Hingeschaut

Rachs RTL-Comeback: Rückbesinnung, aber keine plumpe Kopie

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Die Auftaktfolge von «Rach undercover» bemühte sich sichtlich darum, weder das «Restauranttester»-Konzept schlicht zu imitieren noch den Moderator vor völlig neue Herausforderungen zu stellen. Das Ergebnis war eine nicht weltbewegende, aber stimmige Stunde Fernsehunterhaltung.

Formate mit Christian Rach

  • RTL: «Rach, der Restauranttester» (2005-2013), «Rachs Restaurantschule» (2010-2012), «Rach deckt auf» (2013)
  • ZDF: «Rach tischt auf» (2014), «Rach und die Restaurantgründer» (2015), «Schöne harte Welt» (2015)
Viele Jahre lang war Christian Rach erfolgreich als «Restauranttester» unterwegs, bis ihn plötzlich im Jahr 2010 der Pioniergeist packte. Zunächst noch bei RTL etablierte er seine «Restaurantschule», bevor er mit der Dokureihe «Rach deckt auf» in inhaltliche Sphären vordrang, die mehr zum öffentlich-rechtlichen als zum Privatfernsehen passten. Insofern war der Senderwechsel zum ZDF beinahe schon folgerichtig, wurde aber zum größten Missverständnis seiner TV-Karriere. Mittlerweile ist er wieder zurück an alter Wirkungsstätte, hat sein Vorzeigeformat aber an Steffen Henssler verloren. Seiner Comeback-Sendung «Rach undercover» sind all diese Erfahrungen aus der Vergangenheit anzumerken: Die Angst davor, auch bei seiner alten Heimat nicht mehr geliebt zu werden, wenn er zu sehr von dem ihm aufoktroyierten Image abweicht. Aber auch der Wunsch, zumindest ein wenig von eben diesem Image abzuweichen und seinem Schaffen eine Relevanz zu verleihen. Erfreulicherweise gelingt es ihm und seinem Team aber, beides unter einen Hut zu bringen und vor allem den Protagonisten wieder in einer Rolle zu zeigen, die perfekt zu ihm passt.

Im Fokus von «Rach undercover» stehen wieder angeschlagene Restaurants - oder besser gesagt solche, die auf Online-Bewertungsportalen eine schlechte oder wie im Falle des Frankfurter "Frohsein" zumindest nur mittelprächtige Durchschnittsnote erhalten haben. Gemeinsam mit einem User, der besonders hart mit der Location ins Gericht geht, was in der ersten Folge die Bloggerin Nadia ist, bespricht Rach die vermeintlich größten Kritikpunkte und geht anschließend mit ihr dort ein weiteres Mal essen. Dies tut er jedoch undercover, um nicht von den Inhabern, Köchen und Kellnern erkannt zu werden - schließlich ist Rach ja bereits am Tag darauf mit den Chefs verabredet, um nun in die gewohnte Coach-Rolle zu schlüpfen und die Gaststätte auf Vordermann zu bringen.

Kreativer kommt eindeutig die erste Sendungshälfte daher, in welcher der Protagonist auf Vorzüge und Problematiken der Online-Bewertungsportale hinweist und sich mit einem Gast austauscht. Die vielleicht interessanteste Szene der ersten Folge ist das gemeinsame Essen mit Nadia, bei dem Rach selbst die Gerichte als unteren Durchschnitt definiert, während seine Partnerin geradezu an allem etwas auszusetzen hat, was ihren Tisch berührt. Bemerkenswert ist hier vor allem der Off-Kommentar des Protagonisten, in dem dezent durchzuklingen scheint, dass er seinem Urteil eine höhere Kompetenz beimisst als dem der Bloggerin - ohne dies jedoch in Dokusoap-typischer Manier dem Zuschauer als einzig reine Wahrheit einzuhämmern. Dieses Changieren zwischen latenter Arroganz (wovon seine Leidensgenossin gewiss auch nicht freizusprechen ist) und dem Streben nach Sachlichkeit ist symptomatisch für das generelle Auftreten der TV-Figur Christian Rach: Sehr selbstbewusst, manchmal an der Grenze zur Egozentrik, aber nie so aufdringlich und herablassend, dass es wirklich unangenehm wird.

