Die Kritiker: «Tatort – Ich töte niemand»

Wie ist der vierte «Tatort» aus Franken? Unser Kritiker hat sich den Fall vorab angeschaut und ist ein wenig unentschlossen ...

Cast und Crew

  • Regie: Max Färberböck
  • Darsteller: Dagmar Manzel, Fabian Hinrichs, Eli Wasserscheid, Ursula Strauss, Josef Mohamed, Nasser Memarzia, André Hennicke, Stefan Merki, Andreas Leopold Schadt, Matthias Egersdörfer, Marko Dyrlich, Hansjürgen Hürrig
  • Drehbuch: Max Färberböck, Catharina Schuchmann
  • Kamera: Felix Cramer
  • Schnitt: Vera von Appeldorn, Susanne Hartmann
  • Musik: Richard Ruzicka
  • Produktionsfirma: Hager Moss Film
Schock in Franken: In einem heruntergekommenen Haus am Rande Nürnbergs werden die Leichen zweier Libyer gefunden, die grausam mit einer Betonstahlstange erschlagen wurden. Die Geschwister kamen vor 15 Jahren nach Deutschland und waren voll integriert. Die Polizei ist von der Brutalität der Tat erschüttert – und zunächst ratlos, welche Hintergründe die Tat haben könnte. Ein erster Ermittlungsansatz ist, dass Ahmad, der umschwärmte und hochbegabte Ziehsohn eines der Opfer, spurlos verschwunden ist. Doch während Felix Voss und Paula Ringelhahn noch darüber ihre Köpfe zerbrechen, ob Ahmad Zeuge oder Täter sein könnte, steigt der Druck auf sie, die kräftezehrenden Ermittlungen möglichst rasch zu einem Abschluss zu bringen.

Die frühen Recherchen in Richtung der rechten Szene bleiben ergebnislos, und dann kommt es auch noch zu einem Schicksalsschlag im Betrugsdezernat – ein enger Freund Paula Ringelhahns kommt ums Leben. Dies nagt ungemein an der Ermittlerin, so dass sie schon bald an ihre Grenzen gelangt. Nur ihr Kollege Voss kann sie davor bewahren, über die Stränge zu schlagen …

Regisseur Max Färberböck («Tatort: Mia san jetz da wo’s weh tut») präsentiert mit dem vierten Franken-«Tatort» den sperrigsten ARD-Sonntagskrimi seit einiger Zeit. Wiederholt fahren die Ermittler im Dienstwagen lange Straßen entlang, was der Regisseur in aller Seelenruhe einfängt. Die Musikuntermalung ist monoton-betrüblich – und greift immer und immer wieder den unter anderem aus «Broadchurch» bekannten Song «So far» von Ólafur Arnalds auf. Per se ist gegen eine solche inszenatorische Methodik nichts einzuwenden. Die diversen Elemente der Wiederholung scheinen jedoch eher einem Selbstzweck zu dienen, statt die Thematik des Films zu stärken, da dieser «Tatort» nicht etwa von der Eintönigkeit der Polizeiarbeit handelt.

Stattdessen geht es um die Wechselwirkung zwischen extremistischen Taten, seien sie ultra-religiös oder nationalistisch begründet, sowie darum, dass nicht alle Hetzer auf Anhieb als solche zu erkennen sind. Dass Färberböck und Catharina Schuchmann in ihrem Skript dies nicht mit aller Überdeutlichkeit ausdrücken, sondern in gemäßigten, ruhig ablaufenden Dialogen erzählen, ist durchaus löblich. Jedoch geraten die Wortwechsel in diesem «Tatort» mehrmals zäh, da es ihnen an der poetischen Eloquenz mangelt, um ihre Gemächlichkeit verdaulich zu machen.

Auch die Bildsprache ist von großer Ambition durchzogen, selbst wenn die Umsetzung da nur gelegentlich mithalten kann. Färberböck und sein Kameramann Felix Cramer («Die dunkle Seite des Mondes») entscheiden sich für eine farbentsättigte Ästhetik voller Schatten. Dies geht etwa dann auf, wenn in Nahaufnahmen die Gesichter nahezu vollends im Schatten verschwinden und nur Falten, pulsierende Adern oder weit aufgerissene Augen das Bild erfüllen, womit die Empfindungen der Figuren ausgedrückt werden. Außenaufnahmen dagegen wirken wie eilig durch einen Farbfilter abgedunkelt.

Als kleinteilig erzählter, Aufmerksamkeit fordernder und belohnender «Tatort», der mit stiller Intensität vor Hetzern warnt, müsste sich dieser Neunzigminüter eigentlich für Lobeshymnen empfehlen – doch diese Erwartung stirbt den Tod Tausend kleiner Schnitte. Die teils aufgesetzte visuelle Düsternis, die gelegentliche Trägheit der Dialoge und die forcierten Wiederholungen hemmen den «Tatort», statt ihn emporzuheben.

«Tatort – Ich töte niemand» ist am 15. April 2018 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
14.04.2018 14:10 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/100305