Sonntagsfragen

‚Wir haben gerne beschimpftes, aber eben doch verdammt gutes öffentlich-rechtliches Fernsehen‘

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Mit der «Schillerstraße» betrat sie die große TV-Bühne. Vor dem Start von zwei Sitcoms von Cordula Stratmann sprechen wir mit der gebürtigen Düsseldorferin über Quotendruck, Meetings und ihre Zeit beim Sender Sat.1.

Zur Person: Cordula Stratmann

Die Komikerin ist 1963 in Düsseldorf geboren worden und hatte Ende der 90er erste Erfolge im TV, vor allem mit ihrer Figur Annemie Hülchrath, in der sie immer wieder in WDRs «Zimmer frei» auftauchte. 2004 begann die Zusammenarbeit mit Sat.1 - unter anderem in der «Schillerstraße», aber auch beim Kinderquiz «Das weiß doch jedes Kind!». Sechs Jahre später probierte sie sich noch einmal an einem Impro-Format («Wir müssen reden!») in Sat.1 - hier waren die Quoten aber schlecht. Seit 2013 ist sie an der Seite von Olli Dittrich in dessen Fernsehparodien im Ersten zu sehen.
Frau Stratmann, uns steht ein Stratmann-Sommer bevor…
Naja, es sind ja nur ein paar Wochen. Am 3. Juli startet meine «Kühflüsterin» im Ersten – und am 24.7., wenn deren letzte Folgen laufen, startet im ZDF «Ellerbeck». Ich übergebe mir quasi selbst den Staffelstab.

Das haben Sie fantastisch getimed…
Ich doch nicht. Der Schauspieler redet da ja nicht mit (lacht). Ich liefere meine Arbeit ab, konzentriere mich vor dem Dreh auf die Vorbereitung und gebe währenddessen mein Bestes. Und dann schaut und wartet man, welchen Platz die Sender für die Serien finden. Die machen das schon.

Beide Serien laufen ja im Sommer, wo der Quotendruck nicht so hoch ist. Gut für Sie?
Damit befasse ich mich eigentlich nicht. Nach dem Dreh bin ich einfach froh, wenn die Serie zu sehen ist und ein paar Leuten gefällt.

«Die Kuhflüsterin» und «Ellerbeck» sind ja zwei ziemlich unterschiedliche Formate mit zwei wirklich sehr gegensätzlichen Figuren, die Sie spielen…
Die Arbeiten waren sehr unterschiedlich, weil beide Serien eine andere Erzählweise haben. «Ellerbeck» erzählen wir in einer Art Dokumentation die Geschichte einer Bürgerinitiative und wie meine Figur Sabine Ebert schließlich Bürgermeisterin wird. Man nennt das Mockumentary, das ist ein etwas angestrengter Begriff, der letztlich nur sagt, dass es eben so aussieht, als wäre das eine Dokumentation. Für uns Darsteller hat das eine Reihe ungewohnter und reizvoller Momente mit sich gebracht – weil wir mit der Kamera arbeiten, die man ja bei fiktionalen Erzählungen sonst strikt zu ignorieren hat.

Ganz anders ist das bei der «Kuhflüsterin», die Das Erste nun am Freitagvorabend ausprobiert.
Das ist eine halbe Stunde gute Unterhaltung – sozusagen eine „Wohlfühlhalbestunde“. «Mord mit Aussicht» ist eine Wohlfühlstunde im Ersten, wir machen eben eine halbe Stunde, in der der Zuschauer mit uns auf dem Dorf lebt, zankt, lacht und weint. Aber ohne Tote.

Also keine toten Kühe?
Keine toten Kühe, höchstens auf dem Teller.

Stünden Sie im Erfolgsfall denn für weitere Staffeln zur Verfügung oder schätzen Sie inzwischen doch sehr das projektbezogene Arbeiten?
Wenn wir über eine weitere Staffel reden, dann heißt das ja nicht, dass man sich auf 20 Jahre festlegt. Wenn ich das Gefühl habe, etwas macht keinen Sinn mehr, dann verabschiede ich mich. Das ist bei den beiden Serien längst nicht der Fall, weil die Geschichten definitiv noch nicht zu Ende erzählt sind.

