Die Kritiker: «Der Richter»

Der Film um einen erpressten Richter will sich ein wenig als Justizthriller gerieren, ist dramaturgisch aber die meiste Zeit damit beschäftigt, zu zeigen, was für ein toller Hecht Heino Ferch ist: eine Farce.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Heino Ferch als Richter Dr. Joachim Glahn
Gesine Cukrowski als Alexandra Glahn
Wolfram Koch als Holger Wieland
Francis Fulton-Smith als Werner Kanz
Elisa Schlott als Luise Glahn
Victoria Sordo als Michaela Biel
Amira El Sayed als Selinay Günes

Hinter der Kamera:
Produktion: NFP
Drehbuch: Marija Erceg
Regie: Markus Imboden
Kamera: Martin Farkas
Produzenten: Rainer Jahreis, Gabriele Jung und Clemens Schaeffer
Richter Dr. Joachim Glahn (Heino Ferch) hat ein unübersichtliches Privatleben: Er betrügt seine Frau Alexandra (Gesine Cukrowski), die beim Schnuppern an seinem Hemdkragen langsam etwas zu ahnen scheint. Seine jähzornige Mutter kann nicht mehr auf sich gestellt in ihrer heruntergekommenen Wohnung bleiben, weil sie droht, sich vom Balkon zu stürzen, weswegen er sie nun bei sich zuhause unterbringen will, wohlwissend, was er damit auf sich nimmt. Und seine Tochter Luise (Elisa Schlott), die den größten Teil ihrer Studienzeit in England und Frankreich zugebracht hat, in Bälde aber ihr Juraexamen in Deutschland ablegen wird (wie auch immer das in der Fantasie von Drehbuchautorin Marija Erceg gehen soll), schlägt all seine Versuche, sie durch seine Beziehungen in einen guten Referendariatsplatz zu schubsen, in den Wind, und kokst sich mit ihrem etwas dubiosen Boyfriend Maik (Sebastian Hülk) die Birne zu.

Beruflich ist Richter Glahn gerade in den Mordprozess gegen den etwas bizarren Holger Wieland (Wolfram Koch) eingespannt, in dessen Verlauf er auf seltsame Ungereimtheiten im Fall stößt: Weder das Motiv noch der geschilderte Tathergang sind sonderlich plausibel, während es gleichzeitig seltsam anmutet, dass ausgerechnet der überqualifizierte und entsprechend schnöselige und teure Rechtsanwalt Werner Kanz (Francis Fulton Smith) das Mandat für diesen ertragsarmen Allerweltsfall übernommen hat.

Nach einer Dreiviertelstunde der gediegenen und inhaltlich weitgehend unergiebigen Abarbeitung dieser überschaubar komplexen Konstellation widmet sich der Film schließlich seinem eigentlichen Untersuchungsfeld: Glahns Tochter wird entführt. Dem Richter wird unmissverständlich klar gemacht, dass er sie nur lebend wiedersehen wird, wenn er Wieland freispricht.

In jedem Justizdrama, das zumindest ausreichend Selbstachtung hat, seine Genrebezeichnung nicht als Etikettenschwindel missverstanden zu wissen, wäre das der Ausgangspunkt für eine Betrachtung des Spannungsfelds aus beruflicher und ethischer Verpflichtung auf der einen Seite und dem immensen menschlichen Druck auf der anderen Seite, wie der Richter mit sich und seinen Idealen hadert, in immer größere Verzweiflung stürzt und sich schließlich, wenn nicht unvorhergesehene Ereignisse eine solche Klimax verhindern, zwischen dem Unmöglichen entscheiden muss.

Angesichts dessen, dass «Der Richter» die Hälfte seiner Laufzeit braucht, um überhaupt dieses auslösende Moment zu erreichen (und den Großteil der ersten Hälfte mit Unwesentlichem verbringt), ist schon allein der zeitliche Rahmen dafür arg begrenzt.

Doch die grundsätzliche dramaturgische Ausrichtung ist dem genauso abträglich. Denn über weite Strecken wirkt die Geschichte dieses Films wie eine notdürftig zusammengeschusterte Hülle um ein Vehikel, das zeigen soll, was für ein toller Hecht Heino Ferch ist: Er geht mit allerhand Frauen ins Bett und ist doch ein treusorgender Familienvater; er ist ein kompetenter, aufrichtiger und gewissenhafter Jurist und hat doch auch das Herz auf dem rechten Fleck, er ist ein Mann von Mitmenschlichkeit und Gnade anstatt ein kalter Paragraphenreiter. Und wenn er erst sein Hemd auszieht (wozu ihm dieses Drehbuch zahlreiche Gelegenheiten bietet), dann ist auch was für die Ästhetik dabei.

So schmierig, säftelnd und sehenden Auges am Thema vorbei wurden Justizdramen selbst in der fernsehfilmhaftesten Beliebigkeit selten geschrieben, und kaum ein Film mit ähnlicher Inhaltskonstruktion – ein erpresster Richter, der gegen seinen Berufsethos zu handeln gezwungen wird – fällt einem ein, der an seinem Thema ein so eklatantes Desinteresse zeigt und sich lieber mit den banalsten Nebensächlichkeiten aufhält: Ehebruch, Koksereien, griesgrämigen Rentnerinnen. In diesem Kontext gerät das Justizdrama nicht nur zum Etikettenschwindel – sondern zur Farce.

Das ZDF zeigt «Der Richter» am Montag, den 16. April um 20.15 Uhr.
16.04.2018 10:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/100326