«Arrested Development»: Schnipp, schnapp, gerettet?!

Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung erblickt die unbeliebteste Staffel der gefeierten Comedyserie «Arrested Development» erneut das Licht der Streamingwelt. Doch ist der Remix der vierten Staffel besser?

«Arrested Development»-Produktionsfirmen

  • Imagine Television
  • The Hurwitz Company
  • 20th Century Fox Television
Dies ist die Geschichte einer umjubelten Serie, die ihren Flair verloren hat, und einer Schnittfassung, die alles versucht, um es wieder herzustellen. Dies ist «Arrested Development» … Fateful Consequences!

Wie tief man fallen kann: «Arrested Development» mauserte sich nach seiner Absetzung zu einer beliebten, gefeierten Kultserie. Während bei der Erstausstrahlung der drei Seasons beim US-Sender FOX in den Jahren 2003 bis 2006 die Quoten zu wünschen übrig ließen, wurde der rasante, spritzige, clever in sich verschachtelte Humor der Serie über eine dysfunktionale, wohlhabende, arrogante und selbstsüchtige Familie in den Jahren danach zu einer über alles schwebenden Comedyreferenz. Mit geballter Selbstironie, launigen Running Gags und Querverweisen, die über mehrere Episoden hinausreichen, war «Arrested Development» eine Art «Phineas und Ferb», bevor es überhaupt «Phineas und Ferb» gab. 2013 ging die von Mitchell Hurwitz erdachte und geschriebene Serie mit ihren zahlreichen urkomischen Songs von David Schwartz dann plötzlich weiter. Netflix sei dank.

Allerdings enttäuschte die vierte Staffel die Fangemeinde bitter. Die vierte «Arrested Development» trennte das Figurenensemble und schickte jede Figur auf eigene Abenteuer, die sich nur selten mit anderen Handlungsbögen kreuzten. Die knallige Dynamik innerhalb des Casts kam so nicht mehr zur Geltung. Darüber hinaus übertrieb es Hurwitz in den Augen zahlreicher «Arrested Development»-Fans nun mit seiner verzahnten Erzählweise. Dadurch, dass jede einzelne Episode die Erlebnisse einer Figur chronologisch bis zu einem Punkt hin erzählte, sprang die Serie nun insgesamt sehr häufig durch die Zeit. Oh, in Minute fünf von Folge vier passiert etwas, das aus der Perspektive einer anderen Figur in deren Episode in Minute zwölf nochmal zu sehen ist? Aus der quirligen Art von «Arrested Development» wurde eine Art trockenes "«Lost» trifft «Rashomon»". Witzaufbau und Pointe wurden so weit voneinander getrennt, dass nur noch die allerbesten Pointen aus Season vier weiterhin zu zünden wussten.

Oder in den Worten Hurwitz', der jetzt, fünf Jahre nach Veröffentlichung von Season vier eine neue Schnittfassung der Staffel erstellt hat: Er beabsichtigte, dass sich Schritt für Schritt eine überraschende "zusammenhängende Erzählung von Ursache und Wirkung entfaltet". Rückwirkend vergleicht Hurwitz dies aufgrund der losgelösten Präsentation der einzelnen Handlungsaspekte und seines für «Arrested Development» ungewohnt langsamen Erzähltempos damit, nacheinander Toast, Speck, Putenaufschnitt und eine Tomatenscheibe zu servieren, damit das Publikum feststellen kann: "Oh, ich glaube, ich hatte gerade ein Puten-Speck-Tomaten-Sandwich!".

Die neue Version der vierten «Arrested Development»-Staffel war für ihn daher der Versuch, diese "schlechte Idee" (wie Hurwitz sie ironisch abtut) zu korrigieren, und um zu sehen "ob so neue Gags und eine neue Perspektive" entstehen. Nun: Von wenigen Ausnahmen, in denen Hurwitz im Remix der vierten Season rückwirkend auch wortwörtlich neue Gags in die neu geschnittenen, alten Folgen reingepackt hat, ergeben sich keine neuen Pointen und Perspektiven. Was sich aber im «Fateful Consequences» betitelten Remix der vierten «Arrested Development»-Runde ergeben hat, der mittlerweile bei Netflix abrufbar ist: Ein konsequenteres Erlebnis.

