First Look

«Billions»: Stierkampf in Krawatte

von

Nach «Homeland» kehrt Damian Lewis ins Seriengeschäft zurück, als skrupelloser Investmentbanker. «Billions» exerziert das falsche System und seine falschen Charaktere grandios – und ist jetzt schon einer der besten Serienstarts 2016.

Cast & Crew

  • Erfinder: Brian Koppelman, David Levien, Andrew Ross Sorkin
  • Darsteller: Paul Giamatti, Damian Lewis, Maggie Siff, Malin Åkerman, Toby Leonard Moore, David Costabile, Condola Rashād
  • Ausf. Produzenten: Koppelman, Levien, Sorkin, Neil Burger
  • Regie (Pilot): Neil Burger
  • Produktionsfirma: Best Available!
  • Sender: Showtime
Und plötzlich kann jeder Schritt, kann jede Handlung tödlich sein: Gegen Ende der ersten Folge von «Billions» findet sich Bobby Axelrod als Verdächtiger wieder, als einer, der sein Vermögen nicht sauber erwirtschaftet hat. Der Hedge-Fonds-Manager ist eigentlich ein Held in seiner Stadt, ein Überlebender von 9/11, einer, der den Flugzeugen entkommen konnte. Als Einziger seiner Firma, als einziger seines Teams. Auch deswegen fühlt er sich verantwortlich für die Familien, die hinterlassen wurden: Alle Kinder der damals ermordeten Bankkollegen bekommen von ihm eine Elite-Uniausbildung spendiert. „Axe“, wie Bobby Axelrod auch genannt wird, gibt gern. Auch an Vereine, städtische Einrichtungen. Und so einem soll Dreck an den Händen kleben?

Die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC glaubt das jedenfalls. Lange hat Staatsanwalt Chuck Rhoades gewartet für eine Anklage, er will erst dann zuschlagen, wenn die Chance zu einer Verurteilung gekommen ist. Rhoades will keine Niederlage riskieren. Das Spiel zwischen Staat und skrupellosem Kapitalismus beschreibt er als Stierkampf – die besten Matadoren wagen sich erst dann in den Ring, wenn der Stier schon ein paar Mal verletzt wurde. Axe aber wankt noch nicht, sein Image in der Öffentlichkeit ist zu gut. Rhoades trickst ihn in einen millionenschweren Hauskauf, eine Villa am Strand, mit der der Manager liebäugelt. „Was nützt einem das Fuck-You-Money, wenn man nie ‘Fuck You‘ sagen kann?“, schreit Axe einmal. Er weiß, dass sein öffentlicher Ruf mit dem Protzkauf leiden wird – und nimmt es letztlich in Kauf. Der Stier ist verletzt. Und der Kampf beginnt.

«Billions» ist einer dieser Serienstarts, von denen man schon früh merkt, dass sie besonders sind: Deshalb, weil die Charaktere uns sofort einvernehmen, auch wenn keiner von ihnen likeable ist – aber so interessant, dass wir mehr von ihnen wissen wollen. Besonders, weil die Geschichte, die sich abzeichnet, ein ungeheures dramatisches Potenzial hat. Wir malen uns aus, was passieren könnte an Intrigen, an mitreißenden Dialogszenen, an „Stierkämpfen“. Es ist das Gefühl, das man auch hatte, als man «Homeland», «House of Cards» oder «Breaking Bad» zum ersten Mal gesehen hat. Das Gefühl, dass all das nur der Beginn einer viel größeren relevanteren Story ist.

Mehrmals glaubt man altbekannte Muster zu erkennen in der Narrative, die nur Sekunden später konterkariert werden. Allein in dieser ersten Folge gibt es manche WTF-Momente, und einige Storywendungen, die der Laienzuschauer erst später durchblickt. Dadurch wirkt «Billions» erfrischend. Das liegt daran, dass die Praktiken der Banker-Welt undurchsichtig sind: Wie bringt man jemanden dazu, den erwünschten Schritt zu machen? Wie geht man vor, um sein Ziel zu erreichen? Als Anwalt Rhoades seinen Gegenspieler Axe dazu verleiten will, die Strandvilla zu kaufen, rät er ihm über Mittelsmänner vom Kauf ab. Er lässt Angebote anderer Bieter machen. Er sucht den direkten Konflikt mit Axe. Und weiß, dass diese Strategie dazu führt, was er will. Axe weiß das alles. Und kauft später trotzdem. Kurz gesagt: Es ist eine Freude, diesen beiden Männern beim taktischen Machtspiel zuzusehen.

Die Serie erzählt von Beginn an komplex. Genau deswegen, weil alles nicht so einfach ist und die beiden Hauptcharaktere – Axe und Rhodes – auch andere Akteure berücksichtigen müssen, die Spielfiguren sozusagen: Rhodes‘ Frau ist Angestellte bei Axelrods Firma, damit befindet sich der Anwalt eigentlich in einem Interessenskonflikt. Axe versucht, die Presse für sich zu gewinnen. Und er bemerkt die Nervosität, mit der ein alter Freund das Gespräch mit ihm sucht. Bald stellt sich heraus, dass er für das FBI ausspionieren könnte. Ganz schnell stellt sich bei «Billions» die Frage, wer wem überhaupt noch trauen kann. Die alten Netzwerke zerbrechen.

Dies ist umso dramatischer, da die Finanzwelt ein hermetisch abgeschlossenes System darstellt. Zahlreiche Dokumentarfilme nach der Immobilienkrise belegen das. Dieses abgeschlossene System wird auch in «Billions» deutlich. Psychologische Behandlung gibt’s nur in der Firma, und alles dreht sich um das Geld, das hier äquivalent ist mit Macht. Die Zahlen allein entscheiden über die eigene Zukunft. Bald verkehrt man in den immergleichen Kreisen, mit den immergleichen Kollegen. Was außerhalb der eigenen Welt geregelt werden muss, erledigen Fixer.

All das stellt die Serie stark dar, gerade anhand der beiden Gegenspieler Axe und Rhodes. Axe wird wunderbar porträtiert von Damien Lewis, der den undurchsichtigen Badboy nach «Homeland» auch hier meisterhaft verkörpert. Das Tolle ist, dass Anwalt Chuck Rhoades – eigentlich der „Gute“ – nicht sympathischer ist. Sondern narzisstisch, durchgeknallt, rücksichtlos. Paul Giamatti («John Adams») spielt diese Figur stark, fast angsteinflößend. Die Serie wird konsequent aufgebaut als Stierkampf zwischen diesen beiden Charakteren: Auf Twitter hat man bereits abstimmen lassen, auf welcher Seite man steht: #TeamAxe oder #TeamChuck?

«Billions» hat alle Erwartungen erfüllt. Jetzt liegt es daran, die gesetzten Standards beizubehalten und zu liefern, was wir uns ausmalen. Der ganz große Wurf ist möglich.

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