Die Kritiker: «Toulouse»

Matthias Brandt und Catrin Striebeck treffen sich in dieser schwarzen Komödie des «Braunschlag»-Schöpfers an der französischen Riviera. Es lohnt sich, über ein paar dramaturgische Schönheitsfehler hinwegzusehen...

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Catrin Striebeck als Silvia
Matthias Brandt als Gustav

Hinter der Kamera:
Produktion: Hessischer Rundfunk
Drehbuch: David Schalko
nach seinem gleichnamigen Bühnenstück
Regie: Michael Sturminger
Kamera: Wolfgang Thaler
Gustav (Matthias Brandt) ist von seiner Ex-Frau Silvia (Catrin Striebeck) an die französische Riviera bestellt worden. Seiner aktuellen, eineinhalb Jahrzehnte jüngeren Gattin, die von ihm sehr zu Silvias Entsetzen ein Kind erwartet, hat er erzählt, er werde eine Konferenz in Toulouse besuchen, in deren Rahmen er seine Firma an einen gewissen Moskovitz veräußern will.

Tatsächlich verhandelt er jedoch die nächsten Stunden mit seiner Ex-Frau seine alte Ehe. Wechselseitig werfen sie sich ihre persönlichen Unzulänglichkeiten vor, mäandrieren zwischen Anziehung und Abstoßung, schlafen hin und wieder fast miteinander, erleiden Tobsuchtsanfälle, manipulieren und beleidigen sich, trauern einander nach. Stück für Stück schaukelt sich der Konflikt hoch, bis am Schluss – wie in einer etwas kruden Mischung aus «Who’s Afraid of Virginia Woolf?» und dem «Rosenkrieg» – die völlige Eskalation steht.

Gustavs Plan, sein Treffen mit der Ex vor seiner derzeitigen Partnerin geheim zu halten, machen derweil aktuelle Ereignisse einen Strich durch die Rechnung: In Toulouse ereignet sich ein fürchterlicher Terroranschlag (von dem Gustavs derzeitige Frau freilich lange vor ihm Kenntnis erlangt), und sein Geschäftspartner ergreift die Gelegenheit beim Schopfe, seinen vermeintlichen Tod als den Beginn eines neuen Lebens umzufunktionieren.

Vor allem mit letzteren, tiefschwarz-komödiantischen Elementen ist Drehbuchautor David Schalko, der mit grandiosen Formaten wie «Braunschlag» und der legendären «Sendung ohne Namen» auch weit über die Grenzen seiner österreichischen Heimat hinaus Bekanntheit erlangt hat, ein launig-düsterer Stoff gelungen. Nicht nur wegen der ausbleibenden Szenenwechsel – der gesamte Film spielt in einem Hotelzimmer samt opulentem Balkon, – der minimalistischen Anzahl an Figuren und der Abwesenheit von Zeitsprüngen ist aber rasch erkennbar, dass er ursprünglich für die Bühne vorgesehen gewesen ist.

Dieser Film lebt eher von seiner Präsentation als von seinem Inhalt, eher vom langsamen Abdriften ins Skurrile, ins Überkandidelte und Extreme als von einer ernsthaften Begegnung mit seiner Kernthematik. Gleichzeitig gelingt Autor Schalko und Regisseur Michael Sturminger jedoch eine stimmige Balance zwischen der Entwicklung von Handlung und Figuren und den flotten Gags, die die Geschichte nie völlig der Lächerlichkeit preisgeben dürfen.

So stört es auch nicht sonderlich, dass «Toulouse» am Schluss jedwede Hemmungen verliert, sich ins Abstruse, aber nicht gänzlich Undenkbare abzuschießen – auch wenn dabei so manche logische Lücke klaffen darf. Man mag anführen, dass jenseits der mit großem erzählerischen und vor allem schauspielerischen Gespür für Komik vorgetragenen kuriosen Verwicklungen nicht viel Substanzielles von diesem Film bleibt, dass der Kaiser nackt ist oder zumindest nicht in Toulouse weilt. Aber einen äußerlich so gelungenen Stoff, der mit so viel aufrichtiger Freude geschrieben und gespielt zu sein scheint, will man gar nicht so recht auseinandernehmen. Er ist geglückt, so wie er ist – trotz oder wegen so mancher Fehler.

Das Erste zeigt «Toulouse» am Mittwoch, den 12. September um 20.15 Uhr.
11.09.2018 10:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/103673