Die Kino-Kritiker

«Er ist wieder da»

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Der Debütroman von Timur Vermes thematisiert die Rückkehr Adolf Hitlers ins Berlin im Jahre 2011. Das Buch wurde zu einem Bestseller. Nun nimmt sich David Wnendt der gefeierten Vorlage an und macht aus «Er ist wieder da» eine Komödie, bei der einem das Lachen im Idealfall im Halse stecken bleibt.

Filmfacts: «Er ist wieder da»

  • Kinostart: 08. Oktober 2015
  • Genre: Komödie/Satire
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 110 Min.
  • Kamera: Hanno Lentz
  • Musik: Enis Rotthoff
  • Buch und Regie: David Wnendt
  • Darsteller: Oliver Masucci, Fabian Busch, Christoph Maria Herbst, Katja Riemann, Franziska Wulf, Lars Rudolph, Michael Kessler
  • OT: Er ist wieder da (D 2015)
Darf man über Hitler lachen? Diese Frage stellt in «Er ist wieder da» nicht nur die Presse den Verantwortlichen des fiktiven Fernsehsenders myTV, als sie aus Adolf Hitler gen Ende des Films eine regelrechte Popkulturikone gemacht haben. Es ist auch die Frage, der sich Romanautor Timo Vermes, Verfasser der dem Film zugrunde liegenden Buchvorlage, in seiner bisherigen Karriere am meisten ausgesetzt sah. Überhaupt klopft bei humoristischen Spitzen gegen den Zweiten Weltkrieg stets die Frage nach der Political Correctness an. Egal, ob man es mit größenwahnsinnigen Mondnazis zu tun bekommt («Iron Sky»), ob Helge Schneider Adolf Hitler parodiert («Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler»), oder ob sich Dietrich Brüggemann an einem satirischen Rundumschlag gegen jedwedes braunes Gedankengut versucht («Heil»): Humoristische Geschichtsaufbereitung ist ein gewagter Tanz auf der Rasierklinge. Denn die Frage, ob man über Hitler sowie die Ereignisse zwischen 1939 und 1945 lachen darf, lässt sich nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Das bloße Lächerlich machen käme schließlich einer Verharmlosung gleich. Doch dem Schrecken die Macht nehmen, funktioniert tatsächlich oftmals, indem man darüber lacht. Bei der in «Er ist wieder da» dargestellten Figur des Adolf Hitler ist die Gratwanderung zwischen Lächerlichkeit und scharfsinnigem Witz noch ein gutes Stück schmaler. Sich in einer Komödie mit Adolf Hitler als Person zu befassen und diese sogar zum Protagonisten zu machen, darf nicht vollkommen auf das Lächerlich machen jener Figur verzichten. Doch die Wahrheit im Kern muss bleiben, damit am Ende eine Message steht. «Feuchtgebiete»-Regisseur David Wnendt gelingt hier ein famoser Mittelweg: Sein von Oliver Masucci herausragend verkörperter Adolf Hitler ist in seiner realistischen Verkörperung viel einprägsamer als jede ihm vorausgegangene Karikatur. Denn am Ende geht es gar nicht so sehr ihm ihn als Monster, sondern um die Gesellschaft als dessen Opfer. Nicht umsonst stellt Masucci im Finale die Frage: „Wer hat mich denn damals gewählt?“

Er ist wieder da, der Führer. Knapp 70 Jahre nach seinem unrühmlichen Abgang erwacht Adolf Hitler (Oliver Masucci) im Berlin der Gegenwart. Ohne Krieg, ohne Partei, ohne Eva. Im tiefsten Frieden, unter Angela Merkel und vielen tausend Ausländern startet er, was man am wenigsten von ihm erwartet hätte: eine Karriere im Fernsehen. Denn das Volk, dem er bei seiner Reise durch das neue Deutschland begegnet, hält ihn für einen politisch nicht ganz korrekten Comedian und macht ihn zum gefeierten TV-Star. Und das, obwohl sich Adolf Hitler seit 1945 äußerlich und innerlich keinen Deut verändert hat.

David Wnendt nahm sich bereits in seinem Spielfilmdebüt «Kriegerin» dem Thema des Nationalsozialismus an, wenngleich auf vollkommen andere Art und Weise. Sein hochgelobtes Drama von 2011 portraitiert eine junge Frau rechtsradikaler Gesinnung sowie ihren Versuch, der ausländerfeindlichen Szene zu entkommen. Mit inszenatorischer Raffinesse gelang es Wnendt, neben der Abscheulichkeit des rechtsradikalen Gedankenguts auch die Faszination der Protagonistin für ebenjenes einzufangen. In «Er ist wieder da» geht der Filmemacher nun quasi den umgekehrten Weg. Er hält mit der paralysierenden Wirkung eines Adolf Hitler im Jahre 2014 nicht etwa subtil hinterm Berg, sondern macht sie sich zum Fokus. Wnendt pfeift auf Unterschwelligkeit und verlangt stattdessen nach der ungeschminkten Wahrheit in all ihrer Radikalität. Dies vollführt er, indem er seinem Projekt «Borat»-ähnliche Züge einverleibt. Während die eine Hälfte der Handlung, die sich insbesondere auf den Plot innerhalb der myTV-Redaktion bezieht, konventionell nach Skript gedreht wurde, besteht die andere Hälfte aus schlichten Beobachtungen. Dabei ist es nicht immer ganz leicht, anhand der Kameraführung zu unterscheiden, welche Parts fiktiv und welche dokumentarisch sind, aber gerade durch die fließenden Übergänge dieser beiden Stile ergeben sich in «Er ist wieder da» schon bald die wahren Abgründe hinter der Film- respektive Buchidee. Wenn etwa Adolf Hitler und der ihn begleitende Reporter Fabian Sawatzki (Fabian Busch) die Parteizentrale der NPD besuchen oder der Führer vorm Brandenburger Tor um Selfies gebeten wird, ist es die Absurdität dieser Szenen, welche die Frage, ob all das nun fingiert oder reell geschehen ist, in den Hintergrund rückt. Es ist schlichtweg irrelevant, ob die Ereignisse so vonstatten gingen, oder ob das Drehbuch sie so vorsah. Entscheidend ist, dass wir es schon nach rund einer halben Filmstunde für möglich halten – eine erschreckende Erkenntnis.

