menschen weniger Folgen verpassen, weil sie sie On Demand gucken können und dass Sie deshalb ein höheres Tempo anschlagen können?
Eine interessante Frage. Früher hatte man oft am Wochenende Wiederholungs-Strecken. Heute löst man das online. Dass wir zu Beginn ein hohes Tempo anschlagen, hat aber einen anderen Grund. Wir wollen uns mit der Exposition nicht lange aufhalten. Die Exposition der Figuren findet stark über die Handlung statt, da steigen wir hoch ein und halten dieses Niveau auch eine ganze Zeit lang. Direkt zu Beginn haben wir ein unglaubliches Tempo und wirklich viele Konflikte. Gerade die Intrigen- und Business-Storys sind wahre Szenenfresser. Im Laufe der Zeit wird sich das Tempo aber etwas entschleunigen.

Sind Sie eigentlich froh, dass Sat.1 Ihnen als Lead-In ein Magazin hingebaut hat? Vor «Verliebt in Berlin» lief dieses Genre ebenfalls. Oder sind Sie besorgt, weil die 18-Uhr-Quoten aktuell nicht so rosig sind?
Ich bin zunächst froh, dass wir den 18.30-Uhr-Slot bekommen haben. In gewisser Weise ist dieser ja erprobt. Das Umfeld hat sich durch die RTL II-Dailys zwar inzwischen geändert, aber wir waren mit «Anna und die Liebe» auf diesem Sendeplatz sehr erfolgreich. Ich bin auch froh über «Endlich Feierabend» - aus mehreren Gründen. Es verleiht dem Sender klar den sehr notwendigen redaktionellen Stempel. Sat.1 erfüllt damit eine Aufgabe, die ein Sender auch erfüllen muss aus meiner Sicht. Zudem bietet ein solches Format schöne Möglichkeiten zur Cross-Promo.

Letztlich geht es darum, eine Serie auch mal durch eine Erzählflaute zu bringen. Ohne Stütze durch ein solches Tal zu gehen, ist schwer. In so einer Phase verliert man Zuschauer, kann aber nur neue Zuschauer hinzugewinnen, wenn es im Umfeld ein zweites Daily-Format gibt.
«Alles oder Nichts»-Produzent Christian Popp
Und dass Sie gerne mal – so wie es auch RTL macht – eine zweite Soap hinzubauen möchten, ist ein abwegiger Gedanke?
Auch hier muss ich an den Sender verweisen. Aus meiner Sicht würde man mit einer zweiten, starken Soap eine Serie wirklich langfristig über viele Jahre hinweg etablieren. Letztlich geht es darum, eine Serie auch mal durch eine Erzählflaute zu bringen. Ohne Stütze durch ein solches Tal zu gehen, ist schwer. In so einer Phase verliert man Zuschauer, kann aber nur neue Zuschauer hinzugewinnen, wenn es im Umfeld ein zweites Daily-Format gibt. Denken Sie mal an «Bianca» im ZDF, die erste ZDF-Nachmittags-Telenovela. Die gab es vor «Sturm der Liebe» und obwohl die ARD später dran war, hat sie «Sturm der Liebe» langfristig etabliert. Weil man mit «Rote Rosen» schnell ein zweites Format geschaffen hat, das die Quotenentwicklung stabilisieren konnte.

Dann haben Sie ein Konzept schon in Ihrer Schreibtisch-Schublade?
Nein, das habe ich nicht. Wenn ich es aber hätte, dann würde ich es nicht sagen. (lacht) Uns geht es jetzt erst einmal darum, «Alles oder Nichts» erfolgreich zu starten.

Danke für das Gespräch und alles Gute für den Start der Serie am Montag um 18.30 Uhr in Sat.1


21.10.2018 14:31 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/104591