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YouTube: Premium statt PewDiePie

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Mit großen Namen steht YouTube vor einem Strategiewechsel bei seinen eigenproduzierten Angeboten. Künftig gibt es viele Premium-Inhalte wieder kostenlos – auch ein Eingeständnis, dass das Bezahlangebot YouTube Red floppt.

YouTube

  • Angebot: Videoportal
  • Online seit: 14. Februar 2005
  • Eigentümer: Alphabet Inc. (Google)
  • Urheber: Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim
  • Sprachen: Deutsch und 88 weitere
  • Aktive Nutzer: Über 1,8 Milliarden pro Monat
  • pro Minute werden 400 Stunden neuer Content hochgeladen
  • zweitpopulärste Seite im Internet (laut Alexa.com)
Es ist die größte Wette auf eigene Inhalte, die YouTube bisher gemacht hat. Und diese Wette sollte gefälligst funktionieren.

40 neue, eigenproduzierte Formate kündige man auf seinen eigenen „Upfronts“ vor einigen Tagen an, besetzt von und produziert mit prominenten Namen: Ellen DeGeneres ist darunter, Comedian Kevin Hart oder auch der in den USA gefragte Show-Moderator Ryan Seacrest. Einige dieser neuen Produktionen – die Rede ist von sieben – sollen völlig frei verfügbar und für jeden abrufbar sein. Kostenlos und werbefinanziert. Damit fährt man eine andere Strategie als bisher: Bisher wurde originaler, von YouTube hergestellter Content auf dem Bezahl-Service YouTube Red veröffentlicht, frei zugänglich waren diese Inhalte nicht.

YouTube Red startete 2015 und punktet hauptsächlich mit dem Feature, das gesamte Videoangebot werbefrei erleben und viele Inhalte offline abspeichern zu können. Weiterhin produziert man eigene Shows und Serien, hauptsächlich mit bekannten YouTubern wie PewDiePie oder den Prank-Stars Jesse Wellens und Jeana Smith. Erfolg hatte Red allerdings nicht: Ende 2016 zählte der Service angeblich nur 1,5 Millionen aktive Kunden in den USA. Dies ist angesichts der geschätzten 180 Millionen aktiven User pro Monat (USA) eine schwache Quote. Auch im Vergleich mit anderen Streaming-Anbietern steht man schlecht da: Netflix hat rund 50 Millionen Kunden in den USA, Amazon Prime Video ähnlich viele. Preislich tun sich die Angebote nicht viel, YouTube Red kostet 9,99 Dollar im Monat, wie auch Netflix.

Nun also kündigt man massive Investitionen in eigene Inhalte an, die Rede ist laut „Bloomberg“ von mehreren hundert Millionen Dollar – damit befindet man sich plötzlich auf einer Stufe mit den anderen beiden großen Playern. Die Kampfansage könnte kaum eindrucksvoller sein. Denn YouTube weiß auch, dass eigenproduzierte Inhalte der Schlüssel sind zum Erfolg im hart umkämpften digitalen Unterhaltungsgeschäft: Die Strategie von Netflix und Co. basiert darauf, dass erst eigene und damit exklusive Inhalte die Marke wertvoll und attraktiv machen. Und Kunden an sich binden.

YouTubes Geschäftsmodell basierte bisher zum allergrößten Teil auf fremdproduziertem Content – eben dem der User, der kleinen und großen YouTuber. Damit aber ist das Geschäftsmodell angreifbar, beispielsweise wenn große YouTuber zur Konkurrenz abwandern (wie zu Facebook), wenn sie aufhören zu produzieren oder wenn ihr Content schlecht und austauschbar ist. YouTube kann nur indirekt auf diese Probleme reagieren. Mit eigenen Inhalten aber hat man Kontrolle über alle Parameter, vor allem darüber, dass die Inhalte exklusiv auf der Plattform zu sehen sind.

YouTube 4.0


Mit dieser neuen Strategie kommen wir in der vierten Evolutionsstufe des Video-Giganten an: Nach dem eigentlichen Start des Angebots und seiner Etablierung als Plattform für User-Videos ab Mitte der 2000er folgte die Initiative der „Original Channels“, die professionelle Produktionsfirmen und größere Player zum Unternehmen lockte. YouTube finanzierte dort fremde Inhalte. Die dritte Stufe stellte YouTube Red dar und machte das Unternehmen selbst zum Content-Produzenten. Stufe vier – YouTube 4.0 – steht nun also bevor, es ist die massive Investition in eigene Inhalte angesichts der wachsenden Herausforderungen im Unterhaltungsmarkt. Es ist die Anpassung eines Geschäftsmodells hin zu mehr Wertigkeit.

Das soll also passieren mit Hollywood-Stars, die künftig neben den großen Internet-Promis ebenfalls auf einen Klick mit ihren Inhalten verfügbar sind. Wie angesprochen sind einige dieser neuen Eigenproduktionen frei – und werbefinanziert – verfügbar. Damit geht man explizit einen Schritt auf die verärgerten Werbekunden zu. Zuletzt gingen die Werbepreise auf der Streaming-Plattform herunter und Kunden verloren, nachdem viele ihrer Marken auf Videos extremistischer Organisationen oder von Hassbotschaftern beworben wurden. Das Unternehmen entschuldigte sich anschließend öffentlich und kündigte neue Features an, um mehr Kontrolle über Werbeplatzierungen zu ermöglichen.

„Vor zwei Jahren starteten wir mit einem Team, das sich auf originalen Content fokussiert, und wir kreierten YouTube Red ohne Werbung. Zu Beginn des letzten Jahres dachten wir aber über den Fakt nach, dass Werbung unser Kerngeschäft ausmacht. Und dass große Marken und Agenturen unsere größten Partner sind“, sagte YouTube-CBO Robert Kyncl kürzlich dem Magazin „Adweek“. Die generelle Abkehr im Unterhaltungsgeschäft von werbefinanzierten zu werbefreien Angeboten sei diesen Partnern nicht vorteilhaft. „Wir sind die größte Video-Plattform der Welt. Und wir sollten eine Rolle dabei spielen, diesen Umstand wieder zu ändern.“ Für YouTube Red in der bisherigen Form ist da offensichtlich nicht mehr viel Platz.

Dennoch lässt man diesen Service keineswegs fallen – im Gegenteil sind auch hier massive Investitionen vorgesehen, um das bislang halbgare Angebot attraktiv zu machen. Es ist die Rede davon, dass für neue Formate künftig 3 bis 6 Millionen Dollar pro Sendestunde zur Verfügung stehen. Damit bewegt man sich in einem Kostenbereich, der vergleichbar ist mit Premium-Serien von Netflix oder Amazon Prime. Gleichzeitig ist damit auch die Konkurrenz abgesteckt: YouTube Red will in den Premium-Markt, vielleicht auch Hochglanz-Dramaserien produzieren, und will mehr Hollywood. Dies war mit den bisher produzierten Formaten nicht der Fall; diese richteten sich eher an heavy user von YouTube selbst und von seinen großen Stars oder Channels. Es war schlicht mehr Content von denselben Machern.

Nun aber steht viel Geld für einen Quasi-Neustart zur Verfügung. Sehr viel Geld. Und wir dürfen mit Spannung erwarten, was YouTubes neue Unterhaltungs-Elite mit diesem Geld anstellt.

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