WM 2018: Unsere Tops & Flops

Von Claudia Neumann zur DFB-Elf. Von Social Media zum Video-Assistenten.

Am Sonntagnachmittag endet die Fußball-Weltmeisterschaft. Nach 64 Spielen steht dann der neue Weltmeister fest. Das ZDF überträgt das Endspiel, das weltweit wohl von einer Milliarde Menschen gesehen wird, ab 17 Uhr. Zum Abschluss der WM fassen wir die fünf größten Hits dieses Turniers, aber auch fünf unsägliche Flops nochmal zusammen.

Unsere Tops der WM
Die Produktion: Man muss die FIFA wahrlich in vielen Dingen nicht über Gebühr loben. Die Szene gesetzt hat sie das sportliche Geschehen aber vorbildlich. Erstmals wurde ein Fußballturnier vollständig in Ultra HD produziert. Die Bilder waren sogar so scharf, dass man einzelne Mücken erkennen konnte, die die Spieler in der Vorrunde bei Matches in Wolgograd belästigt hatten. Insgesamt setzte die FIFA bei jedem Match 37 Kameras ein, darunter Helicopter-Kameras, Cable-Cams und mehrere Linsen, die speziell in Super-Slow-Motion beeindruckende Bewegungsstudien lieferten.

Tweets? Nein Danke!
Erstaunlich, dass mal etwas zu loben ist, das nicht vorhanden war. Waren Social-Media-Blöcke bei den übertragenden Sendern zuletzt ein gleichermaßen regelmäßiger wie auch überflüssiger Bestandteil, sind lustige Tweets oder alberne Einschätzungen von Otto-Normal-Bürgern komplett aus dem Fokus verschwunden. Gut so! Auch wenn Twitter oft wirklich ein erheiternder Begleiter bei der WM ist und war, Tweets suchen können mündige Zuschauer auch selbst.

Kramer-Love
Er ist wohl die Entdeckung der WM. Christof Kramer, 2014 noch in der Weltmeistermannschaft, sprang eigentlich nur kurzfristig für den zum BVB gewechselten Sebastian Kehl als Experte ein. Gott sei Dank, möchte man im Nachgang sagen. Kramer schaffte das, was sonst nur wenigen Analysten gelingt. Er fand eine gute Mischung aus Kritik – vor allem an der Deutschen Mannschaft – ohne aber in Hysterie oder eine Form von Bashing zu verfallen. Dem Gladbacher ist zweifelsfrei noch eine lange aktive Karriere zu wünschen, für danach darf ihm jetzt aber schon fester Platz einem der Fußball-TV-Tische dieser Nation reserviert werden.

Der Video-Assistent
Hergeschaut, DFL und DFB! So geht das: Der Video-Assistent des Schiedsrichters, in der Bundesliga 17/18 ein schrecklicher Flop, bewährte sich bei der WM vorbildlich. Das lag nicht zuletzt auch den klaren Strukturen. Eingegriffen wurde prompt – und nicht erst Minuten später. Zudem bekamen die Zuschauer, wie es eigentlich selbstverständlich sein sollte, via Split-Screen beste Einblicke in das, was dem Schiedsrichter gezeigt wird. Deutlich öfter als in der Bundesliga schaute sich der Unparteiische auf dem Feld nämlich die TV-Bilder neben dem Feld nochmal an. Die Bundesliga wäre gut beraten, hier ebenfalls genau hinzuschauen und den Video-Assistenten in genau dieser Form zu übernehmen.

Wolff Fuss
Vor kleinerem Kreise, nämlich alle Sky-Abonnenten, die einen UHD-Fernseher haben, kommentierte Wolff Fuss die WM. 24 Spiele (einmal sprang Roland Evers ein, weil Fuss Papa wurde) begleitete er – und lief vor allem in der Vorrunde mit kecken Sprüchen und messerscharfen Analysen zur Topform aus. Ähnlich wie Kramer fand er bei Spielen mit deutscher Beteiligung eine gute Mischung aus angebrachter Kritik und einem Mitfiebern im Sinne der deutschen Fans vor den TV-Geräten.