Während der Roman im Jahr 2011 spielt, gibt sich «Er ist wieder da» auf der Leinwand noch ein wenig aktueller, wenngleich nicht auf dem Gipfel des Zeitgeists. Sätze wie die, dass pro Monat rund 200 bis 400 Asylbewerber in München eintreffen, sind aufgrund der derzeitigen Flüchtlingsströme selbstredend nicht mehr zeitgemäß, doch die wichtigsten politischen Entwicklungen kann David Wnendt trotzdem aufgreifen. Seine Satire reicht bis hin zu ersten PEGIDA-Demonstrationen und wirft in einem aufrüttelnden Epilog – bestehend aus deutlichem Nachrichtenmaterial jüngster Zeit – den Blick in eine ungewisse Zukunft. Es entsteht eine moderne Zeitlosigkeit. Doch so viel Mühe sich die Macher auf dieser Erzählebene geben, so unrühmlich erweist sich jener Handlungsstrang, der als roter Faden dazu dient, der Geschichte um Adolfs Rückkehr zu einer Chronologie zu verhelfen. Zum Herzstück dieses Subplots wird die Redaktion des Privatsenders myTV auserkoren, dessen Logo deutliche Bezüge zum YouTube-Emblem erkennen lässt. In der Chefetage geben sich Katja Riemann («Fack ju Göhte») als Senderboss die Ehre sowie Christoph Maria Herbst («Stromberg») als ihr Stellvertreter. Beide nehmen die Vermarktung des von ihnen fälschlicherweise für einen Comedian gehaltenen Adolf Hitler selbst in die Hand und schicken ihn als Gast zu Frank Plasberg, Jörg Thadeusz sowie Joko und Klaas. Auch Komiker Michael Kessler («Pastewka») ist in einer kleinen Rolle zu sehen und verkörpert mit Elan den Moderator der fiktiven Comedyshow «Krass, Alter», in der Adolf Hitler seine Premiere hat.

Dieser Teil der Geschichte funktioniert aufgrund einer stringenten Inszenierung gut als Storymotor, lässt sich jedoch immer wieder ungelenk durch Drehbuchschwenks ausbremsen, die so nicht nötig wären. So dichtet das Skript dem Reporter Fabian und der reizenden Empfangsdame Franziska (Franziska Wulf) ein Techtelmechtel an, das weder die Handlung vorantreibt, noch emotional mitreißt, geschweige denn glaubwürdig ist. Viel interessanter ist «Er ist wieder da» immer dann, wenn sich die Macher auf Konfrontationskurs mit dem Volk, aber auch mit den Erwartungshaltungen begeben. David Wnendt seziert die Mechanismen politischer Propaganda fast unterschwellig und zieht dabei durchaus die Möglichkeit in Erwägung, dass wir dem Film in seiner Machart auf den Leim gehen. Von der anfänglichen Hitler-Groteske wird im Laufe der gut ausgefüllten 110 Minuten ein Lehrstück für die Funktionalität der Medien. Dazu bezieht der Regisseur sämtliche Wege der modernen Kommunikation mit ein und verweist sowohl bei der Darstellung moderner Fernsehgewohnheiten, als auch in Bezug auf Internetphänomene und YouTube-Stars auf echte Formate. All das funktioniert jedoch hauptsächlich deshalb, weil der Theaterschauspieler Oliver Masucci alles daran setzt, „seinen“ Adolf Hitler so unbeeinflusst zu spielen, wie irgend möglich. Das täuscht auch darüber hinweg, dass sich die Effektabteilung bei der Animation eines spielenden Hundes durchaus ein wenig mehr Mühe hätte geben dürfen.

Fazit: Mit «Er ist wieder da» liefert Regisseur David Wnendt weitaus mehr als eine handelsübliche Hitler-Demontage. Sein Film beobachtet nicht nur die Möglichkeiten moderner Propagandamittel, sondern konfrontiert das Publikum mit seiner leicht beeinflussbaren Geisteshaltung. Die beeindruckende Schauspielleistung des Hauptdarstellers rundet dieses mutige Filmerlebnis ab.

«Er ist wieder da» ist ab dem 8. Oktober bundesweit in den Kinos zu sehen.

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