Videospielverfilmungen: Mehr Fluch als Segen!?

Videospiele haben sich im neuen Jahrtausend als ein vollwertiges und ernstzunehmendes Medium etabliert. Emotionale Geschichten und facettenreiche Charaktere sind keine Seltenheit mehr und mittlerweile wirkt die Bezeichnung des „Spiels“ schon fast deplatziert. Doch warum gestaltet sich der Weg der Videospiele auf die Leinwand in der Regel recht schwierig?

It’s showtime für «Halo»

Die Ego-Shooter Reihe «Halo» aus dem Hause Microsoft zählt mit über 65 Millionen verkauften Exemplaren zu den erfolgreichsten Videospielmarken des Publisher. Kein Wunder, dass schon oft versucht wurde das Spiel auf die Kinoleinwand zu bringen, bisher jedoch ohne Erfolg. Obwohl schon große Namen wie Spielberg und Blomkamp die Regie übernehmen sollten, kam der Science-Fiction-Film nie aus der Produktionshölle heraus. Doch offensichtlich gibt es noch Hoffnung für die Adaption, zwar nicht als Film, sondern in Serienform. Der US-Sender Showtime, Heimat von Serien wie «Dexter», «Twin Peaks» und «Penny Dreadful», hat sich die Halo-Lizenz gesichert. Die Produktion soll voraussichtlich Anfang 2019 beginnen und obwohl noch nichts über den Plot bekannt ist, dürfen sich Fans der «Halo»-Reihe mit Sicherheit auf den Auftritt des ikonischen Master Chief freuen.
Jüngst kamen mit «Tomb Raider» (2018) (Quotenmeter.de berichtete) und «Rampage – Big Meets Bigger» (2018) zwei Filme in die Kinos, die ihre Ursprünge in der Videospielindustrie hatten. Dabei genießen gerade diese Verfilmungen von Videospielen einen denkbar miserablen Ruf. Zu einem erheblichen Teil ist dafür ein einzelner Filmemacher verantwortlich: Dr. Uwe Boll. Während er sich selbst als missverstandener Regisseurin versteht, den niemand angemessen zu würdigen weiß, zerreißen Kritiker seine Filme regelmäßig. Bolls erste Videospieladaption, manche würden sagen sein erstes Opfer, war «House of the Dead» aus dem Jahre 2003. Fans des japanischen Zombie-Shooters standen der filmischen Umsetzung sehr kritisch gegenüber, denn die sahen zum Einen keine wirkliche Nähe zur eigentlichen Vorlage und kritisierten zudem auch noch die Qualität des Films. Fortan war Boll dafür bekannt diverse Videospiellizenzen auf die große Leinwand zu bringen, von denen jede einzelne laut dem Kritikerecho ein qualitativer Fehlschlag war. «Alone in the Dark» (2005), «BloodRayne» (2005), «Far Cry» (2008), «Postal» (2007), die Liste der Videospieladaptionen aus den Händen Bolls ist lange und viele würden argumentieren, dass sie zu lange ist. Dabei ist es gerade für Bolls Videospielverfilmungen bezeichnend, dass sie nur eine marginale Ähnlichkeit zu ihren virtuellen Vorlagen haben. Sofern man es als ein gemeinsames Kriterium sehen kann, teilen sich auch gerade diese Filme eine Qualität, die jedem Filmfreund die Haare zu Berge stehen lässt.

Dr. Uwe Boll ist es also zu verdanken, dass die Lizenzen von teils sehr namhaften Videospielreihen für den aktuellen Filmmarkt unbrauchbar geworden sind. Doch Videospieladaptionen als generelles Kassengift zu verteufeln würde ihnen nicht gerecht werden. Die sechsteilige «Resident Evil» -Reihe (2002-2016) des britischen Regisseurs beispielsweise ist finanziell äußerst erfolgreich und hat mit dem sechsten und bis dato letzten Teil die Milliarden-Marke in den Einspielergebnissen überschritten. Ein Reboot der Reihe ist bereits angekündigt, sehr zum Leiden der eigentlichen Videospielfans. Bisher war das virtuelle Survival-Spiel mit Zombies als Gegner noch mit keiner originalgetreuen Adaption gesegnet. Denn während sich die «Resident Evil»-Spiele des japanischen Entwicklers Capcom durch die atmosphärischen Schauplätze und seine Dramatik, die durch ständige Munitionsknappheit erzeugt wird, auszeichnen, ist in den Filmen davon nicht viel übrig geblieben. In den groben Schießereien der Hauptprotagonistin Alice, die keinerlei Bewandtnis in den eigentlichen Spielen hat, lässt sich von der ursprünglichen Videospielherkunft kaum noch etwas entdecken.

