10 Jahre «Markus Lanz»: Suggestivfragen, spannende Gäste - und ein Hauch von Late Night

Dreimal pro Woche talkt Markus Lanz spätabends im ZDF. In seiner Sendung empfängt er neben Politikern häufig auch Normalos mit einer besonderen Geschichte. 2018 wird die Sendung zehn Jahre alt…

Ein Donnerstagabend Ende Juni. In der Großen Koalition tobt der erbitterte Streit zwischen CSU-Innenminister Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade auf Hochtouren. Noch weiß niemand, ob und wie eine Lösung in der Flüchtlingsfrage zustande kommen könnte. Die Fronten sind verhärtet.

An diesem Donnerstagabend ist der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zu Gast bei «Markus Lanz». In der Sendung geht es natürlich um die Fußball-Weltmeisterschaft, später aber auch um Politik. Dass Laschet auf Merkels Seite steht, ist kein Geheimnis. Moderator Lanz fragt Laschet, wie es weitergehen könnte, was es mit der Richtlinien-Kompetenz der Kanzlerin auf sich hat und so weiter. Schließlich geht es darum, ob Merkel Seehofer entlassen sollte.

Lanz: Sollte sie?
Laschet (drückt sich): Ja das ist ihre Verantwortung, das find ich…
Lanz: Was würden Sie machen?
Laschet (lacht): Ich würd‘s…
Lanz (unterbricht): Wenn ihr Innenminister in Nordrhein-Westfalen Sie so erpressen würde: Würden Sie ihn entlassen?
Laschet: Also in Nordrhein-Westfalen haben wir eine etwas andere Arbeitsweise, aber wenn ein Minister sagen würde: ,Ich mache das Gegenteil von dem, was Du machst, was du willst‘ [überlegt] würde ich ihn in Nordrhein-Westfalen - und nur zu diesem Falle kann ich mich äußern…
Lanz (fragend): Jaa
Laschet: Ich will wirklich von außen keine Ratschläge der Bundeskanzlerin geben [überlegt]
Lanz: Nein
Laschet: … könnte es, wenn es einen Konflikt gibt diese, Entscheidung dann geben, ja.
Lanz: Also sie würden als Kanzler den Innenminister entlassen?
Laschet: Nein ich habe nicht als Kanzler gesprochen, sondern als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Gelächter aus dem Publikum. Laschet wirkt während seiner letzten Aussage sehr entschlossen, kann sich ein Grinsen aber nicht verkneifen. Das Gespräch mit dem NRW-Ministerpräsidenten veranschaulicht den Fragestil von Lanz gut. Ein großes Erfolgsrezept von Lanz ist, dass er seinen Gästen durch seinen Fragestil immer wieder spannende Statements entlockt.

Lanz fällt seinen Gästen gerne mal ins Wort, vor allem, wenn sie sich um eine Antwort herumdrücken. Er ergreift Position und lässt seine eigene Meinung durchscheinen. Mit Suggestivfragen versucht er seinen Gästen unbequeme Antworten zu entlocken. Das hat ihm in der Vergangenheit schon öfter Kritik eingebracht. Und ja: Als «heute journal»-Moderator würde er sich so gewiss nicht eignen.

Und trotzdem - oder gerade deswegen - ist «Markus Lanz» seit Jahren sehr beliebt. Die Quoten der Talkshow sind gut und liegen bei Jung und Alt in der Regel oberhalb des Senderschnitts. Nicht selten kann Lanz die Werte seines direkten Vorprogramms steigern. 2018 feiert seine Talkshow bereits zehnten Geburtstag.

Lanz‘ Vorteil ist, dass er kein Politik-Journalist ist - ganz im Gegenteil liegen seine televisionären Anfänge sogar bei der RTL-Sendung «Explosiv». So ist es ihm allerdings sehr viel leichter abzunehmen, wenn er in Gesprächen mit Politikern und Politik-Journalisten in die Rolle des „kleinen Mannes“ schlüpft, der Politik zu verstehen versucht. Auf seine Gäste ist er gut vorbereitet, seine Fragetechnik beherrscht er hervorragend. „Nehmen Sie uns mal mit in xy“ ist so einer von diesen typischen Lanz-Sätzen.

Die Rekordausgabe von «Markus Lanz»...

... lief am 22. Juni 2012 vor 4,02 Millionen Menschen. Wie es zu dieser Zuschauerzahl kam? Am gleichen Abend traf die deutsche Nationalmannschaft im Rahmen der Fußball-EM auf Griechenland. Das ZDF übertrug live - und schickte im Anschluss an das Match gegen 23.35 Uhr Lanz auf Sendung. Mit 33,4 Prozent wurde die mit Abstand beste Quote in der Geschichte des Formats eingefahren, auch bei den Jüngeren lief es angesichts von 31 Prozent grandios.
Von den fünf Gästen, die normalerweise in einer Ausgabe sitzen, stammen häufig nur zwei aus der Politik. Abseits von Politikern und Journalisten finden bei «Markus Lanz» auch Menschen des gesellschaftlichen Lebens Platz: Ob Sportler, Fotographen, Tierliebhaber oder einfach nur Menschen mit einem besonderen Einzelschicksal. Seine Sendungen stehen dabei nie unter einem gewissen Thema, vielmehr darf jeder Gast der Reihe nach ,seine' Geschichte loswerden. Die Bandbreite an Gästen und die geschickte Zusammensetzung durch die Redaktion ist eine der großen Stärken der Sendung.

«Markus Lanz» wird zumeist tagesaktuell produziert und läuft dreimal die Woche - das ist im deutschen Fernsehen einmalig. Late Night-Moderatoren wie Jan Böhmermann würde gerne in dieser hohen Schlagzahl auf Sendung gehen. Gewiss ist Lanz kein Präsentator wie beispielsweise Klaas Heufer-Umlauf - oder Thomas Gottschalk. Auch deshalb war «Wetten, dass..?» das größte Missverständnis seiner bisherigen Karriere. Dafür liegt seine Stärke in der Gesprächsführung. Im Einzelgespräch mit Politikern oder Personen des öffentlichen Lebens fördert er so immer wieder spannende Erkenntnisse und Bekenntnisse zu Tage.

Viele Sender haben mit ihrer Late Prime große Probleme. Das Erste leidet hier schon länger unter schwachen Quoten, ProSieben spätestens seit dem Ende von «TV total». Das ZDF hat es als einer der wenigen Sender geschafft, mit «Markus Lanz» eine feste Institution am späteren Abend zu installieren. Ein Hauch von Late Night sozusagen, der uns hoffentlich noch einige Jahre erhalten bleibt. Eine echte Alternative zu «Markus Lanz» gibt es derzeit nämlich nicht.

«Markus Lanz» kehrt am kommenden Dienstag, 14. August, aus der Sommerpause zurück. An diesem Abend ist die Talkshow ab 22.45 Uhr im ZDF zu sehen.
11.08.2018 12:02 Uhr  •  David Grzeschik Kurz-URL: qmde.de/102846