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Sebastian Weil: “Wir verstehen uns als Premiumnetzwerk“

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Dr. Sebastian Weil, CEO und Co-Founder des Multi-Channel-Netzwerks Studio71 stellt sich im zweiteiligen Interview mit Quotenmeter.de. Im ersten Part spricht er über die Entwicklung und das Potenzial von YouTube und Co.

Zur Person: Sebastian Weil

Dr. Sebastian Weil ist Geschäftsführer und Mitbegründer des Multi-Channel-Networks Studio71 der ProSiebenSat.1-Gruppe. Der ehemalige Unternehmensberater weist dabei eine ausgesprochen große Leidenschaft für TV- und Online-Inhalte auf. Schließlich schrieb er seine Doktorarbeit über Diversifizierungsstrategien deutscher Fernsehsender. Dies setzt er bei ProSiebenSat.1 mit beispielsweise MyVideo und maxdome konsequent um.
Herr Weil, welche Videos sehen Sie sich privat im Internet an?
Klar abgrenzen lässt sich das gar nicht, da ich aus beruflichen Gründen auch privat Videos der Künstler ansehe, die bei Studio71 unter Vertrag stehen. Aber abgesehen von diesen Inhalten, sehe ich sehr gerne und oft Musikvideos im Netz.

Für die jüngere Generation steht häufig der Spaß im Vordergrund. Warum macht YouTube vermeintlich mehr Spaß als Fernsehen?
Ich denke nicht, dass es rein um Spaß geht, sondern eher um eine eigene Kultur, die Jugendliche im Netz in den vergangenen Jahren aufgebaut haben und dabei unheimlich aufregend und wahnsinnig spannend ist. Dort wurden Künstler groß, die sehr nah an der jungen Zielgruppe dran sind. Die Nähe zu den Fans und Zuschauern bleibt dabei erhalten, trotz teils enormer Abruf-, Follower- und Fanzahlen, und die Künstler wirken noch immer wie ein Freund von nebenan. Das ist wahrscheinlich das entscheidende Merkmal der Webstars.
 
Für viele Außenstehende steckt YouTube allerdings noch immer in den Kinderschuhen und bedient dabei nur eine Nische aus der das Medium so schnell nicht rauskommen wird. Wie reagieren Sie auf solche Meinungen?
Das trifft sicherlich auf die Plattform YouTube zu, die von sehr kurzen Videos lebt. Letztlich trifft dies aber nicht auf die gesamte Branche der Online-Videos zu, denn gerade die älteren Zielgruppen erreichen wir mit Online-Premium-Content auf entsprechenden Portalen. Bestes Beispiel ist unser Portal MyVideo, das gerade mit fiktionalen Inhalten auch ältere Zuschauer bei intensiverem Konsum anzieht. Auf YouTube erfolgt häufig der schnelle Klick und ein Video fängt an. Kurz darauf wird weitergeklickt.

Große YouTube-Kanäle entwickeln sich derzeit klar in Richtung Vlog, Beauty oder Let’s Play. Dabei handelt es sich doch nicht um Inhalte, mit denen ein Zuschauer einen ganzen Samstagabend verbringt?
Das stimmt sicherlich, diese Inhalte sind klar für eine junge Zielgruppe ausgelegt. Aber: die Trends entwickeln sich nun Mal zuerst über die junge Zuschauergruppe, nach und nach wachsen dann Inhalte und Zielgruppe mit. Auch bei Themen wie „do it yourself“ oder Dokumentationen erkennen wir einen wachsenden Markt. Das ist selbstverständlich noch auf einer kleineren Basis als die von Ihnen aufgezählten Segmente, aber es befindet sich im Kommen.
 
Unser neuester Künstler, LeFloid, ist mit seinen Newsformaten sehr erfolgreich und erreicht eine große Zielgruppe.
Sebastian Weil über die Formate des neuesten Studio71-Künstlers
Sie sprechen do it yourself-Videos an. Welche Inhalte fehlen ihrer Meinung nach noch, damit YouTube sich als Programmangebot für die breite Masse etabliert? Klassische Nachrichten fehlen beispielsweise noch immer.
Es gibt bereits einige Webstars, die sich im Nachrichtenbereich durchaus etabliert haben. Nicht im Sinne einer klassischen Berichterstattung, dafür eher in Richtung Entertainment. Unser neuester Künstler, LeFloid, ist mit seinen Newsformaten sehr erfolgreich und erreicht eine große Zielgruppe. Grundsätzlich ist das Angebot von YouTube eher auf kurze Inhalte ausgerichtet. Andere Plattformen wie MyVideo und Vimeo, aber natürlich auch Bezahlplattformen wie maxdome oder Netflix, verfügen über ganz andere Programmfarben- und formate. Dort ist klar zu erkennen, dass Inhalte auf eine ganz andere Art konsumiert werden als die kurzen Clips auf YouTube.

Sie differenzieren also ganz klar zwischen den Plattformen. YouTube als kurzfristige Unterhaltung und maxdome für Inhalte mit tiefergehendem Anspruch?
Ja. Natürlich machen alle Plattformen eine Evolution durch. YouTube kommt vom User-generated-Content, der in den vergangenen Jahren professionalisiert wurde und sich mittlerweile zu einem eigenen Ökosystem rund um die Creator entwickelte. Das ist sehr erfolgreich und macht auch enorm viel Spaß. maxdome hat sich von Beginn an als premium Online-Videothek positioniert, die Top-Formate aus Hollywood noch vor TV-Ausstrahlung nach Deutschland bringt. Ein ganz anderes Nutzungsszenario also, das sich auch in den Zielgruppen widerspiegelt.

