Vier unverbrauchte Filmtipps: Die neuen Shooting Stars im ZDF

Der Mainzer Sender zeigt innerhalb weniger Tage vier Filme von jungen Regietalenten und namhafter Besetzung. Unter anderem stehen Jessica Schwarz und Samuel Finzi vor der Kamera.

Die Sendetermine der Filmreihe im Überblick

  • Dienstag 17. Juli 2018, 23.15 Uhr: «Outside the Box»
  • Mittwoch, 18. Juli 2018, 23.45 Uhr: «Die letzte Sau»
  • Donnerstag, 19. Juli 2018, 23.00 Uhr: «Die Hände meiner Mutter»
  • Montag, 23. Juli 2018, 0.15 Uhr: «Somewhere in Tonga»
Es ist wieder so weit: Einmal mehr nutzt das ZDF die Sommermonate, um das Scheinwerferlicht auf junge Regietalente zu legen, deren Filme im Rahmen des Programmschwerpunkts Shooting Stars ihre TV-Premiere feiern.'ZDF/Das kleine Fernsehspiel'-Redaktionsleiterin Claudia Tronnier erläutert: "In diesem Jahr präsentieren wir die Reihe 'Shooting Stars – Junges Kino im Zweiten' kompakt in einer Woche im ZDF-Programm und natürlich auch in der ZDFmediathek. Die vier ZDF-Erstausstrahlungen unserer Nachwuchsredaktion Das kleine Fernsehspiel beleben den Sommer mit einer Vielfalt an Genres – von der Satire über die anarchistische Komödie bis hin zum Sozialdrama. Die Themen sind aktuell, realitätsnah und aus der Erfahrung und intensiven Recherche ihrer Autorinnen und Autoren geschöpft, die immer auch selbst Regie geführt haben."

Sie führt fort: "Immer haben die jungen Kinomacher einen besonderen Dreh und Zugang gefunden, ihre lebensnahen und doch unglaublichen Geschichten überraschend, mutig und an ungewöhnlichen Drehorten zu erzählen. So eröffnet sich dem Publikum eine Gesellschaftsbeobachtung und -kritik aus Sicht der neuen deutschen Kinotalente." Den Anfang der Reihe macht «Outside the Box».


«Outside the Box»-Regisseur Philip Koch über seine starbesetzte satirische Komödie, in der sich Volker Bruch, Vicky Krieps («Der seidene Faden»), Lavinia Wilson, Samuel Finzi, Hanns Zischler und Giorgia Sinicorni über Managamenttraining lustig machen: "Die Geschichte beruht, auch wenn man's kaum glauben mag, auf wahren Begebenheiten. 2001 hat die Firma Ericsson, vor ihrem Zusammenschluss mit Sony, einige ihrer besten Mitarbeiter auf eine Busreise nach Griechenland geschickt. Die Verantwortlichen dachten damals, dass es eine Superidee sei, den Bus von einem Vermummten mit Schrotflinte stürmen zu lassen. Nur der Teamleader war eingeweiht und sollte als Vermittler in der Geiselnahme fungieren. In dieser Extremsituation sollten die Teilnehmer dann ihre 'Leadership Qualities' beweisen."

Über den satirischen Gehalt seines Films sagt er: "Die Idee des permanenten Wachstums scheint in unserer Natur zu liegen. Wenn alle das wollen, wird oben die Luft eng, bleibt die große Masse auf der Strecke. Das merkte man auch bei den letzten Wahlen: Die Existenzängste werden größer und die Geschütze, die man auffährt, auch." Aron Lehmann erklärt seinen Genremix aus Anarcho-Märchen, Road-Movie und Tragikomödie namens «Die letzte Sau» dagegen als "leidenschaftlichen und emotionalen Film über Ausbruch, Freiheit und Unabhängigkeit mit viel Raum für Fantasie, Humor und Tränen."

Wie Philip Koch arbeitet auch er Kapitalismuskritik in seinen Film ein, wobei er den Fokus auf die mit ihm eingehende und zunehmende Bequemlichkeit legt: "Wir sind womöglich die letzte Generation, die noch zum Bäcker um die Ecke marschiert, weil es dort – und zwar nur dort – die besten Brezn gibt, und weil man Lust hat auf einen kleinen Plausch mit guten Bekannten. Das ist auch Kapital. Das Kapital des Glücks. Aber da sich Glück nicht in Zahlen ausdrücken lässt, gilt Glück nicht mehr als Erfolg und wurde gestrichen", verrät er in einem Pressestatement. Er führt fort: "Freiheit wird uns nur noch als Konsum verkauft. Freiheit besteht aus einem neuen Handy, einem günstigen Urlaub, jeden Mittag Fleisch und abends Bier und Fernsehen. Geringer Preis ist gleichbedeutend mit großer Freiheit. Für diesen Traum, alles besitzen zu können und nicht mehr zu fragen, wo etwas herkommt und wie es produziert wurde, sind wir bereit uns selbst zu opfern. Wir jammern, dass der Lieblingsmetzger schließt, und kaufen die Salami an drei von vier Tagen im Discounter."

Florian Eichingers Drama «Die Hände meiner Mutter» mit Andreas Döhler und Jessica Schwarz ist wiederum ein komplexer Film über die Folgen des sexuellen Missbrauchs. Es ist zudem der Abschluss einer thematischen Trilogie des Regisseurs: Nach dem Vater-Sohn-Film «Bergfest» und dem Geschwisterfilm «Nordstrand» geht es nun um eine Mutter-Sohn-Dynamik. Angestoßen wurde der Film durch Eichingers erstaunte Reaktion darauf, dass zehn bis 20 Prozent der Täter in Kindesmissbrauchsfällen Frauen sind. Wie es dazu kommen kann, und weshalb das Thema gesellschaftlich ausgeblendet wird, wollte er ergründen. Er hält fest: "Gerade in einer Zeit, in der sich stark vereinfachende, stereotype Rollenbilder eher wieder zu verfestigen scheinen und selbst die früher einheitlichen Überraschungseier auch eine rosa Mädchenversion anbieten."


Florian Schewes «Somewhere in Tonga» schließt die diesjährige Shooting-Stars-Reihe und basiert auf dem wahren Fall eines Intensivtäters, der noch eine letzte Chance hat, dem Knast zu entgehen. Gedreht wurde an Originalschauplätzen im 37 Flugstunden entfernten Tonga, wo nie zuvor ein europäischer Spielfilm verwirklicht wurde.

Schewes darüber: "Alle hatten Bedenken, die Vorstellung hatte einfach etwas Verrücktes. Aber die ursprüngliche Geschichte, die wahren Begebenheiten waren so stark, dass wir an den Originalschauplätzen drehen mussten. Nach einer ausgedehnten Recherche war es offensichtlich, dass wir unsere tongaischen Darsteller gefunden hatten, alles Laien, die noch nie vor einer Kamera standen." Er begründet seine Vorgehensweise: "Aus dem Dokumentarfilm kommend, ist für mich ein unverstellter Blick auf die Menschen zentral, um eine emotionale Unverfälschtheit der Figuren für den Zuschauer erfahrbar zu machen. Das wurde auch die Maßgabe für unsere Hauptfiguren."
14.07.2018 14:50 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/102248