Das Phänomen, den Inhalt der Spiele nicht originalgetreu umzusetzen, findet sich nicht nur in den «Resident Evil»-Filmen oder den Werken von Dr. Uwe Boll, sondern ist leider ein Einstellungsmerkmal für das Subgenre der Videospieladaptionen. Der große Animationsfilm «Final Fantasy: Die Mächte in dir» (2001), basierend auf der gleichnamigen legendären Rollenspielreihe, entschied sich dazu eine von Grund auf neue Handlung umzusetzen, anstatt eines der vorherigen Spiele zu verfilmen. Der finale Film wurde von Fans der Spiele und Kritikern gleichermaßen verschmäht und war ein finanziell herber Verlust für das produzierende Studio Square Enix.

Ähnlich verhält es sich mit der Realverfilmung von Nintendos berühmten springenden Klempner Mario. Dessen Adaption «Super Mario Bros.» erschien 1993 und war nur schwer als solche erkennbar. Angesiedelt im düsteren New York City der 70er Jahre müssen sich die Protagonisten Mario und Luigi durch eine wirre Handlung mit Urzeitmonstern und verschiedenen Dimensionen kämpfen. Von der Kreativität und Liebenswürdigkeit der populären Videospielvorlage erkennt man hier nichts, vielmehr sieht man in dem Film die Distanz, die die Drehbuchautoren zu den Spielen hatten.

Warum wählt man also solch abenteuerliche Ansätze, die sich in den meisten Fällen so sehr vom Ursprungsmaterial entfernen? Die rationalste Erklärung ist wohl das Problem des Umfangs, den ein Videospiel hat. Die Medien Film und Videospiel haben zwar zahlreiche Parallelen, unterscheiden sich in wichtigen Punkten aber immer noch essentiell. Spiele mit einer zehnstündigen oder sogar noch längeren Handlung lassen sich nur schwer in einem Film umsetzen, ohne massive Kürzungen und Änderungen vorzunehmen. Es ist also kaum verwunderlich, dass ein narratives Spiel auf der Konsole oder dem PC einwandfrei funktionieren kann, aber in der Filmform scheitert.

Natürlich gab es bereits Adaptionen, die versucht haben sich am virtuellen Original zu orientieren. So z.B. «Max Payne» (2008), dessen Handlung sich sowohl im Film, als auch im Spiel um halluzinogene Drogen und die Ermordung der Familie des namensgebenden Polizisten dreht. Durch die hochkarätige Besetzung mit Mila Kunis und Mark Wahlberg hätte man annehmen können, dass zumindest die Produzenten ein gewisses Vertrauen in das Projekt gesetzt haben. Auch wenn Regisseur John Moore nicht gerade für eindringliches Dialogkino bekannt war, hatte er mit «Im Fadenkreuz – Allein gegen alle» (2001) und «Der Flug des Phoenix» (2004) zumindest ein Händchen für Actionfilme bewiesen. Das Ergebnis des vielversprechenden Projekts: wieder einmal ein Verriss von Seiten der Kritiker und Fans. Viel zu spannungsarm und langatmig sei der Film, so hieß es in einem Großteil der Kritiken, während die Anhänger des Videospiels die emotionale Handlung des gepeinigten Max Payne vermissten.

Selbiges gilt für «Prince Of Persia – Der Sand der Zeit» (2010), der trotz seiner aufwendigen Szenarien nicht mehr als ein seelenloser Abenteuerfilm ist. Gerade das Tausend und eine Nacht Setting der altehrwürdigen Videospielvorlage wäre prädestiniert gewesen für einen optisch ansprechenden Kinofilm und die Kampf-, Kletter- und Rätseleinlagen der Spiele waren der perfekte Nährboden für kurzweilige Unterhaltung. Zugegeben, «Prince Of Persia – Der Sand der Zeit» ist in qualitativer Hinsicht kein so großer Fehlschlag wie «Max Payne» oder etwa «Super Mario Bros.», doch als wahrlich gelungene Videospieladaption kann man den Film ebenfalls nicht anführen.