Das Problem bei den Privaten ist viel eher, ein passendes Umfeld zu finden für die Art der Komik, die man in meinen Formaten vorfindet.
Cordula Stratmann
Dass Sie inzwischen hauptsächlich für das Öffentlich-rechtliche Fernsehen arbeiten ist ein Zufall?
Mit Sat.1 war das eine sehr gute Partnerschaft, in der Formate wie «Schillerstraße» oder auch «Das weiß doch jedes Kind» entstanden. Das Problem bei den Privaten ist viel eher, ein passendes Umfeld zu finden für die Art der Komik, die man in meinen Formaten vorfindet. Jetzt haben mich ARD und ZDF gefragt, ob ich Lust hätte diese Serien zu machen – und das war der Fall. Von meiner grundsätzlichen Prägung her bin ich aber schon eine ziemliche Befürworterin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Wenn man mal im Ausland ist, weiß man erst, wie gut wir es in dem Punkt eigentlich haben. In Deutschland gibt es zwar gerne beschimpftes, aber letztlich eben doch verdammt gutes öffentlich-rechtliches Fernsehen.

Denken Sie da auch an Ihren letzten Spanien-Urlaub zurück?
Bei mir war es eher Italien, was in der schlechten Fernsehunterhaltung keinen Unterschied macht (lacht). Diese ganzen verblödenden Spielshows, die im Ausland hoch- und runterlaufen, da denke ich wirklich mit Grauen an meinen Zapp-Versuch zurück. Die Tendenz zur Verblödung gibt es ja längst auch hier in Deutschland. Wenn man allerdings dem Zuschauer Verblödung vorwirft, dann sollte man sich klarmachen, dass der Anbieter der Verursacher ist!

Ich kenne Autoren, die könnten viel pointierter, viel waghalsiger schreiben, als sie es dürfen. Es mangelt also nicht am Personal, es mangelt am Mut, das alles auch zu zeigen.
Cordula Stratmann
Gibt es denn in Deutschland Ihrer Meinung ausreichend viele sehr gute Kreative, gerade im Comedy-Bereich?
Absolut und unbedingt. Es gibt sogar sensationell gute Leute hinter der Kamera. Ich kenne Autoren, die könnten viel pointierter, viel waghalsiger schreiben, als sie es dürfen. Es mangelt also nicht am Personal, es mangelt am Mut, das alles auch zu zeigen. Die Verantwortlichen sollten ein Programm machen, das sie selbst auch mögen. Und keins mit dem stets kleinsten gemeinsamen Nenner, von dem sie denken, dass das der schlichte Zuschauer so gerade noch verkraftet.

Wäre da nicht der Quotendruck und das nächste Meeting, in dem man sich für jeden Flop rechtfertigen muss.
Aber das ist doch Teil der Arbeit eines Redakteurs. Er muss für seine Leidenschaft kämpfen, seine Formate verteidigen. Es geht nun einmal nichts glatt wie Butter. Ich denke da an Stephan Denzer vom ZDF (Comedychef, Anm. d. Red.), der legt sich richtig für seine Formate ins Zeug. Der muss sich oft sehr einsam fühlen (lacht).

Würden Sie die «Schillerstraße» als eine Art Motor für Ihre Karriere bezeichnen? Denken Sie da heute noch gerne zurück?
Ja, da hatte ich zwei wirklich gute Jahre. Aber nach ziemlich genau zwei Jahren war dann auch das Ende erreicht.

Zwei Jahre, die sich irgendwie wie vier anfühlen, oder?
Was wohl daran liegt, weil wir damit eine sehr starke Wirkung erzielt haben. Das Format war ein seltener Glücksfall einer komplett neuen Idee aus Deutschland, die nicht abgeguckt war und großen Erfolg hatte. Nach zwei Jahren war es dann aber so, dass die Entscheider und ich nicht mehr dasselbe meinten mit der Zukunft der «Schillerstrasse». Wenn es unterschiedliche Vorstellungen gibt, wie man eine solche Sendung weitererzählt, dann sollte man sich respektvoll voneinander verabschieden und sich damit einen freundlichen Rückblick auf das Erreichte erhalten.

Eine letzte Frage noch: Über wen lachen Sie denn eigentlich gern?
Ich sitze gar nicht so oft vor dem Fernseher, wenn Sie das meinen. Ich lache oft an meinem Schreibtisch, wenn ich mir lustige Sachen ausdenke. Und ich habe auch in meinem privaten Umfeld sehr viele komische Menschen um mich herum. Ich lasse mich nämlich auch gerne gut unterhalten, das muss ich nicht immer selbst machen (lacht).

Danke für das Interview

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
30.06.2015 12:25 Uhr 1
Sehr schönes Interview!!! 8)

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