RTLs neue «Freundinnen»: Verfahren in der Zeitmaschine?

Eines ist sicher: Schlagerfans kamen voll auf ihre Kosten. Und nicht nur die: Frisch, mutig und peppig ist die neue Serie, könnte aber an einem großen Manko scheitern.

Jetzt erst Recht. Das mag in zweierlei Hinsicht der Grundgedanke bei der Konzeption der neuen RTL-Daily für den 17-Uhr-Slot gewesen sein. Zum einen natürlich auf inhaltlicher Ebene, aber auch im übertragenen Sinne, ist «Freundinnen - Jetzt erst Recht» doch bei Weitem nicht der erste Versuch des Kölner Senders, um diese Zeit eine Daily zu installieren. In der Vergangenheit scheiterten auf dem Slot aber Neustarts - etwa «Ahornallee» oder «Berlin Models». Die nun angelaufene UFA-Serial-Drama-Produktion will es daher nicht nur besser, sondern ganz anders machen.

In der Tat ist die Prämisse der täglichen Serie, die explizit keine klassische Soap sein will, eine Neuartige. Vier Mädels treffen sich immer nach Feierabend, also stets um 17 Uhr, in ihrem Lieblingsbistro und erzählen von ihren zurückliegenden 24 Stunden. Dabei soll, so sieht es das Konzept der Sendung vor, immer die Geschichte einer Frau im Fokus stehen. Die Premiere erzählt also in zwei Zeitzonen, einmal im Bistro und einmal von einer Schlagerparty am Abend zuvor. Denn: Auf jener Party war Tina, die Hauptakteurin der Debütfolge, zum letzten Mal gesehen worden. Tina ist frisch geschieden und wollte da mal so richtig die Sau raus lassen. Dabei hat sie auch gleich einen netten Typen kennengelernt. Doch dass Tina nun nicht nur die Arbeit geschwänzt, sondern sogar das Kaffeedate mit ihren Mädels verpennt, hat ist mehr als ungewöhnlich…

“Gemeinsam mit der RTL Redaktion haben wir uns entschieden, auf ein sehr großes Ensemble zu verzichten und die Geschichten zu 80 bis 90 Prozent im Umfeld der Freundinnen stattfinden zu lassen.” Guido Reinhardt, Produzent von «Freundinnen»


Es sind die alltäglichen Sorgen, Nöte, Freuden und Geschichten, die die neue RTL-Daily in den Fokus rücken will. Dabei gilt es - und das gelingt ziemlich gut - einen Spagat zu machen zwischen den Scripted Realitys am Nachmittag, die dem Fiction-Light-Look entsprechen und den hochwertiger produzierten Daily Soaps am Vorabend. Auch «Freundinnen - Jetzt erst recht» ist On Location produziert - das Team hat dafür mehrere Räume in einem echten Einkaufszentrum und ein paar nahe gelegene Wohnungen angemietet - ist aber aufwändiger geschnitten und auch farblich knalliger gehalten. Eine Schlagerparty ist natürlich auch der perfekte Ort, um farbenfroh zu starten. Ohnehin ist die knapp 25 Minuten lange Episode ein Ohrenschmaus für all die, die gerne bei Andreas Gabalier mitträllern, schon mal auf einem Konzert von Helene Fischer waren und auch finden, dass Vanessa Mai endlich öfter im Radio laufen sollte.

Erzählerisch geht die Serie hingegen einen neuen und unüblichen Weg: Die Handlung geschieht in mehreren Zeitzonen. Nachmittags im Bistro, auf der Party, vor der Party, nach der Party. Das ist ein ungewöhnlicher, aber im Grunde sehr kluger Ansatz. Die Freundinnen selbst werden im Bistro sitzend quasi zu Erzählerinnen, lassen Storys und Handlungsbögen Revue passieren, ordnen sie ein und verbinden sie miteinander. Sie führen durch die Geschichten und nehmen die Zuschauerin, die um 17 Uhr gerade nach Hause gekommen ist, nur nebenbei schaut oder vielleicht auch mal eine Folge verpasst hat, an die Hand.

Schwieriger ist aber schon, dass pro Folge nur eine der Frauen im Mittelpunkt steht. Die verschwundene Tina war es in der ersten Episode, weitere werden folgen. Sämtliche Freundinnen am Bistro-Tisch sind aber zunächst eine Art Random-Frauen, die sich in Tinas Dunstkreis bewegen, bis dato jedoch leider austauschbar wirken. Noch kennt der Zuschauer ihre Geschichte nicht, noch sind sie lediglich die "Freundinnen von...". Potential mag jede der drei weiteren Figuren zwar bereit halten, aber wohl nur für eine sehr spezielle Zielgruppe: Frauen zwischen 35 und 50. Sämtliche Story-Lines sind extrem auf diese Gruppe ausgerichtet und allen Beteuerungen zum Trotz, dass jüngere und ältere Zuschauer und natürlich auch das männliche Geschlecht Gefallen an der Serie finden könnte, sind beim besten Willen kaum Ankerpunkte für Menschen zu finden, die nicht zur Kern-Zielgruppe gehören. Denn es bleibt dabei: Alle Anker-Figur sind Mädels und um die 40.

”Die Figuren und ihre Geschichten werden mit viel Humor und Wärme erzählt und erfüllen damit den Wunsch vieler Zuschauerinnen nach einem Moment des „Zur-Ruhe-Kommens“, des „Durchatmen-Könnens“ und der kleinen „Auszeit“ vom oft stressigen Berufs- und Familienalltag.” Christiane Ghosh, RTL-Ressortleiterin “Tägliche Serie”.


Genau das könnte sich später mal als Kern-Fehler der Produktion herausstellen. Sie ist vermutlich viel zu spitz aufgestellt. Was zum einen das große Alleinstellungsmerkmal der Serie ist - die Fokussierung auf die Mädelsgruppe - ist zum anderen auch Ausschlusskriterium. RTL macht nachmittags um 17 Uhr eben Mainstream- und kein Spartenfernsehen. Das ist nichts, was man nicht noch nachjustieren könnte. Andernfalls könnte den kompletten «Freundinnen» ein ähnliches Schicksal drohen, wie Hauptfigur Tina am Ende der ersten Folge. Verkatert und mit Kopfschmerzen wacht sie wieder auf und stellt fest, dass sie sich total verfahren hat. Anstatt zurück in der schönen, deutschen Kleinstadt, also ihrem Zuhause, zu sein, muss sie feststellen, dass sie den Zug nach Frankreich genommen hat und am Bahnhof in Paris wach geworden ist. Klassisch daneben gegriffen also; bleibt zu hoffen, dass das nicht bald für die komplette Serie gilt...

RTL zeigt «Freundinnen - Jetzt erst Recht» montags bis freitags um 17 Uhr, Wiederholungen laufen immer am Morgen danach um 9.30 Uhr.
28.08.2018 05:30 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/103334