Vollprogramme sind so 90er

Mit der Reduzierung der «RTL II News» könnte RTL II seinen Status als Vollprogramm verlieren. Doch benötigt man so eine Auszeichnung überhaupt noch?

Andreas Bartl könnte die Lage der privaten Vollprogramme für immer verändern. Die Münchener Fernsehstation RTL II kürzte ihre zum September 2018 ihre Nachrichten um ein paar Minuten, strich die Wochenendausgaben und ab 2019 sollen die Nachrichten von der RTL-Firma infonetwork kommen. Das gefällt der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) gar nicht.

ZAK-Vorsitzender Thomas Fuchs sagte dem „Hamburger Abendblatt“, dass man derzeit überprüfe, ob RTL II den Status des Vollprogramms verlieren könnte. Bereits am 17. September 2018 trifft sich das Gremium und wird diese Frage debattieren. Im Umfeld der ZAK heißt es, dass RTL II schon bisher an der Untergrenze des Informationsauftrages arbeite. In der Branche orientieren sich die Fernsehsender daran, dass sie 15 Minuten Nachrichten pro Tag senden. Allerdings steht dies nicht im Rundfunkstaatsvertrag. Weil die Sender in den 90er Jahren in die Kabelnetze wollten, erfüllte man die Pflichten.

Der Status eines Vollprogramms hat Vorteile: Sie bekommen einen Platz im Kabelnetz und sind in den elektronischen Programmführern prominenter gelistet. Da allerdings die analogen Kabelnetze abgeschaltet werden, muss sich RTL II auch nicht von Spartensendern unterscheiden. Der frühere Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland musste Vollprogramme, Regionalprogramme und Sender mit Regionalfenster besser listen als beispielweise Spartensender.

Inzwischen können aber tausende Sender im digitalen Kabelnetz eingespeist werden. Die steigenden Marktanteile von ZDFneo, Nitro, ProSieben Maxx und sixx zeigen, dass die Kanäle gefunden werden. Die ZDF-Ableger ZDFinfo und ZDFneo waren nie im analogen Kabelnetz vertreten. Ein Sprecher von Vodafone teilte Quotenmeter mit, dass Vollprogramme wohl auch nicht ihren Kabelplatz verlieren, wenn ihnen der Status als Vollprogramm aberkannt wird.

Durch die Digitalisierung sind die Vollprogramme überflüssig geworden. Den Titel „Vollprogramm“ kann sich RTL II-Chef Andreas Bartl an seine Wand hängen, allerdings bringt ihm dieses Schriftstück derzeit keinen Vorteil. Stattdessen geht er einen konsequenten Schritt und kürzt die Nachrichten zusammen – bis sie wohl in einigen Jahren völlig verschwinden. Das könnte auch bei den Sendern ProSieben, kabel eins und VOX kommen, denn die Nachrichtensendungen waren in den vergangenen Jahren ohnehin nicht besonders gut.

Immer wieder wurden die Nachrichten von RTL II dafür gelobt, dass sie junge Menschen an die Politik heranführen. Nur rund drei Minuten stehen politische Themen im Mittelpunkt, danach sind die Inhalte auch nicht mehr von einem Boulevardmagazin unterscheidbar. Ohnehin sind die privaten Nachrichten – mit Ausnahme von RTL – eine ziemliche Bankrotterklärung. Diese gehen nie in die Tiefe, sondern kratzen an der Oberfläche.

Der junge ProSiebenSat.1-Boss Max Conze will in die Nachrichtenangebote seiner Sender investieren. Das ist ein guter Schritt, denn die aktuelle Situation ist lediglich eine Pflichterfüllung. Die Sender sollten selbst entscheiden dürfen, ob sie Nachrichten zeigen. Im Falle von RTL gehören die Nachrichten zu den erfolgreichsten Sendungen. Anders sieht es bei VOX aus: Dort laufen die Hauptnachrichten zwischen Mitternacht und zwei Uhr. Und scheinbar ist es auch niemanden aufgefallen, dass der Sender seit Jahren keine Nachrichten am Wochenende sendet.
10.09.2018 17:50 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/103670