Doch dann das vermeidliche Licht am Ende des Tunnels: «Assassin’s Creed» (2016). Mit dem Regisseur Justin Kurzel, dessen Epos «Macbeth» (2015) für den Oscar nominiert wurde, und den bemerkenswerten Schauspielern Marion Cotillard, Michael Fassbender, Brendan Gleeson und Jeremy Irons schien die erste gelungene Videospieladaption ihre Zusammensetzung gefunden zu haben. Die ersten Trailer waren – abgesehen von der umstrittenen Musikauswahl - vielversprechend, die Kulissen waren überzeugend, die Action schien handwerklich sicher inszeniert zu sein und die Fans der Vorlage waren optimistisch gestimmt. Dann das böse Erwachen. Eine unfokussierte Geschichte, die unter zu vielen Handlungssträngen litt, schwache Action und nicht überzeugende CGI-Effekte waren das Ergebnis. Die Millionen Fans der Spielereihe waren enttäuscht, zu groß waren die Erwartungen und zu hoch die Fallhöhe. Zwar ist «Assassin’s Creed» optisch deutlich wertiger wie andere Videospieladaptionen, doch der exzessive Einsatz von computergenerierten Effekten übermüdet schnell und verfehlt seine Wirkung. Wieder einmal war die Enttäuschung massiv, der große Durchbruch der Videospielfilme wurde also wieder einmal weiter nach hinten verschoben.

Dabei ist das passende Material längst vorhanden. Warum nicht originalgetreu ein Spiel adaptieren, ohne die Kernthematiken komplett einzudampfen? Das Action-Adventure «Red Dead Redemption» des Entwicklerstudios Rockstar könnte das moderne Äquivalent zu alten Western-Klassikern werden und die alteingesessene «Wolfenstein»-Reihe (1981-2017) wäre ein potentiell großes Franchise aus Action und ansprechender Story.

Die Beispiele für mögliche Videospiele sind beliebig lange fortführbar. Die Zeiten, in denen Videospiele klischeehafte Handlungen hatten mit eindimensionalen Charakteren sind längst vorbei. Die «Bioshock»-Reihe (2007-2013) verbindet Politik, Philosophie und Gesellschaftskritik mit einem Art Style des frühen 20. Jahrhunderts, und «Shadow of the Colossus» zeigt, wie man eine emotionale Handlung mittels minimaler Dialoge über Stunden erzählt. Videospiele sind zweifelsohne eine ausdrucksstarke Kunstform, doch leider konnte deren Essenz noch nicht angemessen für die Leinwand eingefangen werden.

Obwohl die bisherigen Adaptionen nicht für eine erfolgreiche Zukunft der Videospielverfilmungen sprechen, gibt es einen Vertreter, der sich behaupten konnte. Der Horrorfilm «Silent Hill» (2006), nicht zu verwechseln mit dem nicht beachtenswerten Sequel «Silent Hill: Revelation» (2012), ist insbesondere bei den Fans der Videospielreihe beliebt. Das liegt zum Einen daran, dass sich der französische Regisseur Christophe Gans eingehend mit dem virtuellen Material beschäftigt hat und es zu würdigen wusste. Gans setzte beispielsweise den Komponisten der Spiele, Akira Yamaoka, auch für die Musik des Films ein, sehr zur Freude der Spieler.

Aus einer Kritikerperspektive sind gewisse Längen des Films nicht von der Hand zu weisen, dennoch bleibt ein Horrorfilm über, der auch für Nicht-Kenner der Videospielvorlage empfehlenswert ist.

Trotz der sehr durchwachsenen Qualität der Verfilmungen sind und bleiben sie beliebt. Die großen Fangemeiden der jeweiligen Titel und Reihen sind mit einer filmischen Umsetzung ihrer Lieblingsspiele leicht ins Kino zu locken und generieren schnell zufriedenstellende Einnahmen für die jeweiligen Studios.

2019 wird ein weiteres Jahr, in denen Videospieladaptionen ihren Weg auf die Leinwände finden. Das Sandbox-Phänomen «Minecraft» soll im kommenden Mai in die Kinos kommen, ebenso wie das Sequel «Angry Birds 2». Ob gerade mit diesen Filmen der Ruf der Videospielverfilmungen besser wird, ist äußerst fraglich. Zwar stehen «Splinter Cell», «Uncharted» und eine hauseigene Netflix-Serie zu «The Witcher» in den Startlöchern, doch es bleibt abzuwarten, ob diese Titel in der Produktionshölle enden oder doch fertiggestellt werden.

Der Zeitpunkt, an dem Videospielverfilmungen den qualitativen Durchbruch erreichen, liegt noch in weiter Ferne. Wann und mit welchem Film oder mit welcher Serie dieser Punkt erreicht wird, ist schwer vorauszusehen. Doch angesichts der Maße der Videospiele, die den Filmen in ihrer Handlung und Inszenierung in nichts nachstehen, muss zumindest eine qualitativ sehr gute Videospieladaption in Zukunft entstehen.
06.07.2018 13:18 Uhr  •  Martin Seng Kurz-URL: qmde.de/102036