Screenforce-Chef Krapf: ,Wert der absoluten Reichweite wächst'

Vor den Screenforce Days 2018 haben wir mit Screenforce-Geschäftsführer Martin Krapf über sinkende Reichweiten im linearen TV und die Stärke von Eigenproduktionen gesprochen. Zudem blicken wir zurück auf die Screenforce Days 2017 und schauen auf das Branchenevent in diesem Jahr.

Über die Screenforce Days 2018

Sie sind das zentrale Vermarktungsevent von Screenforce und kehren nach ihrem erfolgreichen Start im vergangenen Jahr 2018 zurück: Die Screenforce Days. Das Branchenevent, das auf eine Mischung aus Programm-Screenings und Kongress setzt, findet diese Woche Mittwoch und Donnerstag in Köln statt. Es richtet sich an Teilnehmer aus Unternehmen und Agenturen. Bei den Screenforce Days präsentieren 12 Vermarkter die kommenden Programmhighlights von rund 40 TV-Sendern. Top-Speaker wie Sigmar Gabriel runden das Programm in diesem Jahr ab.
Herr Krapf, wie sehen Ihre Aufgaben bei Screenforce aus, wenn nicht gerade die Screenforce Days anstehen?
Wir sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig, verantworten in Deutschland neben den Screenforce Days auch andere Veranstaltungen. Wir haben zudem Kooperationen mit Holland und Finnland, haben unseren eigenen Auftritt im Internet und machen viel eigene Forschung und Gattungsmarketing.

Seit wann laufen bei Ihnen die Planungen für die Screenforce Days 2018?
Ehrlicher Weise haben wir schon am zweiten Tag der Screenforce Days im letzten Jahr angefangen, das neue Event zu planen. Nach der Veranstaltung hatten wir uns zusammengesetzt und die frischen Eindrücke diskutiert. In die heißere Phase ging es dann zwei Monate danach.

Die TV-Saison 2017/18 ist um und vieles von dem, was die Sender auf den letzten Screenforce Days im Juni 2017 präsentiert haben, durften wir sehen. Was bleibt Ihnen in Erinnerung?
Mir bleibt für die zurückliegende Saison 2017/18 vor allem in Erinnerung, dass es selten so ein vielfältiges Programm gegeben hat. Dass Konkurrenz das Geschäft belebt, trifft für das Fernsehen auf jeden Fall zu. Man merkt bei vielen Sendern die Rückbesinnung auf den Wert von Eigenproduktionen, die überall an Bedeutung gewinnen.

Glauben Sie, dass die letzten Screenforce Days in der Hinsicht eine Art positiven ,Spirit' unter Fernsehschaffenden verbreitet haben?
Ich würde es gerne glauben, aber wenn ich ehrlich bin, würde das die Veranstaltung, die ich extrem wertschätze, doch überhöhen. Dieser Spirit war schon vorher da, bei Screenforce haben wir ihn nur präsentiert. Wir können ja nur zeigen, was da ist. Wir können es emotional darbieten - aber dieser Spirit selbst liegt in den Häusern und findet sich auf allen Plattformen. Das ist das Gute. Und wenn Sie sich anschauen, wie viel in der nächsten TV-Saison ins Programm investiert wird, dann sind das absolute Rekordsummen! Das ist schon beeindruckend.

Die Kunden und Agenturen sollten nicht schauen, was im letzten Jahr war, sie müssen schauen, welche vergleichbaren Werte es heute anderswo noch gibt. Da kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass so hohe, schnell erzielbare und vor allem wirksame Reichweiten fast nur noch TV liefern kann. Und deshalb wächst der relative Wert unserer der absoluten Reichweiten, auch wenn sie in einigen Zielgruppen in absoluten Zahlen ein Stück weit rückläufig waren.
Screenforce-Geschäftsführer Martin Krapf
Wie nehmen Sie derzeit die Stimmung unter den Werbevermarktern wahr?
Es ist eine positive, spannende Stimmung. Es gibt ja zwei Bereiche: Zum einen das lineare TV, das sich Jahr für Jahr positiv entwickelt. Auf der anderen Seite haben wir die strukturellen Veränderungen, die auf allen Devices und Plattformen stattfinden – und in diesem Veränderungsprozess sind wir inzwischen mittendrin. In Zeiten dieser strukturellen Änderungen schaffen es die Sender, ihr Kerngeschäft mit klassischer TV-Werbung leicht wachsend zu halten. Der andere Zweig mit Onlinevideo wächst naturgemäß prozentual deutlich stärker. Aber da ist der Wettbewerb natürlich noch einmal größer. Insofern ist Spannung da - und das ist gut so, denn die strukturellen Änderungen gehen natürlich weiter. Wer hätte vor ein paar Jahren schon über YouTube und Netflix gesprochen?

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre die abgelaufene Saison keine gute für die großen Privatsender gewesen. RTL und ProSieben haben wieder an Marktanteilen verloren. Was sagen Sie zum schwindenden Einfluss großer Sender?
Sie sprechen von Zuschauer-Marktanteilen, die bei einigen Sendern verlorengegangen sind, die aber andere - wenn Sie genau hinschauen - wiederum hinzugewinnen konnten. Natürlich haben die ganz großen Sender an Reichweite verloren. Aber sie haben die Senderfamilien, die einen Teil der Verluste auffangen, und sie haben die neuen Geschäftsfelder. Vor allem aber haben Sie eine Wertsteigerung der absoluten Reichweiten, auch wenn diese ein bisschen zurückgehen.