Sie sprechen dabei von Nutzer- und Zielgruppe. In den vergangenen Monaten gab es häufiger Kritik für den Umgang mit diesen. Einige der YouTube-Stars sprachen dabei Wahlempfehlungen aus, vermarkteten Energydrinks oder bewarben kostspielige Uhren. Wie gehen Sie als Verantwortlicher des Netzwerks Studio71 damit um? Werden die Künstler gebrieft oder gibt es gar eine Kontrollinstanz? Ein gewisses Risiko steckt wohl unbestritten hinter diesem Vorgehen?
Die Professionalisierung der Branche ist zum Glück klar zu erkennen. In der Vergangenheit gab es hier einige Lücken und nicht eindeutig definierte Regeln. Wir wenden bei all unseren Produktionen im Netz die gleichen Richtlinien an, die auf das Fernsehen zutreffen. Product-Placements und Sponsorings werden eindeutig gekennzeichnet. Videos, die von externen Marken finanziert werden, haben dabei den Einblender „PP“ für Product-Placement oder „„Werbevideo“ als dauerhafte Einblendung. Wir haben festgestellt, dass dies der Popularität keinen Abbruch getan hat und kreativ produzierte Inhalte, die Spaß machen und bei denen die Creator transparent mit dem Markensupport umgehen, von der Zielgruppe akzeptiert werden. Anders ist das, wenn Creator versuchen, dies zu vertuschen. Dann fühlen sich die Zuschauer zu Recht hinters Licht geführt und strafen das Video mit negativen Bewertungen ab. Unsere Erfahrung zeigt, dass der transparente Umgang mit den Werberichtlinien aus dem TV-Bereich von den Zuschauern honoriert wird.

Die Professionalisierung schreitet aber permanent voran, hochwertige Videos können mittlerweile sehr kostengünstiger produziert werden.
Sebastian Weil über den gesteigerten Produktionsaufwand
Die Videoproduktion wird permanent professionalisiert. Früher wurde schnell die Webcam eingeschaltet, das Video gedreht und hochgeladen. Mittlerweile haben Creator eigene Studios. Besteht dabei aber nicht auch das Risiko, dass die Authentizität verloren geht?
Mit zunehmender Professionalisierung geht natürlich dieses Risiko einher. Ein Creator, der bislang aus seinem eigenen Wohnzimmer produziert und damit Millionen von Fans und Subscribern gewonnen hat, sollte nicht von heute auf morgen auf eine Hochglanzbühne gestellt und mit Sponsorings überschüttet werden. Die Professionalisierung schreitet aber permanent voran, hochwertige Videos können mittlerweile sehr kostengünstiger produziert werden. Hier spielen die Netzwerke eine ganz wichtige Rolle, indem sie den Künstlern Hilfestellung und Beratung geben. Dazu zählen – sofern gewünscht – eine gemeinsam entwickelte Content-Strategie und eine produktionsseitige Unterstützung. Es ist aber ein klarer Unterschied, ob jemand behutsam eine inhaltliche Unterstützung erhält oder ob jemand von einem Tag auf den anderen in ein Fernsehstudio gestellt wird. Das machen wir ganz bewusst nicht, sondern bauen unsere Gesichter behutsam auf.
 
Sie sprechen den Aufbau von Talenten an. Dabei gibt es auf YouTube doch keine Einstiegshürde. Was ist dabei das Erfolgsgeheimnis?
Die heutige Generation der YouTube-Stars sind Leute wie „Du und ich“, die es selbst geschafft haben, populär zu werden und eine große Anhängerschaft aufzubauen. Eine Formel dafür gibt es nicht, aber Mechanismen, die Erfolg begünstigen. Und hier setzen die Netzwerke an: Wir tragen zur Channel-Optimierung bei und sorgen dafür, dass Inhalte besser gefunden werden, etwa durch SEO oder die richtige Betitelung von Inhalten. Ganz wichtig sind der Inhalt und das authentische Auftreten einer Person.

Das berühmte Schlagwort SEO. Inzwischen ist es für viele Künstler üblich die Titel in Caps lock zu schreiben und Sonderzeichen wie Pfeile einzufügen. Ebenfalls beliebt ist die Methode der Song-Parodien, bei denen das originale Thumbnail und der Titel, inklusive der Bezeichnung „official Video“, verwendet werden und ganz zum Schluss in Klammern „Parodie“ geschrieben wird. Ist das denn der richtige Weg?
Das muss jeder für sich entscheiden. Wir raten unseren Künstlern aber davon ab, dies zu exzessiv zu betreiben. Wichtiger ist, inhaltliche Qualität zu bieten, anstatt den Zuschauer in die Irre zu führen. Langfristig zahlt sich das nicht aus und kann den strafenden Daumen nach unten nach sich ziehen. Für uns ist die Bewertung der Videos eine zentrale Messgröße mit der Zielvorgabe von etwa 98 Prozent an Likes – die wir auch erreichen. Wir verstehen uns als Premiumnetzwerk, und dafür ist solch ein Indikator ein ganz entscheidendes Merkmal, anstatt mit anderen Mitteln auf Klickfang zu gehen.

Lesen Sie am Montag auch den zweiten Teil des Interviews mit Sebastian Weil und erfahren Sie wie die Zukunft von digitalen Inhalten aussieht und ob diese eine Gefahr für das lineare Fernsehen darstellen.

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