Unsere WM-Flops
80 Millionen Bundestrainer gegen eine Frau
Grundsätzlich ist alles gesagt: Claudia Neumann, in diesem Jahr regelmäßig als ZDF-WM-Kommentatorin zu hören, zu beleidigen, weil sie als Frau auf Welt kam und Fußballspiele kommentiert, ist nicht in Ordnung. Sogar Strafanzeige erstattet hat ihr Sender gegen zwei besonders bösartige Hetzer. Neumann-Bashing und das freudige Finden und Servieren der wenigen inhaltlichen Fehler, die ihr unterliefen, gehören nicht ins Jahr 2018. Freilich ist es eine Umgewöhnung, wenn eine weibliche Stimme im TV ein Spiel kommentiert, aber eine Staatskrise – wie bei Manchem zu vermuten war – sollte das nicht auslösen. Der Fall Neumann zeigte aber ein weiteres Mal, dass zahlreichen Nutzern im Web der Respekt vor anderen Menschen helft. Anonym und daheim im stillen Kämmerlein hetzt es sich aber gut.

Der DFB
Die deutsche Mannschaft hat auf dem Platz kein gutes Bild abgegeben. Die Quittung: Schon am 27. Juni und somit zehn Tage nach dem Start ins Turnier, war die WM für Deutschland zu Ende. Aber auch der DFB an sich gab an mehreren Stellen ein seltsames Bild ab. Die Causa Özil, der Tag der Kader-Nominierung, als zunächst keine Journalisten-Fragen zugelassen waren, dann aber doch kurze Fragen gestellt werden durften, das extreme sich Abschotten und der Wahn immer mehr Merchandising zu betreiben. Wenn etwas dazu führt, dass sich Fußball und Fans entfremden, dann die WM 2018.

Was? Wir sind in Russland?
Dass Russland WM-Gastgeber 2018 ist, dürfte jeder wissen. Aber haben wir es auch mitbekommen? Die FIFA versteht es mittlerweile blendend, große Wettbewerbe bestens zu vermarkten. Das funktioniert über eine einheitliche Corporate Identity – und auch wenn dieser immer ein bisschen an die Tradition des Gastgeberlandes angepasst ist; eigentlich blieb von Russland kaum etwas übrig. Die Bilder hätten genauso ausgesehen, hätte das Turnier in Polen, Tschechien oder Kroatien stattgefunden. Wann rächt es sich, dass alles gleichförmig glattgebügelt aussieht?

Oliver Polak
Aus der Kategorie „absolut unnötig“ war eine Verbal-Attacke des Komikers Oliver Polak in der WM-Show «WM-Kwatira» in der dritten Turnier-Woche. Der Komiker ging Lothar Matthäus unter der Gürtellinie an und überrumpelte damit auch die Gastgeber des Formats, Jörg Thadeusz und Micky Beisenherz. Beide betonten zwar in der Sendung, dass dies die „Eigenmeinung des Gastes“ sei, sahen sich – zu Recht – Stunden danach aber gezwungen, noch eine Entschuldigung an den Weltmeister von 1990 zu schicken. In einer Live-Sendung kann eben alles passieren – selbst einem Talkfuchs wie Thadeusz.

Die anderen TV-Sender
Klar: Die WM ist harte Kost für alle Sender, die keine Rechte besitzen. Mit wenigen Ausnahmen bei RTL stellte sich Konkurrenz in diesem Jahr aber so still, wie fast noch nie. Wer kein Fußballfan ist – und auch davon gibt es in Deutschland (man glaubt es kaum) einige, der bekam derartige Mager- und Wiederholungskost geboten, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, er sei Anbietern wie Sky oder Netflix in die Arme getrieben worden. Kommende Woche erwachen nun also auch die Free-TV-Sender der privaten Medienhäuser aus dem WM-Schlaf.
15.07.2018 11:57 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/102190