Die Kunden und Agenturen sollten nicht schauen, was im letzten Jahr war, sie müssen schauen, welche vergleichbaren Werte es heute anderswo noch gibt. Da kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass so hohe, schnell erzielbare und vor allem wirksame Reichweiten fast nur noch TV liefern kann. Und deshalb wächst der relative Wert unserer der absoluten Reichweiten, auch wenn sie in einigen Zielgruppen in absoluten Zahlen ein Stück weit rückläufig waren.

Vielleicht kann man es es ein bisschen mit den Seltenen Erden vergleichen. Da nützt es mir auch nicht zu wissen, was ich vor fünf Jahren bekommen hätte. Ich brauche Seltene Erden heute und muss den Preis zahlen, der dem heutigen Wert entspricht. Und Werthaltigkeit heißt für das Mediengeschäft eben Reichweite und Wirkung. Für einen investierten Euro kriegt man im Fernsehen im Schnitt drei Euro zurück. So gesehen ist es beim Fernsehen wie bei den Seltenen Erden: Die werden auch eher noch wertvoller, je seltener sie werden.

Sigmar Gabriel kennt das Thema der Medien und damit verbundene Fragestellungen als ehemaliger Wirtschaftsminister gut. Ich bin mir sicher, dass er so auftreten wird, wie er ist und das Thema in einen großen gesellschaftlichen Kontext einordnen wird.
Martin Krapf über Top-Speaker Sigmar Gabriel
Die letzten Screenforce Days sind durchweg gut angekommen. Wo wollen Sie in diesem Jahr mit der Neuauflage des Events anknüpfen?
Wir haben unsere Besucher nach den letzten Screenforce Days gefragt und das Ergebnis war sehr eindeutig: Dass Sie die Mischung aus Screenings und Vorträgen sehr zu schätzen wussten. In diesem Jahr haben wir deshalb wieder beides: Die großen Präsentationen im Screening-Raum - und etwas ausführlicher und besser in den Ablauf integriert zudem ein Kongressprogramm in der kleinen Halle. Manche konnten im letzten Jahr zu diesen Vorträgen nicht gehen, weil sich Screenings und Vorträge überlappt haben. Das haben wir in diesem Jahr besser geplant. Am Nachmittag des zweiten Tages haben wir nochmal die Möglichkeit, einige Forschungsthemen ausführlicher zu behandeln - quasi zum Abschluss.

Wie viele Besucher erwarten Sie in diesem Jahr?
Mit über 2000 Besuchern waren wir im letzten Jahr quasi ausgebucht. Wir hatten deutlich mehr Besucher als wir im Vorfeld erwartet haben. Ein paar mehr könnten es in diesem Jahr werden, weil das Feedback bei der letzten Veranstaltung sehr positiv war. Ich würde den Erfolg der Screenforce Days aber eher an der Qualität festmachen, und weniger daran, ob wir nun 100 Besucher mehr oder weniger haben werden. Wenn wir den Menschen, die am Markt entscheiden, die Qualität und Vielfalt des deutschen Fernsehens näherbringen können, wäre das für mich viel wichtiger.

Die Keynote kommt in diesem Jahr von Sigmar Gabriel. Was erhoffen Sie sich von seinem Vortrag?
Ich kann mir fast niemanden vorstellen, der besser für die Keynote geeignet wäre als er. Sigmar Gabriel kennt das Thema der Medien und damit verbundene Fragestellungen als ehemaliger Wirtschaftsminister gut. Ich bin mir sicher, dass er so auftreten wird, wie er ist und das Thema in einen großen gesellschaftlichen Kontext einordnen wird. Ich halte Sigmar Gabriel für einen der besten Redner Deutschlands. Er kann als ehemaliger Außenminister zudem einschätzen, wie internationaler Wettbewerb funktioniert.

Auch wenn Sie sich bei diesem Thema vermutlich zurückhalten werden: Worauf dürfen sich Freunde des guten Fernsehens in der kommenden Saison freuen?
Ich kann Ihnen versprechen, dass das Programm aus meiner Sicht noch facettenreicher ausfällt als im letzten Jahr. Ich kann ihnen versprechen, dass wieder Top-Produktionen mit dabei sind. Der Trend zu mehr Eigenproduktionen und lokalen Inhalten macht sich weiter bemerkbar. Und das ist natürlich gut, weil es die Unverwechselbarkeit der einzelnen Sender stärkt und im Wettbewerb mit Streaming entscheidend ist. Eine gekaufte Produktion kann überall laufen, eine Eigenproduktion sagt schon viel mehr über die Handschrift eines Senders aus. Ich finde diese Entwicklung sehr gut!

Wird diese Entwicklung 2018/ 19 auch im fiktionalen Bereich stattfinden?
Ja, auch im fiktionalen Bereich. In allen Bereichen.

Dann sind wir sehr gespannt! Herr Krapf, viel Erfolg bei den Screenforce Days 2018 und besten Dank für das Gespräch!

Bei uns verpassen sie nichts: Quotenmeter.de ist bei den Screenforce Days 2018 vor Ort in Köln und berichtet am Mittwoch und Donnerstag ausführlich.
19.06.2018 11:00 Uhr  •  David Grzeschik Kurz-URL: qmde.de/101627