Tags darauf trifft sich Rach dann mit den Inhabern des Restaurants, womit insofern eine gewisse Zäsur stattfindet, dass man sich wieder sehr nahe am Rand einer «Restauranttester»-Kopie bewegt. Er bespricht die Schwächen der Speisekarte, der Gerichte, der Organisation und der Küche und führt gelegentlich die Rach-typischen Monologe mit der Kamera. Im Prinzip kann man sagen, dass alles, was im direkten Kontakt mit den Verantwortlichen des "Frohsein" geschieht, eine zeitlich komprimierte Version seiner beliebtesten Sendung ist. Allzu arg mag man das als normaler Zuschauer aber gar nicht kritisieren, da der Sternekoch hierbei gewohnt charismatisch und mitreißend agiert und somit einfach gute Unterhaltung abliefert. Kreativ oder progressiv ist die Dokusoap in diesem Punkt aber gewiss nicht.

Einzig zum Ende hin haben sich die Macher noch einmal einen kleinen Kniff überlegt, den man so wohl auch als Zuschauer nicht erwartet hätte: Rach testet hier nicht nur die Verantwortlichen des Restaurants, sondern auch Bloggerin Nadia, die ein letztes Mal zum gemeinsamen Verzehr ins "Frohsein" kommt. Statt aus Kalbsfleisch besteht deren Wiener Schnitzel aus Hühnerbrust, was die selbstbewusste und nun auf einmal von den Gerichten rundum begeisterte junge Frau nicht zu erkennen vermag. Als Rach sie darauf hinweist, versucht sie sich damit herauszureden, dass sie "das aber gleich als nächstes gesagt" hätte. Man darf an dieser Stelle kritisieren, dass die Produktion hier gezielt eine Mitwirkende vorführt, was auch dahingehend ein gewisses Geschmäckle hat, dass Nadias Kompetenz mehr als nur ein wenig in Frage gestellt wird - und damit die Kompetenz derjenigen Person, die sich neben Rach als einzige ebenfalls anmaßt, vor laufender Kamera umfassend die Leistungen der Gastronomie zu bewerten. Auf der anderen Seite lässt sich aber auch in die Richtung argumentieren, dass es gerade ein löblicher Ansatz sei, einen Kritiker in die Mangel zu nehmen, der sich und seine Meinung für ausreichend wichtig hält, um online und gar im Fernsehen über anderer Menschen Arbeit zu urteilen.

Eine kleine Randbemerkung sei noch erlaubt: Offensichtlich nutzte das Team hauptsächlich die Website TripAdvisor als Quelle für die in der Sendung platzierten Zitate. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass gerade die Qualität des Services mit nur 2,5 von 5 möglichen Punkten am schwächsten wegkommt, während die Küche um immerhin einen Punkt besser dasteht. Auf das Service-Problem gehen allerdings weder Rach noch die Bloggerin wirklich ein, im Zentrum der Kritik steht die Zusammenstellung der Karte sowie die Qualität des Essens. Da darf man durchaus einmal die Frage stellen, warum das von den Usern als Hauptproblem ausgemachte Service-Defizit quasi komplett außen vor gelassen wird. Vielleicht einfach aus dramaturgischen Gründen, denn besser aussehendes und schmeckendes Essen lässt sich schließlich "direkter" erleben als ein guter Service - zumal die Qualität des Services wohl eher in der Breite valide erheben ließe.

Ist «Rach undercover» das richtige Format für Christian Rach?
Ich finde schon, die Mischung stimmte.
53,6%
Ich hätte mir etwas mehr Mut gewünscht, war mir zu nah am «Restauranttester».
20,7%
Nein, ich würde mir noch mehr Nähe zum «Restauranttester» wünschen.
10,0%
Habe es (noch) nicht gesehen, kann es also nicht beurteilen.
15,7%


Das soll den positiven Gesamteindruck von «Rach undercover» allerdings nicht allzu sehr schmälern, schließlich erfüllt die Sendung ihren Unterhaltungsauftrag sehr gut und bringt das alte Rach-Feeling auf Anhieb wieder zurück in die deutschen Wohnzimmer. Manch einem mag das neue Projekt zu stark an dem «Restauranttester» angelehnt sein, andere hätten sich vielleicht eine etwas ausführlichere Auseinandersetzung mit Rachs Arbeit vor Ort gewünscht, aber summa summarum ist das Comeback Rachs bei RTL inhaltlich geglückt. Nun müssen die Quoten entscheiden, ob das Publikum den bekannten TV-Koch weiterhin vornehmlich als Retter der deutschen Gastronomie sehen möchte oder sich an ihm mittlerweile satt gesehen hat.

«Rach undercover» läuft noch in den kommenden drei Wochen jeweils montags um 21:15 Uhr auf RTL.

Kurz-URL: qmde.de/80765
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