Denn auch wenn sich «Arrested Development»-Fans in ihrem Hass auf Season vier seit einigen Jahren hochschaukeln, schlicht weil der Qualitätsunterschied zwischen den ersten drei Runden und der ursprünglichen vierten Season so frappierend ist: Das Revival ist nicht durchweg mies. Auch nicht in der ersten Schnittfassung. Jedoch variiert darin die Qualität der einzelnen Handlungsstränge extrem – und dadurch, dass jede Folge in der Originalversion der vierten Staffel nur einen einzelnen abfrühstükt, sorgt dies für einige absolute Durchhängerfolgen. Vor allem die von Portia de Rossi gespielte, eitle Lindsay Bluth Fünke wird von Hurwitz in Staffel vier uninspiriert von A nach B nach D zurück nach C, weiter nach E geschickt und mit nur wenig Gagmaterial konfrontiert. Und auch wenn der Plot um Jeffrey Tambor als eine Art Proto-Trump 2013 nahezu prophetisch war, ist er leider sehr spröde erzählt. Ebenso wie die Wandlung von Jason Batemans Michael Bluth (vom planlosen, aber gut meinenden Protagonisten der Serie zu einem ihrer größten Mieslinge) der Serie Charme nimmt, wenn man sich zu lange auf diese Charakterdekonstruktion konzentriert.

Die absurden Storys um den aufmerksamkeitsgeilen Zauberer Gob (Will Arnett), die «The Social Network»-Parodie rund um Michael Cera und Alia Shawkats Eskapaden als Maeby dagegen fungieren auch in der Originalversion der vierten Staffel – selbst wenn sie darunter zu leiden haben, dass Hurwitz von der knackigen Laufzeit der Originalfolgen auf längere Episoden mit mehr Leerlauf wechselte. Der Remix der vierten Season trimmt die Episoden auf klassische, flottere Länge, was schon ganz im Alleingang «Arrested Development»-Flair zurückbringt, und mischt die "alten" Folgen von Season vier neu durch. Der Remix erzählt eine weitestgehend chronologische Gesamtstory und springt somit von einer Figur zur anderen.

Das hemmt die Durststrecken, die sich etwa bei den Lindsay-Storys ergeben, macht Michaels Wandlung unterhaltsamer, da sie nicht mehr so ernüchternd-konzentriert erzählt wird, und rückt Gagaufbau und Pointe oft so nah beisammen, dass die Gags stärker zünden. Dafür opfert «Fateful Consequences» den "Wow"-Faktor der absoluten Spitzenfolgen der vierten Staffel und einen sehr mühseligen, aber reizvollen Running Gag der Season, in dem sich eine wiederkehrende, banale Szene nach und nach auf immer absurdere Weise als der Knotenpunkt der gesamten Staffel herausstellt.

Dies sind aber sehr kleine Opfer. Denn alles in allem ist der Remix eine enorme Verbesserung einer sehr enttäuschenden Serienstaffel. Daran, dass sie inhaltlich andere Wege geht und bewusst die Bluth-Familie trennt, obwohl die ersten drei Staffeln vom verzweifelten Zusammenhalten der Familie handelten, kann der Remix natürlich nichts ändern. Aber diese inhaltliche Änderung sollte eigentlich auch nicht das Problem sein (selbst wenn manche Fans dies sicher anders sehen dürften). Doch dadurch, dass sich das Erzähltempo in «Fateful Consequences» an das der ersten drei Seasons angleicht, das Durchmischen mehrerer Handlungsstränge die Storys unterhaltsamer sowie abwechslungsreicher macht und einige Gags schlicht mit mehr Tempo und Pepp abgeliefert werden, fällt Season vier in der neuen Fassung nicht mehr so stark ab.

Nur eines wird Hurwitz zum Verhängnis: Der übermäßige Gebrauch von Rückblenden, die teilweise drei Minuten lang (oder länger!) den Stoff der vorhergegangenen Folge zusammenfassen. Und das oft nüchtern, ohne Pointen. Was zum Henker soll das denn?!

Und das nächste Mal: «Arrested Developement» kehrt zurück. Mit längeren Folgen und noch mehr Rückblicken!
03.06.2018 10:59 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/101399